Kinderbetreuung in Heidelberg

Kostenlose Kinderbetreuung für einkommensschwache Familien

Familien mit Heidelberg-Pass sollen von Gebühren befreit werden - Einmalig in Deutschland

29.11.2017 UPDATE: 30.11.2017 06:00 Uhr 3 Minuten

In einer reichen Stadt wie Heidelberg sollen auch Kinder aus ärmeren Familien gut und vor allem kostenlos betreut werden. Symbolbild: dpa

Von Steffen Blatt

Heidelberg. Das ist deutschlandweit einmalig: In Heidelberg sollen einkommensschwache Familien ab September 2018 komplett von den Gebühren für die Kinderbetreuung befreit werden - vom vollendeten ersten Lebensjahr des Kindes bis zum Schuleintritt. Die Regelung beinhaltet eine Betreuung für bis zu zehn Stunden täglich, auch das Mittagessen ist inklusive. Der Jugendhilfeausschuss hat dem Vorhaben am Dienstag zugestimmt, der Gemeinderat entscheidet am 14. Dezember endgültig darüber.

Die kostenlose Betreuung soll für Familien gelten, die den "Heidelberg-Pass" oder den "Heidelberg-Pass+" besitzen. Die können beantragt werden, wenn ein Haushalt Sozialleistungen wie Wohngeld bezieht oder das monatliche Einkommen eine bestimmte Grenze nicht überschreitet.

Mit den Heidelberg-Pässen gibt es zahlreiche Vergünstigungen, etwa in den Bereichen Bildung, Freizeit, Kultur oder im öffentlichen Nahverkehr. Bei der Kinderbetreuung waren bisher drei Kindergartenjahre kostenfrei, ein Krippenplatz musste bezahlt werden. 

Hintergrund

In Heidelberg bieten laut Stadtverwaltung mehr als 40 Träger in über 120 Kindertageseinrichtungen rund 6250 Betreuungsplätze für Kinder von der Geburt bis zum Schuleintritt an, mehr als zwei Drittel sind Ganztagesplätze. Mit einer Versorgungsquote für Kinder unter drei Jahren

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In Heidelberg bieten laut Stadtverwaltung mehr als 40 Träger in über 120 Kindertageseinrichtungen rund 6250 Betreuungsplätze für Kinder von der Geburt bis zum Schuleintritt an, mehr als zwei Drittel sind Ganztagesplätze. Mit einer Versorgungsquote für Kinder unter drei Jahren von rund 51,3 Prozent und einer Vollversorgung im Kindergartenbereich (drei bis sechs Jahre) belegt Heidelberg seit Jahren einen Spitzenplatz im Vergleich der westlichen Bundesländer. Für die Kinderbetreuung gibt die Stadt 2017 und 2018 insgesamt mehr als 147 Millionen Euro aus. ste

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Bisher gibt es für Familien mit Heidelberg-Pässen eine Kostenbefreiung für drei Kindergartenjahre. Davon profitieren aktuell 700 Kinder. Die Betreuung in Krippen für unter Dreijährige ist nicht kostenfrei. Künftig würden sich für eine Familie mit zwei Kindern, die eine städtische Krippe besuchen, Entlastungen von bis zu 400 Euro ergeben - bei freien Trägern, die nicht das städtische Entgeltsystem übernommen haben und daher teurer sind, fallen die Summen sogar deutlich höher aus.

Das Maßnahmenbündel enthält auch Änderungen in der Gebührenstruktur der städtischen Betreuungseinrichtungen. Bisher wurden die Beiträge nach dem Einkommen der Eltern gestaffelt in fünf Stufen berechnet, nun kommt eine sechste dazu. Auch die Einkommensgrenzen werden angehoben. Dadurch müssen Besserverdienende etwas mehr bezahlen, kleinere und mittlere Einkommen sollen entlastet werden. Auch bei der "Geschwisterermäßigung" müssen Gutverdiener tiefer in die Tasche greifen. Trotz dieser teilweisen Gegenfinanzierung rechnet die Verwaltung von Mehrkosten von mindestens 372.000 Euro pro Jahr. Die Einrichtungen der katholischen und evangelischen Kirche sowie des Vereins "Päd-Aktiv" werden die neue Gebührenstruktur eins zu eins übernehmen.

