Ernst Rapp setzte den Opel-GT im Jahr 1971 unter Strom. In der "Classic-Werkstatt" des Autobauers in Rüsselsheim traf er auf das Original-Fahrzeug, das er vor 47 Jahren bei Bosch in Stuttgart zum Elektro-Rennwagen umgebaut hatte. Foto: Detlef Brötzman/RNZ Repro
Von Detlef Brötzmann
Eppingen. Die Geschichte des Elektroautomobils ist viel älter, als man gemeinhin annimmt. Bereits im Jahr 1899 stahl der Elektrowagen "La Jamais contente" (Die nie Zufriedene), welcher im Aussehen einer Zigarre ähnelte, den Kutschen mit Verbrennungsmotor die Schau. Es war das erste Straßenfahrzeug der Welt, mit dem der belgische Ingenieur und Rennfahrer Camille Jenatzy in der Nähe von Paris mit gemessenen 105,8 km/h die Grenze von 100 überschritt.
Erst im Jahr 1902 gelang es, diesen Automobil-Geschwindigkeitsrekord durch Dampf- und Verbrennungsmotoren zu brechen. Genau 72 Jahre später war es ein umgebauter Opel GT, der am 17. Mai 1971 mit 188,8 km/h einen neuen Weltrekord für Elektroautos auf dem Hockenheimring aufstellte. Unter Strom gesetzt hatte ihn damals der Eppinger Elektrotechniker Ernst Rapp.
"Das Entwicklungsprojekt lief damals unter höchster Geheimhaltung", erinnert sich der heute 70-Jährige, der von 1963 bis 1972 bei Bosch in Stuttgart tätig war. Das Unternehmen befasste sich, nachdem 1965 die neue Regeltechnik mit Thyristor-Steller zur Steuerung der Leistungsaufnahme aufkam, ab 1966 mit der Entwicklung von Elektromotoren für Autos. Bosch war in dieser Technik Vorreiter.
Das erste Entwicklungsprojekt war 1966 ein im Besitz der Firma Bosch befindlicher NSU-Rallye-AS, der äußerlich einem Fiat Panorama ähnelte. Ausgestattet mit 150 Kilogramm Batterien und 20 Kilogramm Steuerungstechnik erreichte das Fahrzeug eine Geschwindigkeit von 60 Kilometern pro Stunde bei einer Reichweite von 40 Kilometern.
Richtig spannend wurde es erst ein paar Jahre später, als Georg von Opel an die Tür bei Bosch klopfte. Der sportbegeisterte Enkel des Firmengründers Adam Opel hatte, wie seine Vorfahren, ein Gespür und Faible für schnelle Autos. Im Zuge der aufkommenden Ölkrise wollte der damals 59-Jährige beweisen, dass ein Elektroantrieb einem Verbrennungsmotor ebenbürtig ist. Aus einer Serienfertigung stellte er Bosch ein umgebautes Opel-GT-Sportcoupé zur Verfügung. Der Vierzylindermotor war ausgebaut. "Bekannt war nur, dass Opel etwas vorhatte und ins Guinnessbuch wollte", erinnert sich Rapp.
Die Stuttgarter, zwei Ingenieure und Ernst Rapp, hatten die Aufgabe, die Technik zu installieren und einen "lautlosen" GT zum Laufen zu bringen. Dazu wurden zwei Gleichstrommotoren aus einem anderen Bosch-Werk angeliefert. Vier Blöcke mit Nickel-Kadmium-Batterien kamen von Varta. Die Akkumulatoren mit einem Gewicht von 590 Kilogramm stammten aus dem Flugzeugbau und nahmen den Platz des Beifahrers und den kompletten Gepäckraum in Anspruch.
Gefahren hatte Rapp das Auto allerdings nie. Getestet wurde auf dem Prüfstand, denn nicht einmal im Werk durften die Mitarbeiter von der Sache wissen. Ohne große Tests ging Georg von Opel am 17. Mai 1971 mit dem geräuschlosen GT in Hockenheim persönlich auf die Piste. Wenig später erfuhr Rapp über seinen Abteilungsleiter vom sensationellen Ergebnis: "Es hat geklappt - Weltrekord."
Vom Elektro-GT hatte Rapp nie mehr etwas gehört. Erst 2018 wollte es der Zufall, dass er beim Geburtstag eines Freundes einen Opel-Mitarbeiter traf. Dieser wusste, dass der Elektro-GT in der "Classic-Werkstatt" des Rüsselsheimer Autobauers steht. Wenige Tage später bekam Rapp einen Anruf von Museumsleiter Jens Cooper und schnell kam es zu einem Treffen vor Ort.
Die Batterien des Elektro-Rennwagens waren ausgebaut, doch der Motor blieb unverändert erhalten. Rapp erkannte die Handschrift seiner dort angebrachten Schildchen. Jens Cooper fragte: "Kann man das Auto wieder zum Laufen bringen?" Das fachkundige Urteil des Eppinger Motorentüftlers lautete: "Nicht mehr funktionstüchtig. Altersbedingt funktionieren die Kondensatoren nicht mehr, doch sonst kann man das Fahrzeug wieder flott machen."
Doch für eine Instandsetzung fehlen dem "Opel-Museum" derzeit die finanziellen Mittel. Genau wie damals, denn als Georg von Opel ein halbes Jahr nach seinem Weltrekord starb, zogen seine damaligen Partner den Stecker. Die Kosten für den Elektro-GT beliefen sich auf 300.000 D-Mark.
Doch die Hauptprobleme des Projekts Elektroantrieb waren darin begründet, dass die Batterien ein extrem hohes Fahrzeuggewicht verursachten und eine nur sehr geringe Fahrreichweite erlaubten. Ein Thema, das knapp 48 Jahre nach dem Weltrekord des geräuschlosen GT kaum an Aktualität verloren hat.