"Oscar" bringt den Orient in den Odenwald (plus Video)
Ein autonomer Roboter aus Haßmersheim soll den Safran-Anbau in Deutschland wirtschaftlich machen. Auch Kleinbetriebe gehören dabei zur Zielgruppe.

Von Caspar Oesterreich
Haßmersheim. Safran gilt als das teuerste Gewürz der Welt. Für ein Kilogramm der feinen Fäden müssen 150.000 bis 200.000 Blüten per Hand gepflückt werden. In Deutschland wird das Krokusgewächs deshalb kaum angebaut. Nur wenige Kilogramm werden hierzulande pro Jahr geerntet, während im Haupterzeugerland Iran genauso wie in Afghanistan zahlreiche Kinder auf den Feldern schuften und Hunderte Tonnen Safran zu Dumpingpreisen vom Orient aus in den Westen exportiert werden. Die beiden Haßmersheimer Brüder Thomas und Frieder Matter wollen das ändern und haben gemeinsam mit ihrem Studienfreund Marius Steger ein Start-up gegründet.
"Oscar" haben sie ihren ersten Funktionsprototypen genannt. Aus Spanplatten gebaut und mit Akkuschraubern angetrieben sieht der zwar noch etwas provisorisch aus – die Technik im Inneren des Roboters ist aber durchaus vielversprechend: Eine Kamera erkennt beim Abfahren der Reihen automatisch die reifen Safran-Blüten auf dem Acker, eine bewegliche Vorrichtung schneidet sie auf den Millimeter genau ab.

Mit dem ersten Feldversuch ist das Trio sehr zufrieden. Zwar fährt Oscar noch nicht autonom über den Acker, und Blütenblätter wie Fäden können auch noch nicht automatisch voneinander getrennt werden, "aber das sind unsere nächsten anvisierten Ziele", sagt Marius Steger zuversichtlich. "Als Erstes ging es uns darum, zu zeigen, dass unsere Idee praktisch funktioniert. Schon jetzt kann Oscar einen Feldarbeiter ersetzen und eine Fläche von 2500 Quadratmetern abernten", ergänzt Frieder Matter.
Safran zählt zu den Herbstblühern, die Erntezeit beginnt im Oktober. "Dabei öffnen sich die Blüten nach und nach, das Feld kann nicht einfach an einem Stichtag abgeerntet werden. Vielmehr muss man jeden Tag aufs Neue schauen, welche Blüten sich geöffnet haben, und diese dann pflücken – der Aufwand ist enorm", erklärt Thomas Matter. Er hat einen Masterabschluss im Agraringenieurwesen, sein Bruder und Marius Steger sind gerade in den letzten Zügen ihres Maschinenbaustudiums am Karlsruher Institut für Technologie, schreiben aktuell an ihrer Masterarbeit.
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Um herauszufinden, ob der Safrananbau im Odenwald überhaupt gelingt, steckte das Trio Ende 2020 zunächst 150 Knollen im eigenen Garten in Haßmersheim. "Zu unserer Überraschung blühten ein Großteil der Knollen auf und wir konnten noch im selben Jahr die ersten Safranfäden ernten", erklärt Thomas Matter stolz. Dabei sammelten die Jungunternehmer fleißig Daten, machten Hunderte Bilder der Blüten und fütterten damit eine Künstliche Intelligenz, die dadurch immer besser lernte, die reifen Blüten zu erkennen.
"Aufgrund der erfolgreichen Ergebnisse haben wir im Sommer 2021 dann beschlossen, unsere Idee, eine Safran-Erntemaschine zu bauen, zu verwirklichen", erzählt Frieder Matter. "Um weitere Erfahrungen in Anbau, Verhalten und Ernte der Safranpflanze zu sammeln und unseren Roboter zu validieren, legten wir dafür im August 2021 ein Versuchsfeld mit 20.000 Knollen am Ortsausgang Richtung Hüffenhardt an", ergänzt sein Bruder. Für die Aussaat verwendeten die jungen Ingenieure eine umgebaute Kartoffellegemaschine. Moderne Entwicklungsmethoden und Bastelei in der Werkstatt beherrschen die drei mit Bravour.
"Parallel zur Aussaat verfeinerten wir das Konzept unseres Prototypen bis ins Detail. Dabei sollten Computer Vision, Robotik und maschinelles Lernen zum Einsatz kommen", erklärt Marius Steger. Nach Zukauf und 3D-Druck aller Komponenten konnte das Trio schließlich im Oktober 2021 den Funktionsprototypen aufbauen. Nur eine Woche in der Werkstatt brauchten sie dafür.
"Nach einigen Testläufen haben wir Oscar dann auch direkt zur Ernte des Safrans aufs Feld geschickt. Dabei konnten wir viele weitere Erkenntnisse gewinnen, an deren Weiterentwicklung wir momentan arbeiten", sagt Frieder Matter. So soll Oscars Nachfolger etwa mit deutlich besseren Reifen und nicht jenen aus dem Baumarkt ausgerüstet sein.
Nachdem das autonome Fahren einprogrammiert und eine Lösung für das Aussortieren der Blüten gefunden ist, wollen die drei Jungunternehmer auch noch weitere Module für das Innere des Roboters konzipieren, die man bei Bedarf einfach austauschen kann. "Mit Kamera und KI ließe sich zum Beispiel auch Schädlingsbefall einfach feststellen und dann zielgerichtet Pflanzenschutzmittel ausbringen", nennt Thomas Matter eine von vielen Ideen.
Ende Oktober nahmen die drei Ingenieure bereits bei Deutschlands größtem studentischen Gründerwettbewerb "Grow21/22" teil, und auch drei weitere Stundenten (Maschinenbau und Wirtschaftsingenieurwesen) schlossen sich dem Projekt an. Eine Webseite wurde gestaltet, der Detektier-Algorithmus verbessert und ein Businessplan erstellt. Nur rund 3500 Euro soll der Roboter einmal kosten. "Unsere Zielgruppe sind Menschen, die die Landwirtschaft auch im Nebenerwerb betreiben oder keine großen Flächen und nur begrenzt Zeit zur Verfügung haben. Denn der Safrananbau braucht nicht viel Platz, um lukrativ zu sein, nur die Handarbeit macht die ganze Sache teuer", erklärt Frieder Matter. "Der Trend geht immer mehr zu regionalen Produkten, weshalb wir uns auch an Direktvermarkter wenden wollen."
Wenn der Safrananbau in Deutschland zunehme, bedeute das gleichzeitig weniger Ausbeutung von Menschen auf den Feldern im Iran und Afghanistan. "Unser nächster Schritt ist jetzt die Investorensuche, um unsere Entwicklung marktfähig zu machen", so die drei Unternehmer.
Wer den Safran aus Haßmersheim selbst probieren möchte, kann von der ersten Ernte schon kleine Portionen (0,1 Gramm, 0,2 und 0,5 Gramm) online unter www.safranmatters.de bei den drei Ingenieuren bestellen. Es ist ihnen zu wünschen, dass sie mit ihrer innovativen Idee – automatisiert wird Safran noch nirgendwo auf der Welt geerntet – Erfolg haben.