Sozialbürgermeister Joachim Gerner spricht von einem "Meilenstein in der Heidelberger Sozialpolitik". Und weiter: "Unser Ziel ist es, jedem Kind in Heidelberg eine Betreuung zu ermöglichen - und zwar unabhängig vom Einkommen der Eltern. Kein Kind soll, weil das Geld zu Hause knapp ist, eine Krippe oder einen Kindergarten nicht besuchen können." Was das Heidelberger Angebot von anderen abhebt: Nirgendwo sonst in Deutschland gibt es die Betreuung bis zu zehn Stunden täglich inklusive Mittagessen kostenfrei.

Im Jugendhilfeausschuss des Gemeinderats bekam die Ausweitung des Betreuungsangebots einhelliges Lob - einstimmig gab das Gremium grünes Licht für das Vorhaben, das Teil eines größeren Maßnahmenpakets ist. Denn auch die Familien mit wenig Geld, die Beiträge zahlen müssen, sollen entlastet werden. Dafür werden die Struktur der Gebühren und die Geschwisterermäßigung angepasst: Besserverdiener sollen in Zukunft etwas mehr bezahlen.

Neben der Einführung der kostenlosen Kinderbetreuung für einkommensschwache Familien soll es in der Gebührenstruktur der stadteigenen Einrichtungen noch weitere Änderungen geben. Dabei will man Familien mit weniger Geld entlasten, Besserverdienende sollen mehr bezahlen. Stimmt der Gemeinderat am 14. Dezember zu, gelten ab September 2018 diese Neuerungen:

Neue Entgeltstufen: Bisher gab es fünf Stufen, in die Familien je nach ihrem Einkommen eingeteilt wurden. Jetzt kommt eine sechste hinzu. Auch die Einkommensgrenzen ändern sich. Stufe 1 beginnt jetzt bei 30.000 Euro (vorher: 24.960 ), dann geht es in 13.000 er-Schritten bis 82.000 Euro (Stufe 5). Wer mehr verdient, rutscht in die neue Stufe 6. Bisher liegt die Obergrenze bei 61.860 Euro. Bei der Einteilung gilt das "steuerlich bereinigte Bruttoeinkommen", das heißt, es werden etwa Kinderfreibeträge, Krankenversicherungsbeiträge oder Fahrtkosten zur Arbeit abgezogen. Ab dem zweiten Kind geht außerdem ein weiterer Freibetrag in Höhe von 5000 Euro ab. Erfahrungsgemäß reduziere sich das Jahreseinkommen eines Haushaltes nach den Abzügen um etwa 25 Prozent, sagte Frank Hoffmann vom städtischen Kinder- und Jugendamt im Jugendhilfeausschuss. Wer also in der neuen Stufe 6 landet, verdient weit über 100.000 Euro im Jahr. Die Preisspanne im neuen System reicht damit etwa bei der Kleinkindbetreuung von 84 Euro im Monat (Stufe 1, sechs Stunden Betreuung pro Tag) bis 596 Euro (Stufe 6, zehn Stunden).

Geschwisterermäßigung: Wer zwei oder mehr Geschwister in einer Einrichtung betreuen lässt, zahlt höchstens 150 Prozent des Beitrags für ein Kind. Diese Regelung wird beibehalten. Für die Einkommensstufen 5 und 6 wird der Höchstbetrag aber auf 175 Prozent angehoben.

Die neuen Tarife gelten nur für Neuverträge ab dem 1. September 2018, wer jetzt schon Kinder in der Betreuung hat, für den ändert sich nichts. Die katholische und die evangelische Kirche sowie der Verein Päd-Aktiv werden die Änderungen für ihre Kitas eins zu eins übernehmen, bei den Krippen sind die Gebühren jedoch überall höher als in den städtischen Einrichtungen. Seit 2013 erhalten freie Träger, die ihre Preise dem städtischen Modell anpassen, zusätzliche Ausgleichszahlungen von der Stadt, um ihre Finanzierungslücken zu schließen. Auch darum wird das Modell nicht komplett kostenneutral sein, die Verwaltung rechnet mit Mehrkosten von mindestens 372.000 Euro pro Jahr.

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