Vater klagt, weil sein Sohn drei Jahre lang keine Schule zugewiesen bekam
Drei Jahre lang hatte der Sohn keinen Unterricht. Die Uneinigkeiten mit Schulen und Behörden gipfeln vorm Verwaltungsgericht Karlsruhe.

Von Christiane Barth
Eschelbronn. Dass jemand das Schulamt verklagt, kommt eher selten vor. Ergün Gündes macht das aber. Der Eschelbronner zieht vor Gericht und hat einen starken Gegner: das Land Baden-Württemberg. Er wirft ihm vor, rechtswidrig gehandelt zu haben, weil sein Sohn drei Jahre lang keiner Schule zugewiesen worden sei. So lange nämlich blieb der mittlerweile 15-Jährige zu Hause und wurde mal von der Tochter, mal vom Vater unterrichtet. Dass dies nicht ausreichte, gibt der 48-Jährige unumwunden zu: "Was können wir ihm denn schon beibringen?"
Die ebenfalls 48-jährige Mutter, Meryem Gündes, spricht schlecht Deutsch, der Junge hatte also viele Bildungslücken, als er endlich eine Schule fand, die ihn aufnahm: Seit zwei Jahren besucht er nun die 9. Klasse der Karl Bühler-Schule in Meckesheim. Vielleicht muss er eine Ehrenrunde drehen, meint der Vater, der am kommenden Mittwoch seinen Termin im Verwaltungsgericht Karlsruhe hat. Vertreten wird er dort von seinem Anwalt. Ergün Gündes ist überzeugt: "Das Schulamt ist seiner Pflicht nicht nachgekommen."
Ein Rückblick: Es muss nach den Faschingsferien 2016 gewesen sein, als Ergün Gündes seinen Sohn Muhammed, das jüngste von vier Geschwistern, wie gewohnt zur Schlosswiesenschule in Eschelbronn brachte und dort erfuhr, dass der Junior abgemeldet sei. Der Viertklässler könne nicht länger im Dorf unterrichtet werden, habe es damals geheißen. Das war der Moment, bei dem die Uneinigkeiten der Familie Gündes mit dem Schulamt begannen und die jetzt in einem Prozess vor dem Verwaltungsgericht gipfeln.
Unklar sei damals gewesen, wo der Junge eigentlich hingehört: In die Gemeinschaftsschule Epfenbach oder in die Carl Orff-Schule Sinsheim? Dass sein Sohn möglicherweise in eine Sonderschule gehen sollte, wollte der Vater damals nicht akzeptieren. Heute sagt er: "Ich konnte ihn zu dieser Zeit nirgends anmelden." Auch eine Privatschule in Heidelberg habe ihn abgelehnt. Der Vater besteht auf sein Recht, die Schule selbst zu wählen, in die sein Sohn gehen soll, "ob er sie nun packt oder nicht".
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Die Konsequenz war: Der Junge ging drei Jahre lang überhaupt nicht zu Schule. Einige Male habe er eine Klasse der Theodor-Heuss-Schule in Sinsheim besucht, sich dort aber überhaupt nicht wohl gefühlt, berichtete damals der Vater. Den Sprössling zog es nach Epfenbach; dort drückten auch seine Kumpels die Schulbank.
Der Vater hat selbst keine allzu glücklichen Erinnerungen an seine Schulzeit: Er wurde als Kind in die Sinsheimer Förderschule geschickt, was er noch heute als Makel empfindet. Dennoch: Er lernte Schweißer, arbeitet heute bei Audi in Neckarsulm. Die drei Töchter der Familie sollten ebenfalls eine "ordentliche" Schulbildung genießen und sind ihren Weg gegangen. Die älteste Tochter hat eine Ausbildung zur Bürokauffrau gemacht und den Bruder hin und wieder unterrichtet.
2018 erhielt der Vater einen Bußgeldbescheid wegen Verstoßes gegen die Schulpflicht. Doch er war der Ansicht, eine bestimmte Schule dürfe dem Sohn nicht aufgezwungen werden. 50 Euro sollte er bezahlen, das tat er aber nicht. Mittlerweile laufe es gut, berichtet Ergün Gündes. Seit Dezember 2019 besucht Muhammed wieder eine Schule – auf Empfehlung des Schulamtes und des Rechtsanwaltes der Familie.
Was er sich von dem Gerichtsprozess nun erhofft? Ihm gehe es um die Anerkennung, "dass man mir damals mein Recht weggenommen hat", beharrt Ergün Gündes. Auch von anderen Familien habe er ähnlich gelagerte "Fälle" zugetragen bekommen. "Und alle sind vor Gericht gegangen", sagt er. "Ich verstehe nicht, warum man in Deutschland klagen muss, obwohl doch das Recht auf freie Schulwahl gilt." Dass sich "niemand gekümmert" habe, ist der große Vorwurf des Eschelbronners, der sich Schadensersatz erhofft. "Das Kind hat ja immerhin drei Jahre verloren." Denn unklar sei bislang, ob der Jugendliche überhaupt eine Ausbildungsstelle bekommt. "Wir wissen ja nicht, wie sich alles entwickelt. Es müssen Konsequenzen her. So etwas darf nicht nochmal passieren", betont Ergün Gündes. Auch den Eltern habe die Situation geschadet. "Wir waren drei Jahre lang getrennt, jetzt versuchen wir es wieder miteinander", sagt er.