Die Kläranlage Haßmersheim sollte vergrößert und modernisiert werden – nun wird sie gar nicht mehr gebraucht, weil die Abwässer bis nach Obrigheim transportiert werden. Foto: Ursula Brinkmann
Von Ursula Brinkmann
Haßmersheim. War in der ersten März-Sitzung des Haßmersheimer Gemeinderats schon ein früherer Beschluss quasi rückgängig gemacht worden, so stand in der zweiten etwas Ähnliches auf der Tagesordnung: dieses Mal tatsächlich der Vorschlag, einen bisherigen Beschluss rückgängig zu machen. Es ging um die Kläranlage. Deren "Zukunftssicherung" sollte dadurch gewährleistet werden, dass die 1983 in Betrieb genommene Abwasserreinigung für mehr als fünf Millionen Euro erweitert und modernisiert werde. Vor rund zwei Jahren stimmte der Gemeinderat der umfangreichen Maßnahme zu. Seinerzeit zählte zu den Alternativen, die vom Ulmer Planungsbüro SAG erarbeitet worden waren, auch der Anschluss der Haßmersheimer an die Kläranlage des Abwasserzweckverbandes Elz-Neckar in Obrigheim.
Genau diese Lösung soll nun angegangen werden, denn nach aktuellen Berechnungen kann dort doch die notwendige Abwassermenge aufgenommen werden. Das hatte Obrigheims Bürgermeister Achim Walter seinem Kollegen in Haßmersheim, Michael Salomo, im November 2019 mitgeteilt. Anstoß für diese Analyse war der Umstand gewesen, dass man in Haßmersheim Fördermittel nicht in der erwarteten Höhe von 80, sondern lediglich 30 Prozent für den Kläranlagenneubau zugesagt bekommen hatte.
Unter den veränderten Voraussetzungen rechneten die SAG-Ingenieure neu und stellten dem Gemeinderat ihre Wirtschaftlichkeitsanalyse vor. Demnach würde eine Druckleitung aus Haßmersheim heraus links vom Neckar bis Neckarzimmern verlaufen, dort den Fluss queren, um auf der anderen Seite in das vorhandene Netz zu fließen. Die Investitionskosten in Höhe von rund 2,5 Millionen Euro sollen nun laut Beschlussvorlage "tatsächlich eine Förderquote von 80 Prozent" haben.
Das Thema Kindergärten, das in der ersten März-Sitzung zum Ende des kommunalen Eigenbetriebs "Kinder- und Jugendbetreuung" geführt hatte, beschäftigte den Gemeinderat auch in der zweiten. Mit dem Übergang in kommunale Verantwortung gehen auch die Grundstücke und Gebäude der einst evangelischen Kindertagesstagesstätten an die Gemeinde über. Die Grundstücke und Gebäude in Haßmersheim und Hochhausen wechselten für knapp 650.000 Euro den Eigentümer. Zuvor waren, so Bürgermeister Salomo, die Kaufverträge in der Kirchengemeinde vorgestellt worden, wo man einverstanden gewesen sei.
Nicht rückgängig, sondern sozusagen gängig gemacht wurden Haushaltssatzung und -plan 2020.
Die Freien Wähler wünschen sich eine Priorisierung der Projekte. "Es ist mehr als offensichtlich, dass zu viele Projekte begonnen wurden beziehungsweise gleichzeitig abgearbeitet werden sollen", begründete Johannes Höfer die Ablehnung des Haushalts durch seine Fraktion. Aufgrund der erheblichen Verschuldung sehe man die große Gefahr, die Handlungsfähigkeit zu verlieren. "Unter einer nachhaltigen Finanzpolitik, die unseren Nachfolgern noch Gestaltungsspielräume bietet, verstehen wir etwas anderes."
Jonas Schmitt (SPD) sieht in den Großprojekten eine "enorme infrastrukturelle Aufwertung" der Gemeinde. "Aus diesem Grund ist es eine logische Folge, dass die Pro-Kopf-Verschuldung steigen wird, um diese Projekte zu realisieren." Mit Blick auf das größte Großprojekt (Nord III) erscheint den Sozialdemokraten die Gemeinde "gut für die Zukunft aufgestellt zu sein". Die Veränderungen in der Kleinkindbetreuung – Stichwort: Übernahme der evangelischen Kindergärten – und die Anstrengungen für die Bildung – Stichwort: Sanierung der Gemeinschaftsschule – waren weitere Punkte, die die anwesenden SPD-Ratsmitglieder bewogen, dem Haushaltsplan zuzustimmen.
Auch wenn der Haushalt aus mehr als nur den Zahlen bestehe, fanden sich in Ortwin Herrmanns Betrachtungen für die CDU-Fraktion im Gemeinderat eine ganze Reihe Zahlen. Der interessanteste und für die Zukunft der Gemeinde entscheidende Teil des Haushalts sei der Investitionshaushalt: 9,5 Millionen Euro plane man zu investieren. "Da werden grundlegende Entscheidungen für die Zukunft abgebildet." Im Baugebiet Nord III und die Generalsanierung der Friedrich-Heuß-Schule erkennen die Christdemokraten die richtige Entwicklung für die Gemeinde.
Das Bild eines "üppigen Buffets" überkam Thorsten Ringwald von der Bürgerliste-Bündnis 90 / Die Grünen angesichts des Haushaltsplans. Er rief dazu auf, "den Teller nicht zu voll zu machen", weil man ihn dann nicht aufessen könne. Gemeint war das Vorgehen der Verwaltung (auch schon in vorangegangenen Haushaltsjahren), mehr zu planen, als realisiert werden konnte, was auch in anderen Haushaltsreden angesprochen wurde. "Wir rufen zur Zurückhaltung und zu Diät auf", formulierte es der Grünensprecher passend zum Buffet-Vergleich. So sei es (leider) notwendig geworden, neue größere Projekte abzulehnen.
In der Abstimmung reichte es dennoch; das Zahlenwerk bekam die mehrheitliche Zustimmung des Gemeinderats. Bürgermeister Salomo argumentierte nochmals mit der aktuellen Lage: "Jeder, der diesem Gemeindehaushalt nicht zustimmt, ist sich der einmaligen Chance unserer Gemeinde nicht bewusst. Mit der Methode, nur einzelne Projekte in Folge anzugreifen, erfahren jetzt andere Gemeinden, dass sie voraussichtlich in Zukunft keine weiteren staatlichen Förderungen bekommen können, da wir jetzt aufgrund der Corona-Krise mit anderen Auswirkungen zu kämpfen haben werden."