Von Christoph Moll
Schönau/Hockenheim. Marcus Zeitler packt ein. Diese Woche nutzte der Noch-Bürgermeister von Schönau, um sein Dienstzimmer zu räumen. Seine Amtszeit endet am morgigen Samstag nach zwölf Jahren. Am Montag hat der 44-jährige CDU-Kommunalpolitiker aus Leimen seinen ersten Arbeitstag als Oberbürgermeister der Großen Kreisstadt Hockenheim. Im RNZ-Interview blickt er zurück auf seine Amtszeit und erzählt unter anderem, warum der Bundestag nichts für ihn wäre.
Herr Zeitler, Sie haben bereits Ihre Wohnung im Schönauer Stadtteil Altneudorf ausgeräumt. Was ging Ihnen dabei durch den Kopf?
Beim Aufräumen ist mir ein Ordner mit den Glückwunschschreiben zu meiner Wahl im Jahr 2007 in die Hände gefallen. Darunter war auch Post von Personen, die heute schon gar nicht mehr leben - wie zum Beispiel dem früheren Leimener Oberbürgermeister Herbert Ehrbar. Ich saß eine halbe Stunde da und habe alles durchgelesen. Da gingen mir die ganzen zwölf Jahre durch den Kopf. Meine erste Tochter war bei meinem Wahlsieg gerade geboren und heißt deshalb auch Victoria. Ich habe diesen Job zwölf Jahre mit Herzblut gelebt und geliebt. Da wurde ich schon wehmütig.
Welches Gefühl überwiegt: die Freude auf Hockenheim oder die Wehmut, dass die Zeit in Schönau endet?
Ich gehe natürlich mit einem weinenden Auge, wie man auch bei meiner letzten Sitzung des Gemeinderates gesehen hat. Es sind viele Freundschaften entstanden. Schönau war mein Zuhause. Ich habe die Stadt mitgeprägt und mitgestaltet. Darauf bin ich auch stolz. Gleichzeitig ist die Freude auf die kommenden Herausforderungen groß. Das Kapitel Schönau wird aber nie beendet sein. Ich werde die Stadt in guter Erinnerung behalten.
Eine Verabschiedung aus Schönau wird es nicht geben.
Nein. Es war mein ausdrücklicher Wunsch, dass ich nur im Gemeinderat verabschiedet werde. Danach standen wir noch drei Stunden zusammen. Von den Mitarbeitern der Stadt werde ich mich noch mit einem Mittagessen verabschieden. Wenn ich nach 24 Jahren in den Ruhestand gegangen wäre, dann hätte ich mir eine Verabschiedung gefallen lassen. So aber brauche ich das nicht.
Ihr Wahlsieg gegen den seit Jahrzehnten amtierenden SPD-Mann Philipp Krämer galt im Jahr 2007 als Riesensensation. Wie schwer hatten Sie es denn im "roten Nest" Schönau?
Als katholischer CDU-Mann von auswärts bin ich offen, ehrlich und freundlich empfangen worden. Mit der SPD gab es anfangs ein Abtasten, die Zusammenarbeit war aber immer gut. Mir wurden keine Steine in den Weg gelegt. Klar gab es unterschiedliche Vorstellungen, aber wir haben immer den Kosens gesucht und gefunden. Mit der Zeit hat sich eine gesunde Vertrauensbasis entwickelt.
Wenn Sie die zwölf Jahre in ein Wort packen müssten: Welches wäre das?
Lehrreich. Ich habe in den zwölf Jahren viel gelernt - von den qualifizierten Mitarbeitern der Verwaltung, von den Stadträten und von Bürgern. Ich habe zuvor zwar schon neun Jahre in der Verwaltung gearbeitet. Aber es ist schon ein Unterschied, ob man vor oder hinter dem Tresen steht.
Was war der schönste Moment in den vergangenen zwölf Jahren?
Nach der Geburt meiner Töchter war dies die Wiederwahl im Jahr 2015. Sie war der Lohn für meine Arbeit und hat mir gezeigt: Wenn man nach acht Jahren mit 86 Prozent wiedergewählt wird, hat man nicht alles falsch gemacht.
Und was war der schlimmste Moment?
Einen einzigen Moment gibt es nicht. Ich bin häufiger am Umgang mit Behörden verzweifelt. Wir müssen anfangen, Bürokratie abzubauen. Sonst verwalten wir uns irgendwann nur noch selbst.
Wissen Sie schon, was Ihnen fehlen wird?
Der Umgang mit vielen Freunden wird mir fehlen. Und natürlich das weiche Schönauer Wasser.
Was würden Sie als Ihren größten Erfolg als Bürgermeister bezeichnen?
Dass Schönau eine digitale Zukunftskommune ist, schreibe ich mir auf die Fahne. Bei der Bewerbung um die Förderung haben wir Große Kreisstädte ausgestochen. Das hat uns keiner zugetraut. Da bin ich richtig stolz drauf. Inzwischen haben wir fast überall Internetanschlüsse mit Geschwindigkeiten zwischen 50 und 100 Megabit pro Sekunde. Das ist ein echter Standortvorteil. Früher waren Busverbindungen und Einkaufsmöglichkeiten wichtig, heute sind es Internetanschlüsse und Betreuungsplätze für Kinder. Auch der jahrzehntelang geforderte Ausbau der Landesstraße nach Wilhelmsfeld war ein Höhepunkt. Daran hatten sich viele die Zähne ausgebissen.
