Heute erstrahlt die Bilderwand, die Szenen aus dem Leben der sagenumwobenen Notburga zeigt, dank Denkmalpflege wieder in neuem Glanz. Die beiden Vorsitzenden des Fördervereins Notburgakirche Hochhausen, Monique von Helmstatt und Günter Hofmann, wissen um die bewegte Geschichte des mittelalterlichen Kunstwerks. Foto: Christina Bock
Von Christina Bock
Hochhausen. Der "Tag des offenen Denkmals" am heutigen Sonntag präsentiert sich aufgrund der Corona-Pandemie erstmals in digitaler Form. Bundesweit wird der Aktionstag von der Deutschen Stiftung Denkmalschutz koordiniert, die über ihre Internetplattform die Denkmalerlebnisse direkt nach Hause bringt. Dieses Jahr steht das vielfältige Angebot der größten Kulturveranstaltung Deutschlands unter dem Motto "Chance Denkmal: erinnern – erhalten – neu denken". Auch der Förderverein Notburgakirche, der sich für die unter Denkmalschutz stehende mittelalterliche Kirche in Hochhausen einsetzt, nimmt an dem digitalen Projekt teil.
Es sei zwar schade, die Notburgakirche an diesem Tag nicht vor Ort präsentieren zu können, aber der Infektionsschutz habe Vorrang, erklärt der Vorsitzende des Fördervereins, Günter Hofmann. In Anbetracht der Pandemie hatte die Deutsche Stiftung Denkmalschutz dazu aufgerufen, von Präsenzveranstaltungen an diesem zentralen Tag abzusehen. Zu groß wäre das Infektionsrisiko gewesen angesichts der Vielzahl an bundesweiten Veranstaltungen und der Millionen Interessierten, von denen ein Teil mehrere Denkmale besuchen würde. Alternativ sollten Denkmale kontaktfrei und digital präsentiert werden.
Diesem Aufruf ist der Förderverein Notburgakirche gefolgt. Neben Bildern und Texten ist auf der Website des Vereins auch ein audio-visueller Rundgang durch die Kirche zu finden. Mit einer App, die von der evangelischen Kirche zur Verfügung gestellt wird, können Interessierte die Notburgakirche per Computer, Tablet oder Smartphone virtuell erkunden. Die Nutzerinnen und Nutzer der kostenfreien App bekommen so Einblicke in die Kirche, deren Geschichte sich bis ins Jahr 950 zurückverfolgen lässt. Dabei werden auch einzelne Stationen im Kirchenraum kunsthistorisch erschlossen.
Eine dieser Stationen ist die Bilderwand, datiert auf die Zeit kurz nach 1500, die sich über die komplette Nordwand des Kirchenschiffes erstreckt. Der Bilderzyklus erzählt in 22 Einzelbildern vom Leben der sagenumwobenen Notburga, deren Name die Kirche seit 1492 trägt. Solche Bilderwände sind wie "Comics des Mittelalters". Mit ihnen wurden Sagen und Legenden von Generation zu Generation weitergegeben, denn zu jener Zeit konnte kaum jemand lesen oder schreiben.
Wer um die bewegte Geschichte der Bilderwand weiß, erkennt, wie bedeutsam das Motto des diesjährigen Tages des offenen Denkmals ist. Der Erhalt des gemalten Kunstwerkes über fünf Jahrhunderte war nämlich alles andere als leicht. Aufgrund von Religionsstreitigkeiten, die in Folge der Reformation entfachten, wurde der Notburga-Bilderzyklus Mitte des 18. Jahrhunderts übertüncht. Es blieb eine weiße, damals noch fensterlose Wand. Mehr als 100 Jahre später – und wohl ohne Kenntnis der unter der weißen Farbschicht liegenden Bilder – wurden Fenster in die Nordwand des Kirchenschiffes gebrochen. Dadurch wurde ein Teil der Gemälde unwiederbringlich zerstört.
Als ein Kirchendiener Ende des 19. Jahrhunderts Farbfetzen im Putz entdeckte, versuchte man, die Bilder wieder freizulegen. In den 1960er-Jahren erfolgte die erste professionelle Restaurierung der Wandmalerei. Hofmann, der bereits damals in der Kirchengemeinde aktiv war, erinnert sich noch gut daran: "Der Restaurator ging jeden Morgen zur Bäckerei, kaufte frisches Brot und befreite mit dem weichen Inneren des Brotes die gesamte Wand von Staub und Schmutz. Das war wie ein sanfter Radiergummi."
Um das Kleinod in Hochhausen zu erhalten, werden in der Notburgakirche regelmäßig Restaurierungsarbeiten vorgenommen; seit 2012 organisiert der Förderverein in Abstimmung mit der Kirchengemeinde die Denkmalpflege. Bei manchen Projekten musste man in der Vergangenheit erfinderisch sein. Raumklima und Heizung waren besonders kniffelige Themen. Für den Erhalt der antiken Kunstgegenstände sind eine bestimmte Luftfeuchtigkeit und kühle Temperaturen notwendig. Weil man die Kirche deswegen auch im Winter nur mäßig heizen kann, wurden Heizkissen in die Sitzbänke eingebaut. Diese sorgen nicht nur für wohlige Wärme bei den Besucherinnen und Besuchern; auch Energiekosten können so eingespart werden.
In Sachen "erinnern – erhalten – neu denken" wären noch viele weitere Projekte in der Notburgakirche zu nennen, weiß Monique von Helmstatt. Die stellvertretende Vorsitzende des Fördervereins setzt sich insbesondere für das kulturelle Angebot in der Notburgakirche ein. Mit Konzerten und Führungen erfährt die Kirche so weitere Nutzungsmöglichkeiten neben den Gottesdiensten. Für von Helmstatt ist auch die stetige "Aktualisierung" der Kunst eine wichtige Maßnahme, um die kleine Dorfkirche zukunftsfähig zu machen.
In den letzten Jahren kamen beispielsweise drei Buntglasfenster des zeitgenössischen Künstlers Jürgen Goertz in die Notburgakirche, die sich harmonisch in das alte Gebäude einfügen und die mittelalterlichen Kunstwerke ergänzen. "Mit solchen Projekten möchten wir aus der Notburgakirche auch ein Denkmal von morgen machen", wünscht sich von Helmstatt.
Info: Das digitale Angebot des Fördervereins findet sich hier. Führungen vor Ort sind für kleine Gruppen nach Anmeldung möglich. Wer den Verein durch eine Spende unterstützen möchte, kann folgende IBAN nutzen: DE75 6746 0041 0033 9600 00.