Von Falk-Stéphane Dezort, Tim Kegel und Anjoulih Pawelka
Sinsheim/Waibstadt/Siegelsbach. Auf alle Bereiche des Lebens hat das Corona-Virus Einfluss. Veranstaltungen wurden bis auf Weiteres abgesagt, Schulen und Kindertagesstätten sind geschlossen, Kontaktbeschränkungen wurden erlassen: Auch die Rathäuser haben ihre Pforten für den Publikumsverkehr nunmehr seit Wochen geschlossen. Doch hinter den verschlossenen Türen wird weitergearbeitet. Wir haben uns in Siegelsbach, Waibstadt und Sinsheim umgehört, drei unterschiedlich großen Kommunen der Region, wie sich die Arbeit der Verwaltung in der Corona-Zeit geändert hat:
> Homeoffice, sagt Sinsheims Oberbürgermeister Jörg Albrecht, passe zu vielen Bereichen in der Verwaltung der 36.000 Einwohner-Stadt mit ihren über 500 Angestellten schlicht nicht. Zwar arbeiteten "viele von daheim, viele bleiben in ihren Zimmern, viele sprechen mit Telefonschalte oder E-Mail miteinander": Reines Homeoffice sei aber "in vielen Bereichen nicht anwendbar", was beim "Aktenholen" älterer Vorgänge beginne und bei technischen Aufgaben ende.
Ähnlich sehen es auch seine Bürgermeisterkollegen Tobias Haucap (Siegelsbach) und Joachim Locher (Waibstadt). Zwar habe das Homeoffice auch seine Vorteile, sagt Haucap. So könne man sich für Arbeiten, bei denen man seine Ruhe brauche, leichter zurückziehen. "Aber es ist keine dauerhafte Option. Ich wäre lieber im Büro." In manchen Bereichen funktioniere Homeoffice in Waibstadt gut, in anderen jedoch nicht, sagt Locher.
> Die Arbeit im Waibstadter Rathaus habe sich komplett geändert, betont der Bürgermeister. Die Verwaltung arbeitet jetzt, wie auch die Kollegen in Siegelsbach, in einem Zwei-Schicht-System. In Waibstadt heißt das, dass die jeweiligen Mitarbeiter nur jeden zweiten Tag im Rathaus sind. Die andere Zeit arbeiten sie, soweit das möglich ist, im Homeoffice. Daher ist nun auch der Samstag ein normalen Arbeitstag. Die unterschiedlichen Gruppen würden sich "praktisch nicht mehr" sehen.
Eine wichtige Vorsichtsmaßnahme. Denn wenn eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter erkranken, hätte das zur Folge, dass alle Beschäftigten in häusliche Quarantäne müssten und das Rathaus de facto lahmgelegt wäre. Also arbeitet Locher nun fast alleine auf seinem Stockwerk. Das sei ungewohnt, würde aber funktionieren.
Viele Telefonate führt Marie Koch von der Stadtkasse im Waibstadter Rathaus, wenn von der Corona-Krise wirtschaftlich geschädigte Gewerbetreibende oder Privatpersonen mit ihr nach Lösungen suchen, weil sie fällige Zahlungen gerade nicht leisten können. Foto: Christian LaierAuch die Aufgaben an sich haben sich für das Stadtoberhaupt stark verändert. 90 Prozent des Tagesgeschäfts bei ihm und im Hauptamt drehen sich um Corona. Fast täglich bekommt Locher neue Handlungsempfehlungen von Bund und Land, die sich teilweise schon am nächsten Tag wieder ändern. Als Beispiel nennt der Bürgermeister die Eisdiele. Hier habe es erst geheißen, sie wäre wie eine Gaststätte zu betrachten. Einen Tag später hieß es, dass sie schließen muss. Seit einiger Zeit darf sie nun einen Liefer- und Abholservice anbieten.
> Um die laufenden Projekte aufrechtzuerhalten, findet in der 1700-Seelen-Gemeinde Siegelsbach am Dienstag eine Gemeinderatssitzung statt. Allerdings nicht wie gewohnt im Ratssaal, sondern, um ausreichend Abstand gewährleisten zu können, im großen Saal des Bürgerzentrums, erklärt Haucap. "Wir haben ein paar Themen, die weiterlaufen müssen." Dies seien in Siegelsbach vor allem der Bau der Sporthalle und das angedachte Baugebiet "Hinter der alten Schule". Bei der Sporthalle müssten beispielsweise weitere Leistungen vergeben werden.
In Sinsheim würden derzeit Verfahren erarbeitet, wie der Gemeinderat handlungsfähig bleiben kann. Hierbei soll eine Konferenzsoftware helfen. Überlegt werden aber auch kleinere Ratsrunden, etwa solche mit den Sprechern der Fraktionen.
