Zum Haareraufen

Friseur- und Kosmetikbetriebe bangen um ihre Existenz (Update)

Fachverband kritisiert Bürokratieaufwand der Überbrückungshilfe

14.01.2021 UPDATE: 18.01.2021 09:58 Uhr 2 Minuten, 40 Sekunden
So wie Inna Jakobi, Inhaberin des „Inna-Jakobi-Hair-Beauty-Studios“ in Walldürn, geht es derzeit allen Friseuren hierzulande. Seit dem 16. Dezember sind die Friseursalons bundesweit geschlossen. Sie hofft, dass sie im Februar wieder öffnen darf. Foto: Jana Schnetz

Von C. Oesterreich und D. Rechner

Walldürn/Mosbach. Die Haare werden immer länger und länger. Frühestens ab Februar sind Friseurbesuche wieder erlaubt. Mehr als 50 Betriebe in Mosbach und Umgebung sind von dem zweiten Lockdown betroffen – im gesamten Bundesland sind es deren 11.800. Laut dem Fachverband Friseur und Kosmetik Baden-Württemberg stehen die meisten inhabergeführten Unternehmen vor einem "finanziellen Desaster", wie es in einer Pressemitteilung heißt.

"Uns fehlt eine Soforthilfe, die unbürokratisch und verlässlich ist. Die Situation ist dieselbe wie im Frühjahr 2020", kritisiert der Landesvorsitzende des Fachverbandes, Herbert Gassert aus Mosbach. "Wenn Betriebe Angst haben, die Hilfe nach sechs Monaten wieder zurückbezahlen zu müssen, dann bringt das herzlich wenig. Die Hilfe muss verlässlich und pragmatisch sein", sieht er den Staat in der Pflicht.

Die Überbrückungshilfe III der Bundesregierung sei hingegen ein Tropfen auf den heißen Stein. Für die Friseurbetriebe müsse schnellstmöglich eine Anpassung auf die Gegebenheiten kleiner Betriebe vorgenommen werden. Davon abgesehen seien zeitnahe und unbürokratische Abschlagszahlungen für den Liquiditätserhalt zwingend notwendig, macht Gassert deutlich.

Jedoch könne die Überbrückungshilfe III für den Januar im Moment noch nicht einmal beantragt werden. "Und dann deckt sie auch nur 90 Prozent der Fixkosten – vom Telefonanschluss über Versicherungen bis hin zur Miete – ab", ergänzt Boris Gassert, Mitglied des Landesvorstandes im Fachverband Friseur und Kosmetik, im Gespräch mit der RNZ. Die Angestellten seien ganz in Kurzarbeit. Um ihren Lebensunterhalt zu finanzieren, müssten viele Inhaber nun auf ihre Ersparnisse zurückgreifen.

Auch interessant
"Handel steht zusammen": Mosbacher Einzelhändler unterstützt Aufruf für Hilfen
Gelder fließen: Bundesregierung kommt bei Corona-Hilfen einen Schritt voran
Neckarelz: Friseurin schloss nach Covid-19-Tod der Mutter ihren Salon

So auch Inna Jakobi, Inhaberin des "Inna-Jakobi-Hair-Beauty-Studios" in Walldürn. Für die Zwangsschließung ab Mitte Dezember hat sie Überbrückungshilfe II beantragt, wann sie die Hilfe bekommt, weiß sie allerdings noch nicht.

"Ich bin natürlich aufgebracht und weiß nicht wie es weitergehen soll, weil man einfach nicht weiß, wie lange der Lockdown noch geht", sagt die sympathische Friseurin, die ihren Salon erst im November 2018 eröffnet hat. Die junge Mutter hat nicht nur Angst um ihre Mitarbeiterinnen, die sie bei einem langen Lockdown vielleicht nicht alle halten kann, sondern auch um den eigenen Lebensunterhalt. Schließlich muss sie nicht nur für sich selbst, sondern auch für ihr vierjähriges Kind sorgen.

Bis zum Lockdown im Dezember sei das Geschäft nach der Wiedereröffnung durchwachsen gelaufen. Zwar sei ihr Laden im ersten Monat nach dem Lockdown im Frühjahr 2020 erstmal voll gewesen und das Geschäft habe regelrecht geboomt. Doch im Vergleich zum Vorjahr habe der Umsatz allgemein abgenommen: "Ende November, Anfang Dezember war mein Salon nicht voll, das war im letzten Jahr besser." Die Menschen hätten Angst, sich mit Corona anzustecken: "Deswegen wurden auch einige Termine abgesagt", sagt Jakobi. Nur als die Nachricht über den erneuten Lockdown durchgesickert war, rannten ihr die Leute förmlich die Bude ein. In den letzten Tagen bis zur Schließung am 16. Dezember sei es verrückt gewesen. Man habe versucht, alle Termine unterzubringen, aber es sei trotz längerer Arbeitszeiten nicht möglich gewesen, so Jakobi.

Und wie geht es weiter? "Ich bin ein optimistischer Mensch. Wenn wir im Februar wieder aufmachen dürfen, dann kann ich das gut stemmen. Das wäre nicht so heftig wie beim ersten Lockdown. Wir könnten mehr arbeiten und Überstunden machen", sagt Jakobi. Sie sagt aber auch: "Wenn der Lockdown doch länger geht, weiß ich nicht, wie es weitergehen soll."

Eine Überlegung, trotz Schließung der Friseurgeschäfte Geld zu verdienen, spricht Boris Gassert an: "Mich und meine Mitarbeiter erreichen immer wieder Anfragen, ob wir nicht einfach zu den Kunden nach Hause kommen könnten, um ihnen die Haare zu schneiden", berichtet er. Gegen die Corona-Verordnung wollen er und sein Team aber auf keinen Fall verstoßen. Andere würden es allein aus der finanziellen Not heraus aber riskieren. Auch für ihn ist die Schließung der Friseurbetriebe nicht gerechtfertigt: "Es ist keine einzige Person bekannt, die sich im Landkreis beim Haareschneiden angesteckt hat."

Weiterer Kritikpunkt der Friseure ist die planerische Unsicherheit. Frühestens am 25. Januar werden sie erfahren, wie es ab Februar weitergehen wird. Alle Termine machen Boris Gassert und Selver Satilmis deshalb aktuell nur unter Vorbehalt aus. Der Fachverband Friseur und Kosmetik Baden-Württemberg fordert nun die Politik dazu auf, "keine weitere Verlängerung des Lockdowns zu beschließen. Unsere Betriebe verkraften keine weiteren Schließungen", teilt der Landesvorsitzende mit.

Update: Montag, 18. Januar 2021, 09.57 Uhr

(Der Kommentar wurde vom Verfasser bearbeitet.)
(zur Freigabe)
Möchten sie diesen Kommentar wirklich löschen?
Möchten Sie diesen Kommentar wirklich melden?
Sie haben diesen Kommentar bereits gemeldet. Er wird von uns geprüft und gegebenenfalls gelöscht.
Kommentare
Das Kommentarfeld darf nicht leer sein!
Beim Speichern des Kommentares ist ein Fehler aufgetreten, bitte versuchen sie es später erneut.
Beim Speichern ihres Nickname ist ein Fehler aufgetreten. Versuchen Sie bitte sich aus- und wieder einzuloggen.
Um zu kommentieren benötigen Sie einen Nicknamen
Bitte beachten Sie unsere Netiquette
Zum Kommentieren dieses Artikels müssen Sie als RNZ+-Abonnent angemeldet sein.