Der Strafkammervorsitzende Dr. Alexander Ganter prägte knapp vier Jahrzehnte das Mosbacher Justizwesen und erhielt dabei den Ruf des „Richters Gnadenlos“. Nun geht der Vizepräsident des Landgerichts in Pension. Foto: Alexander Rechner
Von Alexander Rechner
Mosbach. Jeden Tag Verbrechen bis ins Detail zu studieren, ist seine Berufung. Vieles ist bedrückend, erschreckend. "Allerdings", sagt der scheidende Vizepräsident des Landgerichts Mosbach, "würde ich mich wieder für diesen Weg entscheiden, weil man als Richter das Volk vertritt". Und gerade deshalb ist es Dr. Alexander Ganter in den vergangenen 36 Jahren immer wichtig gewesen, mit seinen Urteilssprüchen den Nerv des Volkes zu treffen. "Ich verkünde meine Urteile im Namen des Volkes, daher sollen die Bürgerinnen und Bürger auch die Entscheidungen verstehen und diese auch für angemessen halten", sagt der Strafkammervorsitzende, der Ende November seine schwarze Robe für immer abgelegt hat. In den vergangenen knapp vier Jahrzehnten prägte er wie kein Zweiter das Mosbacher Justizwesen. Hochgeschätzt im Kollegenkreis, respektiert und nicht selten gefürchtet von den Angeklagten und geachtet in der Bevölkerung, erwarb er sich im Laufe der Jahrzehnte den Titel "Richter Gnadenlos".
Ein Ruf, mit dem er sich nicht so recht anfreunden kann. Denn er hat sich in all den Jahren stets auf die Suche nach Beweisen aufgemacht. Nicht nur für Schuld, sondern eben auch für Unschuld. Denn gerecht wollte der promovierte Jurist mit seinen Urteilen sein. Wer vor seiner Richterbank in Mosbach antreten musste, der konnte sich darauf verlassen, dass der 1954 in Wertheim geborene Ganter ohne Ansehen der Person und nach sorgfältiger Abwägung der Sachlage sein Urteil fällte – auch wenn es hart war. Wie Justitia mit ihren drei Attributen. Sein Kompass ist sein christliches Menschenbild.
Weit über die Landkreisgrenzen hinaus bekannt sind seine zügigen Hauptverhandlungen. Fast schon legendär gar – und eines seiner Markenzeichen. Generationen an Kollegen, die am Mosbacher Landgericht ausgebildet wurden, schauten ihm über die Schulter und studierten, wie er die Prozesse führte. Da lag es nahe (nachdem er auch darum gebeten wurde), seine Gedanken dazu zu Papier zu bringen, zur spitzen Feder zu greifen und ein Fachbuch zu schreiben. Übrigens für den renommierten Verlag Beck. "Im Grunde ist mein Buch zu zügigen Hauptverhandlungen schon fertiggestellt; zwei Kapitel muss ich noch formulieren", sagt Ganter schmunzelnd. Im nächsten Frühjahr will er das Projekt beendet haben. Getreu seinem Motto: zügig.
Der Jurist, der unter anderem am Verwaltungsgericht in Stuttgart und am Oberlandesgericht in Karlsruhe tätig war, will damit nicht belehren. "Das liegt mir fern", sagt Ganter. Sondern er will mit seinem reichen Erfahrungsschatz aus der Praxis dazu beitragen, dass das Justizwesen auch die künftigen Herausforderungen meistert. "Bei uns hier in Mosbach herrscht eine familiäre Atmosphäre, man hilft sich gegenseitig. Das habe ich immer geschätzt", schildert er. Schließlich bekomme man als Richter von seiner Kundschaft kein Lob und keinen Dank. "Inzwischen habe ich mich daran gewöhnt, am Anfang war das aber nicht leicht", räumt Alexander Ganter ein.
Mit sämtlichen Abgründen des Lebens hatte es der Richter zu tun. Er blickte ebenso in die Augen von Mördern wie von Vergewaltigern. Immer wieder ging es um die Frage, ob der Staat den Angeklagten die Freiheit entzieht, weil sie für die Gesellschaft gefährlich sind. "Neben der Polizei sind wir Richter für die Sicherheit der Bevölkerung zuständig, und dieser Aufgabe müssen wir gewissenhaft nachkommen", betont Alexander Ganter, der sich noch gut daran erinnert, wie 2006 das Landgericht Mosbach zum internationalen Rocker-Treffpunkt mutierte. Damals zeigten annähernd 120 Mitglieder eines Rocker-Clubs vor dem Gerichtsgebäude gemeinschaftlich Präsenz, gegenüber hielt sich ein Großaufgebot der Polizei mit 200 Einsatzkräften für den Fall der Fälle bereit. "Aber alles blieb friedlich, während wir verhandelten", berichtet er über den Fall, der überregional für Schlagzeilen sorgte. Schmunzelnd erinnert er sich auch, wie ein italienischer Vater einmal in sein Büro kam und ihm Geld anbot, damit sein Sohn nicht hinter schwedische Gardinen müsste. Dieser Vater musste aber damals lernen, dass Urteile nicht käuflich sind.
Alexander Ganter engagiert sich nicht nur als Richter für die Allgemeinheit. Auch kommunalpolitisch will er für die Bürger(innen) etwas bewegen. Dreimal wählten die Mosbacher den Familienvater in den Gemeinderat. Von 1999 bis 2014 gestaltete er als Christdemokrat die Stadtpolitik mit – über mehrere Jahre hinweg stand er gar als Vorsitzender der CDU-Fraktion vor, bis er 2014 nicht mehr antrat. Und für die CDU hat er zuverlässig Verantwortung übernommen; er prägte den einflussreichen Stadtverband. Heute leitet er noch den Parteiarbeitskreis der Juristen auf Landesebene als deren Vorsitzender und tauscht sich regelmäßig mit den Landesministern über das Justizwesen aus. Und die Bürger(innen) haben ihn im vergangenen Mai erstmals in den Kreistag gewählt.
Entspannen kann der Anhänger des Karlsruher SC bei einem Fußballspiel im Wildparkstadion, beim Skatspielen oder beim Lesen eines guten Buches. "Aber das sind dann keine Krimis", sagt Ganter augenzwinkernd. Auch wenn er nun für immer seine Robe an der Garderobe aufhängt – hin und wieder wird er auch bei seiner Nachfolgerin Dr. Barbara Scheuble vorbeischauen. Denn das Team ist ihm im Laufe der Jahre ans Herz gewachsen. Schließlich war das Richterdasein für ihn viel zu sehr eine Berufung und nie nur ein Beruf.