Bürgermeister Karl Rühl. Foto: Alex
Von Christoph Moll
Nußloch/Wiesloch. Karl Rühl schüttelte den Kopf. Immer wieder. Gerade hatte Richter Michael Rensch das Urteil verkündet: Geldstrafe über knapp 6000 Euro wegen falscher Verdächtigung. Das Urteil gegen den Nußlocher Bürgermeister fiel am Mittwochnachmittag nach drei Verhandlungstagen vor dem Wieslocher Amtsgericht. Das Gericht kam zur Überzeugung, dass Rühl im Sommer vergangenen Jahres an seinem Wohnort Mühlhausen eine Straftat vorgetäuscht hat.
Um was ging es? Unstrittig war, dass es im Juni 2016 in Rühls Wohnort Mühlhausen zu einer Auseinandersetzung zwischen ihm und dem Architekten Ercan D. gekommen war. Dieser soll beim Bau seines Hauses zu viel Erde abgegraben haben, sodass der angrenzende Acker von Rühls Eltern instabil wurde. Genau dies wollte Rühl mit der Kamera für das Baurechtsamt dokumentieren. Als der Architekt den Fotografen entdeckte, kam es zur Konfrontation.
Doch wie lief diese ab? Hier gingen die Schilderungen auseinander: Rühl gab an, von dem 29-Jährigen beleidigt und geschlagen worden zu sein - und erstattete Anzeige. Der Architekt hingegen bestritt die Vorwürfe. Seine Sichtweise bestätigten mehrere Zeugen, weshalb an Rühl ein Strafbefehl wegen falscher Verdächtigung über rund 5000 Euro erging. Weil Rühl diesem widersprach, kam es zum Prozess.
Richter Michael Rensch sagte am Mittwoch in seiner knapp einstündigen Urteilsbegründung, dass in dem Prozess um eine eigentlich kleine Strafsache viel Staub aufgewirbelt worden sei, der letztlich den Blick auf die Fakten verschleiert habe - und nur diese würden zählen. Rühls Version sei "in vielen Punkten fragwürdig", sagte Rensch. Der Angeklagte habe nur sehr pauschal und mit nur wenigen Einzelheiten von einer Beleidigung und einer Körperverletzung berichtet. Fragwürdig sei auch, warum diese erst drei Wochen später zur Anzeige gebracht worden sei. "Warum sind Sie nicht noch am Tattag zum Arzt und warum haben Sie auch kein Foto von der Verletzung gemacht?", fragte der Richter.
In einer detaillierten Beweisaufnahme sei "alles drei Mal umgedreht" worden, sagte Richter Rensch. Es sei aber nicht viel gefunden worden, was für Rühls Version spreche. "Hier fehlt alles für eine runde und nachvollziehbare Geschichte", so Rensch. "Erhebliche Zweifel" bestünden auch daran, ob Rühls Verletzung überhaupt wie geschildert entstehen konnte und auch nach drei Wochen fast unverändert noch zu sehen war.
Die Aussagen des Architekten und seines Bauhelfers beurteilte Rensch hingegen als glaubwürdig. Man könne von Zeugen nicht erwarten, dass sie nach einem Jahr alles noch im Detail wiedergeben können. "Ich sehe aber keine Widersprüche, die an der Glaubwürdigkeit zweifeln lassen", sagte Rensch. Die Aussagen seien zudem von einer "unbefangenen" Zeugin bestätigt worden, die von ihrem Balkon aus einen "Logenplatz" hatte, alles verfolgen konnte und zuvor weder Rühl noch den Bauherrn gekannt habe.
Rühls Verteidiger Erich Häffner wollte mit einem sogenannten Hilfsbeweisantrag prüfen lassen, ob die Zeugin wirklich alles hören und sehen konnte. "Ich habe keinen Anlass, der Zeugin zu misstrauen", sagte jedoch Richter Rensch. Und: "Wir müssen davon ausgehen, dass die Beleidigung und die Körperverletzung nicht stattgefunden haben - bei dieser Beweislage ist ein Freispruch nicht denkbar."
Anders als von der Staatsanwaltschaft gefordert, beließ es der Richter bei den 35 Tagessätzen des Strafbefehls. Allerdings wurde die Höhe des Tagessatzes von 150 auf 170 Euro angehoben, weil Rühls Einkommen höher ist als ursprünglich angenommen. "Die falsche Verdächtigung ist so dilettantisch gemacht, dass keine besonders hohe Strafe festgesetzt werden kann", resümierte Rensch. Der Richter riet Rühl, "den Sachverhalt mit etwas Fähigkeit zur Selbstkritik Revue passieren zu lassen".
Rühl hat bereits angekündigt, Rechtsmittel gegen das Urteil einzulegen. Bei einer Berufung würde eine nochmalige Beweisaufnahme stattfinden.
Übrigens: Am kommenden Sonntag wählt Nußloch einen neuen Bürgermeister. Karl Rühl, der in seiner 16-jährigen Amtszeit die maroden Kommunalfinanzen nachhaltig saniert hatte, tritt nicht mehr an.