Und wo sind Sie gescheitert?
Wir hatten uns mal für eine Alla-hopp-Anlage beworben. Inzwischen sind wir aber angesichts der vielen Probleme mit den Anlagen froh, dass wir nicht den Zuschlag bekommen haben.
Was würden Sie im Rückblick anders machen?
Nichts. Wirklich nichts.
Wie hat sich Schönau unter Ihnen entwickelt?
Ich glaube, dass Schönau lebendiger geworden ist. Die Bürger sind stärker eingebunden und die Finanzen sind besser geworden. Als ich angefangen habe, hatten wir vier Millionen Schulden und eine Rücklage von nur 400.000 Euro. Jetzt sind es dank einer nachhaltigen und vorausschauenden Finanzplanung jeweils 2,3 Millionen Euro. Mein Credo: Man kann nur ausgeben, was man einnimmt.
Wie hoch ist der Preis für das Amt des Bürgermeisters - auch gesundheitlich?
Das Amt des Bürgermeisters ist natürlich kein 40-Stunden-Job, bei dem man immer um 16.45 Uhr zu Hause ist. Das geht an die Substanz. Aber ich wusste ja vorher, auf was ich mich einlasse und darf mich deshalb nicht beschweren. Ein Bürgermeister ist seltener daheim und nie privat. Ein Einschnitt für mich war meine Scheidung. Aber was danach mit meiner neuen Partnerin kam, war wie ein Sechser im Lotto.
Jetzt also Hockenheim. Was entgegnen Sie all denen, die sagen: "Ich habe Marcus Zeitler aber für acht Jahre als Schönauer Bürgermeister gewählt"?
Meine Kandidatur in Hockenheim war keine Entscheidung gegen Schönau, sondern eine Entscheidung für Hockenheim. Es ist eine berufliche und persönliche Herausforderung. In der freien Wirtschaft ist es normal, sich irgendwann auf einen neuen Job zu bewerben und den Arbeitgeber zu wechseln. Zehn Prozent der Schönauer sind vielleicht froh, dass ich weg bin. Aber viele haben mir gesagt, dass sie meine Entscheidung nachvollziehen können und sie es mir gönnen.
Wann reifte der Plan, einmal für ein "höheres" Amt zu kandidieren?
Es gab in der Vergangenheit schon Anfragen, bei denen ich aber keine persönliche Herausforderung gesehen habe oder die Kommune nicht zu mir gepasst hätte. In Hockenheim war das anders, als ich im vergangenen Dezember von der dortigen CDU gefragt wurde.
Manche rechneten mit Ihnen als Nachfolger von Stephan Harbarth als regionaler Bundestagskandidat der CDU.
Ich bin Kommunalpolitiker mit Herz und Seele. Ich liebe den direkten Kontakt zu Bürgern und Gespräche auf Bierbänken. Freitags etwas zu beschließen und montags umzusetzen - das geht in der Bundes- oder Landespolitik nicht. Da wäre ich nicht gut aufgehoben.
Hockenheim ist ein anderes Kaliber als Schönau. Was werden Sie als Oberbürgermeister anders machen müssen?
Das kann ich erst sagen, wenn ich das Amt angetreten habe. Ich gehe es mit der gleichen Euphorie und demselben Einsatz an wie in Schönau. Vielleicht muss ich Prioritäten anders setzen, mehr delegieren und mehr Vertrauen in die Verwaltung setzen. Meine Tür im Rathaus stand bisher immer offen. Mein Ziel ist es, weiter so präsent wie möglich zu sein. Meine Welt ist auf der Straße.
Wo leben Sie aktuell und wann ziehen Sie nach Hockenheim?
Ich bin zu meiner Partnerin nach Schriesheim gezogen. Wir schauen in den nächsten Wochen und Monaten nach einem Häuschen oder einer Wohnung in Hockenheim. Es wäre schön, wenn es noch dieses Jahr klappt.
Eine Übergabe an Ihren Nachfolger in Schönau wird es nicht geben.
Der frühere Landrat Jürgen Schütz hat einmal gesagt: Wer in den Fußstapfen der Vorgänger läuft, läuft irgendwann rückwärts. Ich bereite meinen Abschied aus Schönau ordentlich und sauber vor. Mit der Verwaltung und allen drei Bürgermeisterstellvertretern haben wir alle laufenden Projekte bis Jahresende durchgesprochen. Mein Nachfolger wird am 1. Januar 2020 eine voll funktionierende Verwaltung übernehmen und kann sofort anfangen. Es ist alles geregelt.
Was muss denn Ihr Nachfolger mitbringen?
Lust, Liebe und Leidenschaft für den Job. Wer es nur wegen des Geldes macht, ist fehl am Platz. Mein einziger Wunsch ist, dass die nachhaltige Finanzplanung fortgesetzt wird und Schönau in sicherem Fahrwasser bleibt.
Wie werden Sie die Entwicklung in Schönau verfolgen? Wird man Sie noch im Klosterstädtchen sehen?
Ich habe hier viele Freunde gefunden, die mich auf dem Laufenden halten. Zu deren Geburtstagen oder zu Festen werde ich in Schönau sein - aber nur wenn in Hockenheim gerade nichts ansteht.