Das Interesse an den Impfungen gegen das Coronavirus ist im DRK-Pflegeheim „Luise von Baden“ in Schefflenz sehr groß: 96 Prozent der Bewohner und die meisten Pflegekräfte ließen sich beim Besuch des mobilen Impfteams aus Heidelberg impfen. Foto: Stephanie Kern
Von Stephanie Kern
Neckar-Odenwald-Kreis. Die Kreisimpfzentren in Baden-Württemberg starten später, erst am 22. statt wie geplant am 15. Januar. Obwohl im Mosbacher Kreisimpfzentrum alles vorbereitet ist, herrscht hier (vorerst) Stillstand. Voran geht es aber bei den Impfungen der Menschen, die in Pflegeheimen leben. Seit dem 28. Dezember ist ein mobiles Team des zentralen Impfzentrums aus Heidelberg im Kreis unterwegs. Die Bewohner und Mitarbeiter aus neun Pflegeheimen konnten (wenn sie das wollten) bereits einmal geimpft werden. Heute wird in der zehnten Einrichtung im Kreis gegen das Coronavirus geimpft.
Sobald das Kreisimpfzentrum in Mosbach starten kann, stellt dieses ein weiteres mobiles Impfteam, das im Kreis unterwegs sein wird – geplant war eigentlich, dass es zwei sein würden. "Angesichts der Impfstoffknappheit können wir momentan leider nur mit einem eigenen mobilen Team starten. Alles andere ergibt keinen Sinn", sagte Landrat Achim Brötel im Rahmen einer Vorab-Besichtigung des Kreisimpfzentrums.
Dabei wies Brötel auch auf ein Thema hin, das bisher weitgehend unbekannt ist: In der Impfstrategie ist zwar die Rede von Pflegeeinrichtungen, allerdings nicht von Einrichtungen, in denen betreutes Wohnen angeboten wird. "Auch diese gibt es bei uns im Landkreis und in denen leben Menschen mit einem höheren Pflegegrad", so Brötel. Sie gelten aber nicht als stationäres Pflegeheim und werden deshalb von den mobilen Impfteams nicht angefahren. Auch wenn das Kreisimpfzentrum vom Kreis organisatorisch betreut wird, die Umsetzung der Strategie ist Landesaufgabe. Heißt: Der Kreis muss sich an die Regeln aus Stuttgart halten. Das fängt bei der Terminvergabe an (die ausschließlich vom Land koordiniert wird) und betrifft auch den Einsatz der mobilen Impfteams. Und die Regel besagt eben: Betreutes Wohnen gilt nicht als stationäres Pflegeheim. "Wir haben dieses Thema über den Landkreistag auch schon mehrfach an das Land adressiert. Ich hoffe, dass es da zu einer sinnvollen Lösung kommen wird. Für mich steht es nämlich völlig außer Frage, dass wir diese Einrichtungen ebenfalls anfahren müssen. Nur: Momentan sind uns dafür schlicht und ergreifend noch die Hände gebunden", betonte Brötel.
Problematisch findet diese Regelung auch Peter Maurus, Geschäftsführer der Awo im Neckar-Odenwald-Kreis. In Diedesheim gibt es eine große Seniorenwohnanlage der Awo. Wie die Bewohner ohne mobiles Impfteam geimpft werden sollen, das beschäftigt dort aktuell die Verantwortlichen. "Wir hoffen, dass es uns gelingt, mit dem Kreisimpfzentrum in Mosbach einen Termin in Diedesheim zu organisieren", sagt Maurus. Nur: Nicht alle der Bewohner sind über 80, und die sollen in den Kreisimpfzentren nun mal zuerst geimpft werden. Wer jünger ist, erhält gar keinen Termin – außer er zählt zu den anderen priorisierten Gruppen (Pflegepersonal, Krankenschwestern und Ärzte). "Für uns stellt sich aber trotzdem die Frage, wie unsere Bewohner ins Kiz kommen sollen und wie sie Termine erhalten", erklärt Maurus. Denn der öffentliche Nahverkehr, den die fitteren Senioren sonst noch nutzen, sei aktuell keine Option. Zur Frage, ob die Anlagen mit betreutem Wohnen wie Pflegeheime behandelt und von Impfteams angesteuert werden sollten, antwortet Peter Maurus: "Ja! Die Menschen, die bei uns leben, haben ja Beschwernisse, die sie dazu motiviert haben, bei uns einzuziehen." Viele würden von ambulanten Pflegediensten versorgt. "Von daher wäre es schon wünschenswert, wenn diese Einrichtungen auch berücksichtigt würden", so Maurus.
Berücksichtigt und schon einmal durchgeimpft wurden unter anderem die Bewohner und Mitarbeiter im DRK-Pflegeheim in Oberschefflenz. Von 31 Pflegeheimen im gesamten Kreis haben 23 ihre Impfbereitschaft signalisiert. "Für uns kam der Impftermin in Schefflenz auch ein bisschen kurzfristig", erzählt der Geschäftsführer des Mosbacher DRK-Kreisverbands, Steffen Blaschek. Am 1. Januar erfuhren die Mitarbeiter, dass am 4. Januar das Impfteam kommen würde. "Es war eine Herausforderung, alle Einwilligungen einzuholen", berichtet Blaschek. Die Bereitschaft war unter den Bewohnern aber sehr groß: 96 % von ihnen ließen sich impfen, ebenso wie die meisten Mitarbeiter. "Wenn es ein Mitarbeiter oder Bewohner nicht machen möchte, ist das auch okay, wir machen in dieser Hinsicht keinen Druck", betont Blaschek.
Damit die Impfung ihre volle Wirksamkeit entfaltet, muss sie zwei Mal verabreicht werden. "Wenn das mobile Team aus Heidelberg so gut weitermacht, könnte man bis zum 22. Januar schon recht weit sein, was die Erstimpfungen in den Heimen betrifft", zeigte sich Brötel vorsichtig optimistisch. Dass das Thema die Menschen bewegt, verdeutliche die große Zahl an Mails, Briefen und Anrufen, die dazu im Landratsamt eingehen. "Es braucht letztlich nur etwas Geduld. Und: Genau diese Geduld werden wir ohnehin wieder sehr viel mehr lernen müssen, weil eben nicht alle gleichzeitig geimpft werden können", sagte der Landrat. Selbst wenn der Impfstoff (schon) in ausreichender Menge vorhanden wäre und das Kiz ganz nach Plan 750 Impfungen am Tag machen könnte, würde es rein rechnerisch rund ein Jahr dauern, bis alle 143.000 Bewohner geimpft wären.
Genau deshalb baue man mit der Impfstrategie ja aber neben den zentralen und Kreisimpfzentren auf die Hausärzte. Die sollen – womöglich schon ab April – auch gegen das Coronavirus impfen können. "Von einem Hausarzt habe ich gehört, dass in einer Woche 500 Grippeschutzimpfungen verabreicht wurden. Rechnen Sie das doch mal auf alle Hausarztpraxen im Kreis hoch", sagte Brötel. Analog zu den Corona-Schwerpunktpraxen (Testung und Versorgung der an Covid erkrankten) könne er sich auch vorstellen, dass es Schwerpunktpraxen gebe, die die Impfungen übernehmen. Aber ob das im April oder vielleicht doch erst im Sommer so starten kann, wisse man nicht – es hängt am Impfstoff.
"Ohne Verständnis für eine so gewaltige Aufgabe und ohne das nötige Maß an der dafür erforderlichen Geduld werden wir es nicht schaffen können. Deshalb werbe ich an dieser Stelle für beides: für Verständnis und für Geduld", appellierte Brötel anschließend noch.