Der Gnadenhof am Zeller Weg finanziert sich ausschließlich aus Mitgliedsbeiträgen, Spenden und Patenschaften, das Geld ist knapp. Tamara Schäfer und Ellen Großekathöfer (rechts), hier mit Pferd Falko, blicken trotzdem zuversichtlich in die Zukunft. Foto: Sabina Stoppel
Von Sabina Stoppel
Helmstadt-Bargen. Was passiert mit Tieren, deren Besitzer verstirbt oder wenn Herrchen oder Frauchen in Not geraten und sich nicht mehr um ihre Lieblinge kümmern können? Ganz klar, sie kommen ins Tierheim. Doch kein Tierheim wird wohl Pferde, Schafe oder gar Ziegen aufnehmen. Hier kommen Gnadenhöfe ins Spiel. "Für Pferde findet man eher selten einen Platz. Die Gnadenhöfe, die Pferde aufnehmen, haben lange Wartelisten", sagt Tamara Schäfer, Tierheilpraktikerin, Vorsitzende und Gründerin der "Gnadenhof Tierhilfe Kraichgau".
Im Moment beherbergt der Hof in Helmstadt sechs Pferde, drei Ponys, eine Ziege und zwei Schafe. Das älteste Tier, Pferd "Nikolaus", ist 33 Jahre alt. Das entspricht 99 Menschenjahren. Hier entsteht dann auch ein großer Kostenfaktor, denn ältere Tiere brauchen spezielles Futter. Einige von ihnen haben kaum oder keine Zähne mehr. "Wie im Altenheim", scherzt Schäfer. Ihre Ernährung besteht dann aus einem Brei, der aus "Heucobs", einer Art Pellets, angerührt wird. Dieser muss immer frisch sein und kann leicht kippen, weshalb während der Fütterung immer jemand da sein muss. Das ist zeitintensiv und muss zweimal täglich gemacht werden.
Ein zweiter Bundesfreiwilliger soll demnächst für Entlastung sorgen und drei Fütterungen am Tag ermöglichen. Zusätzlich wird den ganzen Tag über Heu angeboten, denn die alten Tierherren und -damen kauen trotz fehlender Zähne gerne mal dran. "Für sie ist das wie Kautabak", sagt Schäfer und lacht. Auch andere Arbeiten wie Reparaturen, Rasenmähen und Bauen fallen auf dem 3,2 Hektar großen Grundstück an.
Während der Weidesaison haben die Tiere immer freien Zugang zur Weide und können selbst entscheiden, wo sie sich aufhalten. Die Aufnahme von neuen Bewohnern erfolgt ebenfalls nur in dieser Zeit. "So können sich die Tiere aus dem Weg gehen, wenn sie sich gerade erst kennenlernen", sagt die Tierheilpraktikerin. Bis jetzt sei die Gruppe aber homogen gewesen. Der Hof musste dieses Jahr, nach vier Jahren ohne Zwischenfälle, auch zwei Todesfälle verkraften. "Wir hatten bis vor Kurzem sieben Großpferde. Jetzt nur noch sechs. Sieben Pferde sind aber auch die Obergrenze für uns. Wir können uns vor Anfragen kaum retten", sagt Schäfer. Da man nicht jedem Tier helfen könne, müsse stark abgewogen werden: Was passt hier rein? Was ist ein Notfall?
Ein Fall hat Schäfer besonders bewegt. Im letzten Jahr erhielt sie eine Anfrage von Ellen Großekathöfer, die an Amyotropher Lateralsklerose (ALS) leidet. Ihr Westernpferd "Buck", 22 Jahre alt, wollte sie in guten Händen wissen, wenn sie es nicht mehr versorgen kann. Im Moment befindet sich Buck aber auf einem anderen Hof. "Dieser Hof ist für mich gut alleine erreichbar und es sind viele Menschen vor Ort, die mir helfen können", sagt Großekathöfer. "Trotzdem möchte ich, dass mein Pferd optimal versorgt ist, wenn es bei mir nicht mehr geht. Hier wird er es dann gut haben."
Ihr Mann, Bernd Przybylla, hilft, wo er kann. "Für uns ist es wichtig, dass es die Pferde gut haben, obwohl sie so alt sind. Toll, dass sie hier noch einen schönen Lebensabend haben, nachdem sie den Menschen gedient haben", sagt Przybylla. Auf den Gnadenhof aufmerksam geworden sind die beiden über das Internet. In sozialen Medien konnten sie sich dann einen ersten Eindruck verschaffen und waren gleich begeistert. Der endgültige Termin für Bucks Aufnahme steht noch nicht fest. Einerseits geht es Großekathöfer den Umständen entsprechend noch gut. Andererseits muss die Aufnahme eines Pferdes erst im Verein beschlossen werden. "Wenn das aber mal kein Notfall ist, was dann?", sagt Schäfer.
Der Verein, der dieses Jahr zehnjähriges Bestehen feiert, finanziert sich ausschließlich aus Mitgliedsbeiträgen, Spenden und Patenschaften. Ein Tag der offenen Tür am 8. September von 11 bis 18 Uhr soll zusätzliches Geld in die Kasse spülen, das dringend benötigt wird. Und der Gnadenhof hat an diesem Tag auch ordentlich was zu bieten: Unterhaltungsprogramm für Kinder, Tombola und Essen. Ein Kalender, bei dem der Verein nur die Druckkosten trägt, wird einmal jährlich verkauft. Die Fotos und das Design werden ehrenamtlich von Profis gemacht. "Die Pacht ist günstig, viel Geld muss in Futter und Umbauten investiert werden. Momentan sparen wir auf eine neue Solaranlage, die uns genügend Licht spendet, damit wir abends die Tiere versorgen können. Fließendes Wasser wäre toll, im Moment aber zu teuer", sagt Schäfer. Eventuell bestünde auch irgendwann die Möglichkeit, dass der Verein das Grundstück kaufen könne. Hierauf müsse gespart werden, denn der Hof lebe auch mit der Angst, dass er irgendwann den Platz räumen müsse.
Momentan gibt es noch ein Problem, das einer baldigen Lösung bedarf: Es wird ein Abnehmer für Pferdemist gesucht.