Neckarsteinach will lieber badisch sein

Die Vierburgenstadt will sich aus Hessen verabschieden - Das Rathaus prüft die Möglichkeiten eines Länderwechsels

22.11.2014 UPDATE: 22.11.2014 05:00 Uhr 2 Minuten, 8 Sekunden

Die Neckarsteinacher würden lieber zu Baden-Württemberg gehören als zu Hessen. Foto: zg

Von Christoph Moll

Neckarsteinach. Es war eine Aussage, die aufhorchen ließ: "Das ist eine Schweinerei, wir sollten uns überlegen, ob wir uns nicht Baden-Württemberg anschließen können, dort geht man besser mit den Kommunen um", wetterte Bürgermeister Herold Pfeifer in der jüngsten Stadtverordnetenversammlung. Hintergrund der Aussage war die finanzielle Lage der Stadt, die sich weiter zuspitzt. Aber hat der Rathauschef das nur im Eifer des Gefechts gesagt oder hat er es ernst gemeint? Werden die vier Burgen als Wahrzeichen der Stadt bald badisch?

"Das war kein Spaß, ich habe es ernst gemeint", bekräftigt Herold Pfeifer im Gespräch mit der RNZ. Tatsächlich liebäugelt die 3800-Einwohner-Stadt am Neckar mit einem Wechsel des Bundeslandes - also damit, Hessen den Rücken zu kehren und sich dem Nachbarbundesland Baden-Württemberg anzuschließen. Hauptgrund für diese Überlegungen ist die schlechte finanzielle Ausstattung der Kommunen in Hessen. Seit der Umstellung des Haushalts auf die Doppik vor fünf Jahren kämpft die Vierburgenstadt laut dem Leiter der Finanzabteilung im Rathaus, Andreas Ockert, mit einem jährlichen Defizit von rund 700.000 Euro. Die Stadt hat sechs Millionen Euro Schulden. Vor der Umstellung waren die Haushalte ausgeglichen.

Bis zum Jahr 2017 muss Neckarsteinach eine Million Euro einsparen. Die Nachbarstadt Hirschhorn musste sogar schon unter den kommunalen Schutzschirm des Landes schlüpfen. "Die Haushaltsstruktur ist in Hessen gemeindefeindlich", meint Pfeifer. "Und das merken die Einwohner jetzt auch, weil wir die Grundsteuer erhöhen müssen." In Baden-Württemberg gehe es den Gemeinden besser. Zudem gehöre man bei der Neuordnung des kommunalen Finanzausgleichs zu den Verlierern. "Der Süden von Hessen wird vergessen, wir fühlen uns ungerecht behandelt", so Pfeifer.

Aber es ist nicht nur das Finanzielle: Viele Neckarsteinacher würden sich nicht als Hessen fühlen, sondern als Baden-Württemberger, sagt Bürgermeister Pfeifer. Dies liege vor allem an der geografischen Lage. Neckarsteinach ist der südlichste Zipfel von Hessen. Hirschhorn ist noch hessisch, die anderen angrenzenden Kommunen Neckargemünd, Heidelberg und Schönau liegen alle in Baden-Württemberg. Und hierhin zieht es auch die meisten Neckarsteinacher zum Arbeiten und in ihrer Freizeit. "Wir liegen als Exklave mitten in Baden-Württemberg", sagt Herold Pfeifer.

Dass Neckarsteinach in Hessen liegt, wissen offenbar auch nicht alle Behörden, die der Stadt übergeordnet sind. So hören Rathausmitarbeiter immer mal wieder vom Regierungspräsidium oder dem Ministerium die Frage: "Gehören Sie noch zu Hessen?" Und auch Neubürgern sei manchmal nicht bewusst, dass sie das Bundesland gewechselt haben. Sie stellen Anträge, wie es sie nur in Baden-Württemberg gibt, erklärt Pfeifer.

"Ich komme aus Hammelbach im hessischen Odenwald und bin gerne und überzeugter Hesse", sagt Herold Pfeifer. In seiner Anfangszeit im Neckarsteinacher Rathaus habe er nicht verstanden, dass sich viele Einwohner als Baden-Württemberger fühlen. "Mittlerweile kann ich das aber nachvollziehen."

Wie geht es nun weiter? "Wir prüfen nun, wie der Wechsel eines Bundeslandes möglich ist", erklärt Pfeifer. Die Parteien würden dieses Vorhaben wohl mittragen. "Wahrscheinlich wäre ein Volksentscheid in ganz Hessen darüber notwendig, ob Neckarsteinach das Bundesland verlassen darf. Es muss auch geklärt werden, ob Baden-Württemberg uns will", sagt Pfeifer. "Es wird schwierig, aber wir haben ja nichts zu verlieren."

Übrigens: Lange stand an der B 37 zwischen Neckarsteinach und Kleingemünd an der Ländergrenze ein Schild mit den Aufschriften "Auf Wiedersehen in Hessen" beziehungsweise "Willkommen in Hessen". Dieses ist seit einiger Zeit verschwunden. Einige Meter weiter steht nun nur noch das Willkommens-Schild "Baden-Württemberg". Ein erstes Zeichen der Annäherung?

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