Von Michael Endres
Sinsheim. "Etwas Positives muss die prophezeite Klimaerwärmung ja haben", freuen sich mittlerweile manche Hobbygärtner. Die milderen Winter und heißen Sommer bescheren dem Kraichgau als "Badische Toskana" zunehmend mediterrane Pflanzen und Früchte.
Neben winterharten chinesischen Hanfpalmen und frostresistenten Kiwis lassen sich in geschützten Lagen im Raum Sinsheim ebenso wohlschmeckende Feigen züchten. Und dieses Jahr ist ein besonderes Feigenjahr: So früh und so viele der leckeren birnenförmigen Früchte gab es noch nie wie jetzt bereits Ende August.
Schuld daran ist der überaus milde Winter, der dem Kraichgau zwischen Dezember und Februar kaum Frost bescherte. Gute Pflege, mit reichlich Wasser und regelmäßiger Düngergabe, ein sehr sonniger Standort und im Winter Schutz vor Frost sind wichtig, sonst klappt es nicht mit äußerst stattlichen Früchten in unseren Breitengraden.
Die Feige lässt sich relativ leicht über Stecklinge vermehren: Im Herbst werden kleine Äste sauber abgeschnitten und dann einfach in gute Anzuchterde gesteckt. Doch Erfolg einer Vermehrung wird nach Erfahrungen der Hobbygärtner mit so genanntem "Bewurzelungshormon" erhöht; im Handel gibt’s das Mittel unter der Handelsbezeichnung "Stecklingspulver".
Eigentlich ist die Feige aus der Familie der Maulbeergewächse im Mittelmeerraum bzw. Asien beheimatet. In Deutschland gibt es außer an der sonnenverwöhnen Weinstraße und dem Kraichgau kaum Regionen, wo sich die mediterranen Gewächse wohl fühlen.
Der bis zu zehn Meter hohe Strauch oder Baum besitzt große, derbe und gelappte Blätter, die ein wenig an Weinblätter erinnern. Die Zweige sind recht dick, die Rinde ist glatt und hellgrau.
Bei der "Frucht" handelt es sich in Wirklichkeit um den Fruchtstand, der aus einer fleischigen, krugartig nach innen gewölbten Blütenstandsachse mit Hunderten von kleinen, im Inneren liegenden schlauchförmigen Blüten bzw. Früchten besteht. Die reife Scheinfrucht der Echten Feige hat eine kugelige bis birnenförmige Gestalt, je nach Sorte ein grünes bis dunkelviolettes Äußeres und ein rötliches, aus den Früchten bestehendes Inneres. Die Befruchtung erfolgt durch eine ungewöhnlich komplexe Symbiose zwischen den beiden Varietäten von Ficus carica, nämlich der Ess- oder Haus-Feige (var. domestica) und der Bocksfeige (var. caprificus) sowie der zwei bis drei Millimeter großen Feigenwespe (Blastophaga psenes). Während die Bocksfeige männliche und weibliche Blüten besitzt, hat die Essfeige nur weibliche, die mithilfe der Feigenwespen durch die Pollen der Bocksfeige bestäubt werden müssen.
Die Domestizierung der Feige setzte schon sehr früh ein und ist höchstwahrscheinlich sogar älter als der Ackerbau. Feigen waren früh ein wichtiger Bestandteil der Ernährung in Mesopotamien, Palästina, Ägypten und Griechenland. Der römische Koch Apicius soll seine Schweine mit syrischen Feigen gefüttert haben, um das Schweinefleisch zur Vollendung zu bringen.
Ob Feigen einmal in größerem Stil angebaut werden, darüber wollen Fachleute noch keine Aussagen treffen. Aktuell liegen keine verlässlichen Daten vor. Problematisch sind vor allem die Winter, denn die Wärme liebenden Pflanzen vertragen keinen strengen Frost. Da aber gerade die zurückliegenden Winter außerordentlich mild und das erste Halbjahr 2016 sehr feucht war, gedeihen die Bäume auch im Kraichgau prächtig.
Ein Phänomen, dass Hobbygärtner gerne übersehen: Die Bäume und Sträucher sterben bei strenger Kälte zwar ab, treiben aber aus der Wurzel nach. Obwohl die heimische Feige immer mehr Liebhaber findet, wird es wohl nicht im Kraichgau zu rentablem Anbau kommen. Sie hat aber im Hausgarten durchaus ihren Platz.