Der Betreiber des Gasthofs "Zur Linde" fürchtet, dass ruhebedürftige neue Nachbarn sich am Biergartengeplauder stören - und dadurch die Außengastronomie stillgelegt wird. Foto: Alex
Von Alexander Werschak
Nußloch. Hans Wolf ist in Sorge. Er ist in Sorge, dass neben der "Linde", die Wolf betreibt, ein größeres Wohngebäude in den Himmel wächst, das sein Traditionsgasthaus womöglich in den Ruin treibt. Ein Anwalt wurde bereits eingeschaltet, der in einem 14-seitigen Schreiben das Bauvorhaben als "fremdartigen, massiven Koloss" brandmarkt.
Die zugehörige Bauvoranfrage hatte jetzt der Technische Ausschuss von Nußloch auf dem Tisch - und lehnte ab. Aber das muss ja bekanntlich nichts heißen. Schließlich steht dem Bauträger - nach RNZ-Informationen die "Conceptbau CCB.estate" aus dem benachbarten Sandhausen - der Weg ins Landratsamt offen.
Das Nußlocher Rathaus scheint indes davon auszugehen, dass die Ausschussmitglieder nach den Buchstaben des Baugesetzbuchs dem Gesuch hätten ihren Segen geben müssen. Jedenfalls liest sich die Sitzungsunterlage entsprechend. Dieser zufolge möchte der Sandhäuser Bauherr die zwei ähnlich großen Grundstücke zusammenführen, die sich direkt im Nordwesten der Kreuzung mit der Blumenstraße entlang der Sofienstraße erstrecken, und darauf ein Acht-Parteien-Haus errichten.
Geplant ist ein architektonisch unaufgeregt im Stil der Zeit gestaltetes Domizil für Familien mit komplett ausgebautem Dachgeschoss. Auf drei Stockwerken und insgesamt fast 860 Quadratmetern sollen Drei- und Vierzimmerwohnungen mit großen Haupträumen entstehen, die zwischen knapp 80 und 140 Quadratmetern umfassen.
Als Nutzfläche sind an die 370 Quadratmeter ausgewiesen, die größtenteils in einer Tiefgarage gründen. Den umbauten Raum gibt der Vermesser mit 3200 Kubikmetern an. Platz finden soll das Ensemble auf einem 728 Quadratmeter großen Grundstück, das aus der Zusammenlegung der beiden bisherigen Parzellen resultiert.
Weil für diesen alten Teil des Nußlocher Gemeindegebiets kein moderner Bebauungsplan die Dinge aufs Genauste regelt, ist die Sache knifflig. In diesem Falle gilt nämlich der Paragraf 34 des Baugesetzbuchs. Und der sagt: "Innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist.
Die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse müssen gewahrt bleiben; das Ortsbild darf nicht beeinträchtigt werden." Nicht gerade Formulierungen, die wenig Spielraum lassen.
Die Kommune hatte den Bauwunsch auf dieses "Einfügungsgebot" hin abgeklopft und für tragbar befunden, zeigt die Sitzungsvorlage für den Technischen Ausschuss. Mit Trauf- und Firsthöhen von 149,78 und 151,59 Metern sei das neue Gebäude nicht unverhältnismäßig viel größer als die Häuser in der Umgebung, inklusive der besagten "Linde". Auch das neue Anwesen in der Blumenstraße 19 habe ähnliche Abmessungen - genau dieses ist dem Vernehmen nach einigen Anwohnern im Quartier indes ein mächtiger Dorn im Auge.
Bauweise und Grundstücksauslastung passen aus Sicht des Nußlocher Rathauses ebenso in dieses bunt gemischte Viertel. Städtebaulich sei das Projekt gleichsam vertretbar, eine erdrückende Wirkung und damit schwerwiegende Auswirkungen auf die Nachbarschaft seien nicht zu erwarten. Nicht vergessen darf man dabei, dass die Kommunen prinzipiell gehalten sind, Wohnraum innerorts zu schaffen, nachzuverdichten. Nachjustieren muss der Bauherr womöglich bei der Zahl der Stellplätze: Vorgesehen sind bislang nur zwölf statt der in diesem Falle erforderlichen 16.
Gerade die Befürchtung, dass der schon heute knappe Parkraum noch knapper werden könnte, treibt Hans Wolf vom Gasthaus "Linde" um. Und, dass die - für ihn wirtschaftlich überlebenswichtige - Außengastronomie buchstäblich stillgelegt werden könnte, wenn sich allzu ruhebedürftige neue Nachbarn am Biergartengeplauder stören.
Sein Anwalt kommt erwartungsgemäß ebenfalls zu vollkommen anderen Einschätzungen als das kommunale Bauamt: Die Grundflächenzahl sei zu hoch genauso wie die Gebäudegröße; das kleine Walmdach könne den Eindruck eines Flachdachhauses nicht kaschieren, das sich zudem über eine Länge von 24 Metern ausbreite und schlichtweg überdimensioniert sei. Weil sich das Vorhaben in das Quartier mit seinen Ein- und Zweifamilienhäusern, meist mit Satteldächern, nicht einfüge, sei es nicht genehmigungsfähig und überdies bauordnungsrechtlich zu beanstanden.
Warum überhaupt auf dem Grund und Boden ein so wuchtiges Wohnhaus ins Auge gefasst wurde, dafür hat Hans Wolf eine Erklärung: Seines Wissens nach zahle der Bauträger jeweils über 300.000 Euro für das Land, dazu Makler- und Abrisskosten. "Da kann einfach keiner mithalten."