Haßmersheim

Im alten Klinkerwerk betreibt "Agroa" ein Getreidelager

Mit einigen Besonderheiten. Mit "Brigitte" kommt Verborgenes ans Licht.

04.03.2022 UPDATE: 06.03.2022 06:00 Uhr 2 Minuten, 23 Sekunden
„Ganz zufrieden“ mit der ersten Saison im neuen Lager und Umschlagplatz Haßmersheim zeigen sich Jürgen Freudenberger (l.) und Dieter Schleihauf von der Genossenschaft „Agroa“ beim Vor-Ort-Besuch. Foto: Heiko Schattauer

Von Heiko Schattauer

Haßmersheim. Sie sind mächtig groß – und doch nimmt sie kaum einer wahr. Die riesigen Silotürme, die am Ortsrand von Haßmersheim inzwischen das größte Getreidelager der frisch gegründeten landwirtschaftlichen Genossenschaft "Agroa" bilden, sind derart geschickt an den Rand des weitläufigen (ehemaligen) Schotterwerks platziert, dass sie von außerhalb des Geländes gar nicht auszumachen sind. Trotz einer Höhe von bis zu 50 Metern und einem Fassungsvermögen von rund 45.000 Tonnen. Weitgehend im Verborgenen wird demnach auch das Umschlagsgeschäft vor Ort abgewickelt, wenngleich das schon ob der schieren Mengen ein stattliches ist.

"Wir sind ganz zufrieden mit der ersten Saison", zieht Dieter Schleihauf, Prokurist bei Agroa, eine erste positive Betriebsbilanz. Die jüngst aus den drei Genossenschaften BAG Franken, Kraichgau-Raiffeisenzentrum und Labag Marbach gebildete Agroa e.G. hatte das Getreidelager in Haßmersheim erst 2021 in Betrieb genommen. Die insgesamt fünf Silotürme auf dem Gelände der Heidelberger Cement AG gehören der Frießinger Mühle (Bad Wimpfen).

Agroa wiederum hat sie für Zwischenlagerung und Umschlag von Getreide – das von Genossenschaftsmitgliedern aus der Umgebung angeliefert oder hierher kontrahiert wird – angemietet. In der Premierensaison 2021 kamen insgesamt rund 36.000 Tonnen an Lagermaterial zusammen, 15.000 Tonnen Weizen, 12.000 Tonnen Raps, 6500 Tonnen Mais und etwa 2500 Tonnen Gerste fanden ihren Weg ins Zwischenlager nach Haßmersheim. "Das ist noch ausbaufähig", sagt Schleihauf mit Blick auf kommende Ernteanlieferungen.

Da geht’s rein und runter: Standortverantwortlicher Claudio Hemmer skizziert den Weg des Getreides vom alten Schotterwerk „unter Tage“ in Richtung Neckar. Foto: Heiko Schattauer

Beim Vor-Ort-Besuch dieser Tage präsentieren sich die großen Silos, in denen zu Betriebszeiten des Schotterwerks Klinker eingelagert wurden, schon weitestgehend geleert. Eine Lkw-Ladung mit Raps verlässt das Gelände gerade noch Richtung Ölmühle in Mannheim. Diese Art des Abtransports ist aber eher die Ausnahme.

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"Wir haben das Lager ausgesucht, weil hier der Transport auf dem Wasserweg möglich ist", erklärt Jürgen Freudenberger, Vorstandssprecher von Agroa. Wasserweg? Bis auf ein von den Niederschlägen der vergangenen Tage gebildetes Rinnsal ist auf dem Areal kein Wasser auszumachen, der Neckar liegt am anderen Ende der Gemarkung.

Die Lösung des Rätsels liegt auch hier im Verborgenen: Über ein etwa zwei Kilometer langes Tunnelsystem, durch das ein Förderband verläuft, kann das Lagergut aus den Silos bis zur Schiffsverladestelle in Neckarmühlbach transportiert werden. "20 Minuten braucht es bis an den Neckar", skizziert der Standortverantwortliche Claudio Hemmer – und deutet auf den Funktionsbau, in dem das Förderband Richtung Untergrund verschwindet. "Brigitte" heißt der Schacht, den Heidelberg Zement (damals noch mit "Z") vom Schotterwerk aus unter der Landesstraße L528, Feld und Flur hindurch bis ans Neckarufer kurz vor dem Ortseingang des Haßmersheimer Ortsteils mit der berühmten Burg im Hintergrund graben ließ.

1983 in Betrieb genommen, ratterten nicht allzu viele Klinker über die Förderbänder – 1986 wurde das Werk bereits außer Betrieb gesetzt. Dreieinhalb Jahrzehnte später versprühen die dem Verfall preisgegebenen, mächtigen Produktionsanlagen auf dem Gelände einen morbiden Charme. Eine Art "Lost Place", der aber eben gar nicht wirklich verlassen ist.

Denn unter Regie der Agroa ist einiges in Bewegung im ehemaligen Klinkerwerk. In der Erntezeit von Anfang Juli (Raps) bis Mitte Oktober (Mais) laufen Anlieferung und Weitertransport oft parallel, da herrscht reger Betrieb in dieser versteckten Ecke von Haßmersheim. Nachdem die erste Saison ordentlich gelaufen ist, zeigt man sich bei Agroa zuversichtlich, den Lagerstandort positiv weiterentwickeln zu können, wie Jürgen Freudenberger und Dieter Schleihauf bekräftigen.

Ein bisschen mischt HeidelbergCement im Übrigen doch noch mit in Haßmersheim. Zum einen wird laut Claudio Hemmer ein Verwaltungsgebäude vor Ort nach wie vor genutzt, zum anderen liegt auch die altehrwürdige "Brigitte" nach wie vor im Verantwortungsbereich des Großkonzerns. "Der Schacht wird mehrmals die Woche begangen, um die Funktionsfähigkeit und Sicherheit zu gewährleisten", schildert Hemmer. Derzeit ist weitestgehend Schicht im Schacht. Doch bald schon wird es wieder kräftig rattern im Bauch von Brigitte – und reichlich Getreide vom Verborgenen aus seinen Weg durchs Dunkel ans Licht und auf den Neckar finden.

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