Sinsheims Baudezernent Tobias Schutz spricht von einem "differenzierten Bild", was die laufenden Projekte betrifft: Diese kommen beim Bau eines Kreisverkehrs in der Neulandstraße fast schon als merkwürdiger Glücksfall daher: Die Hauptverkehrsachse am Stadtrand ist aufgrund der Arbeiten zweigeteilt. Dies hatte bis zuletzt Mega-Staus bei den Heimspielen der TSG Hoffenheim im gesamten Stadtgebiet zur Folge. Nun nicht mehr: "Hier klappt es wirklich gut."
Unterdessen sieht Schutz mehrere massive Probleme aufgrund der Corona-Krise aufziehen. "Materialmangel" betreffe einen Großteil der laufenden Projekte, etwa weil benötigte Waren in China produziert werden, darunter die Leuchten für die Sanierung der großen Theodor-Heuss-Gemeinschaftsschule.
> Auch finanziell sei die Krise ein "riesen Problem", betont Locher. Es gebe viele Stundungsanträge für die Gewerbesteuer, der die Stadt ohne große Prüfung zustimmt. Locher hat auch die Befürchtung, dass die komplette Gewerbesteuer wegbrechen könnte. Hinzu kommen zum Beispiel weniger Einnahmen durch die Aussetzung der Kindergartengebühren. "Das, was den Einzelhandel betrifft, kommt auf die Gemeinden versetzt zu", sagt Locher. Das werde dann über einen Nachtragshaushalt geregelt.
Über einen solchen hat man sich in Siegelsbach noch keine Gedanken gemacht. "Unser Haushalt wurde bestätigt. Wir sind erst einmal zurückhaltend und haben die Krise im Blick. Wir wissen nicht, was kommt", sagt Haucap. In puncto Gewerbesteuer stehe man mit den ansässigen Gewerbetreibenden "in einem engen Kontakt". Es sei positiv, dass man im Kernhaushalt keine Schulden mache. Er denkt: "Die Krise wird uns nicht komplett aus der Bahn werfen."
Rund 28 Millionen will Sinsheim dieses Jahr in Projekte stecken, allerdings hauptsächlich in schon Begonnenes, dessen Umsetzung weit fortgeschritten ist. Von einem "Jahr des Zuendebringens" war oft die Rede. Entscheidungen trifft momentan eine Notbesetzung aus Oberbürgermeister, den Amtsleitern und dem Ältestenrat der Stadträte, mit dem man sich alle zwei Wochen abstimmt.
So bekomme man allerdings nur die wichtigsten Auftragsvergaben – also bereits Beschlossenes – geregelt. Schutz geht auch davon aus, dass es "bei Zukunftsprojekten künftig neuen Gesprächsbedarf geben muss", ohne in Details zu gehen. Immer öfter hört man in Sinsheim den inhaltlich noch diffusen Begriff der "Haushaltssperre".
Auch für Michael Jerabek hat sich die Arbeit im Sinsheimer Rathaus während der Corona-Pandemie verändert. Foto: Kegel> Veranstaltungen: Mit einer gewissen Tragik verbunden ist die eigentlich für 2020 geplante Ausrichtung der Landesheimattage in Sinsheim. Seit knapp vier Jahren wurden rund 1000 Einzel-, darunter viele Großveranstaltungen von einer eigens gegründeten Geschäftsstelle vorbereitet, oft finanziert über beträchtliche Sponsorengelder. Im Hintergrund läuft nun die Rückabwicklung zumindest eines Großteils der Veranstaltungen.
Es habe bei den Mitarbeiterinnen der Heimattage-Geschäftsstelle "Tränen gegeben", als das zumindest teilweise Aus bekannt wurde, sagt Jörg Albrecht. Noch macht man in Sinsheim einen großen Bogen um eine Komplett-Absage des prestigeträchtigen Veranstaltungsformats.
Oberbürgermeister Albrecht, der als kontaktfreudig und bevölkerungsnah gilt, hat sich in mehreren Facebook-Postings und in einem offenen Brief an die Sinsheimer gewandt und darin sowohl die Arbeit des täglichen Krisenstabs gewürdigt als auch das vertrauensvolle Verhältnis zu den Gremien gelobt. 47 Corona-Infizierte gab es laut Landratsamt Stand Sonntagmittag in Sinsheim, davon 14 sogenannte aktive Fälle, die in Quarantäne sind. Die Ermittlung von Kontaktpersonen, die Anordnung von Quarantänen und die Einhaltung der Kontaktbeschränkungen klappten in Sinsheim gut, sagt Albrecht, was auch "der offenen Gesprächskultur und der Arbeit im Krisenstab" anzurechnen sei.