Pfarrer Arul Lourdu blickt in den Computer mit Kamera, der die Gottesdienste überträgt. F.: sg
Von Sabine Geschwill
Leimen. Die derzeitige Coronakrise erfordert Kreativität – auch in den Kirchengemeinden. Denn wenn, wie gerade jetzt, auf unbestimmte Zeit Gottesdienste in Kirchen nicht mehr erlaubt und die Gotteshäuser nur noch tagsüber zum privaten Gebet geöffnet sind, braucht es Alternativen, um zu den Menschen zu gelangen. Es geht auch darum, ihnen die Angst zu nehmen und Mut zuzusprechen – notfalls eben per Internet-Übertragung. Pfarrer Arul Lourdu suchte nach neuen Möglichkeiten für das Glaubensleben und setzt auf die modernen Medien. "Man kann auch virtuell zusammenkommen. Beten und segnen geht auch online", meint Lourdu im Gespräch mit der RNZ. Der Leiter der katholischen Seelsorgeeinheit Leimen-Nußloch-Sandhausen bietet seit dieser Woche jeden Abend und im täglichen Wechsel mit seinem Pfarrkollegen Michael Hipp die Echtzeit-Videoübertragung einer Eucharistiefeier an.
"Wir müssen leider in dieser Zeit auf Zusammenkünfte in der Kirche verzichten, nicht aber auf unsere Gottesdienste", erklärt der einfallsreiche Geistliche. Nun wird von montags bis samstags jeden Abend um 18.30 Uhr und sonntags um 10.30 Uhr über die Seite der Seelsorgeeinheit im sozialen Netzwerk Facebook die Eucharistiefeier live übertragen. Jeweils zur virtuellen Zusammenkunft läuten in allen drei Gemeinden die echten Kirchenglocken, um die Gläubigen zur Online-Eucharistiefeier einzuladen: um 18.15 Uhr und sonntags um 10.15 Uhr. Das Angebot wird sehr gut angenommen.
Jeweils über 3000 Aufrufe hatten die ersten Internet-Gottesdienste. "Das ist Wahnsinn, wie dieses Angebot angenommen wird. Mit so viel Zuspruch habe ich gar nicht gerechnet", gesteht Lourdu. Ein Stück Normalität in der Krise will der Leiter der Seelsorgeeinheit mit dem neuen Gottesdienstangebot schaffen. "Gerade wenn die Politik aus medizinischen Gründen drastische Maßnahmen ergreifen muss, die nun mehr und mehr zur Vereinsamung der Menschen führen, muss die Religion eine andere Rolle einnehmen."
Sie müsse dem Zurückziehen entgegensteuern, zu den Menschen die Bindung halten und mit neuen Angeboten intensiver gestalten. "Ich bitte alle, in dieser nicht leichten Zeit zusammenzuhalten und mit Geduld und Zuversicht die Dauer der Ungewissheit zu überstehen", appelliert Lourdu. Er befürchtet, dass die Maßnahme des Abstandshaltens neue "Krankheiten" wie Beziehungslosigkeit und soziale Vereinsamung zur Folge haben könnte. "Menschen brauchen soziale Kontakte, sonst bekommen sie Ängste und Phobien", meint Lourdu und geht sogar noch einen Schritt weiter: "Wenn der Mensch allein ist, können biblisch gesagt ‚die Teufel‘ hochkommen." Diese Versuchungen könnten zu körperlichen und seelischen Schäden führen. Gerade in Situationen, in denen sich Menschen einsam und hilflos fühlen, könne Gott sehr viel bewirken.
"Es gibt jetzt eine große Sehnsucht nach Gott", weiß Lourdu. Um dieser Sehnsucht gerecht zu werden, den Menschen trotz gebotener Distanz Nähe zu schenken und ihnen Mut zuzusprechen, setzt der Leiter der Seelsorgeeinheit mit Hilfe der digitalen Medien bis auf Weiteres auf Online-Gottesdienste. "So können wir wenigstens gemeinsam mit Gott verbunden bleiben."
Die täglichen Eucharistiefeiern werden aus einem Büroraum im katholischen Pfarramt in Leimen übertragen. Dieser wurde kurzerhand umgenutzt und mit Videokamera, Altar und allem Notwendigen für einen Gottesdienst ausgestattet. Die täglich live aus dem Pfarramt gesendeten, rund 40-minütigen Eucharistiefeiern laufen genauso ab wie die Gottesdienste in der Kirche: Nach dem Glockengeläut wird ein Orgelvorspiel eingespielt, es gibt gemeinsame Gebete und Fürbitten, Lieder, gute Gedanken, die Feier des Abendmahls, den täglichen Segen und Predigten, die immer wieder neu die Botschaft Gottes "Ich bin bei Euch" und "Bewahren wir Gottvertrauen!" enthalten.
Damit möchten Lourdu und sein Team auch in schwierigen Zeiten Kontakt zu allen Brüdern und Schwestern halten. Einziger Unterschied der Online-Gottesdienste zu den Zusammenkünften in der Kirche: Die Pfarrer blicken nicht in die Gesichter der Gläubigen, sondern in die Kamera. Als Medienpfarrer ist das für Lourdu nichts Neues: "Wir müssen auch die neuen Medien nutzen, um zu den Menschen zu gelangen." Er setzt schon länger auf Facebook, Internet und E-Mail, um Botschaften und Gebete zu verschicken.
Darüber hinaus sammelt das Seelsorgeteam weitere Möglichkeiten, um den Glauben auch in dieser Zeit zu leben. So werden in der gesamten Seelsorgeeinheit die Kirchenglocken weiterhin zu den üblichen Gottesdienstzeiten läuten, um die Menschen zum persönlichen Gebet einzuladen. Zudem wird ein Terminplan erstellt und an die Haushalte verteilt: Darin werden katholische Gottesdienste im Fernsehprogramm aufgelistet.