Fahrenbach

Roberner Familie Friedel verkauft Bio-Weihnachtsbäume

Die einzige Alternative ist keine Alternative. Die Bio-Musterregion will für die Umstellung werben.

20.12.2021 UPDATE: 21.12.2021 06:00 Uhr 3 Minuten, 18 Sekunden
Die Friedels sind die einzigen zertifizierten Produzenten für Bio-Weihnachtsbäume im gesamten Neckar-Odenwald-Kreis. Sogar ihr „Rasenmäher“ ist biologisch: Shropshire-Schafe halten das Gras zwischen den Christbäumen im Zaum. Foto: MLR BW / Jan Potente

Von Stephanie Kern

Neckar-Odenwald-Kreis. Was in ihrer Heimat politisch vor sich geht, das interessiert die Shropshire-Schafe von Helge Friedel naturgemäß eher weniger. Dort, in North-Shropshire, hat bei einer Nachwahl zum Unterhaus die liberale Kandidatin gegen den Kandidaten der Konservativen gewonnen. So weit, so uninteressant für die Schafe, die ihren Namen aus der britischen Gegend mitgenommen haben. Die Schafe interessieren sich nämlich eher für Gras. Ganz gerne fressen sie das Gras, das in den Weihnachtsbaumkulturen der Familie Friedel wächst. Denn die Friedels sind die einzigen zertifizierten Produzenten für Bio-Weihnachtsbäume im gesamten Neckar-Odenwald-Kreis.

Einzigartig ist auch das Konzept, das der Bio-Musterregion Neckar-Odenwald zur Verlängerung verholfen hat. Darin zu finden ist auch das folgende Ziel: Mehr Betriebe finden, die die Produktion ihrer Weihnachtsbäume auf bio umstellen wollen. Mehr als 1000 Hektar Fläche werden im Neckar-Odenwald-Kreis auf die Erzeugung von Weihnachtsbäumen verwendet, viele der Produzenten benutzen ohnehin keine Pestizide. Nur die Friedels haben sich dieses Engagement zertifizieren lassen. "Meinen Eltern war nachhaltiges und biologisches Wirtschaften wichtig", berichtet Helge Friedel, der den Stab im Familienbetrieb gerade übernimmt. Schon seit 1990 ist der Betrieb Bioland-zertifiziert. "Ein Pionierbetrieb im Kreis", verdeutlicht Ruth Weniger, Regionalmanagerin der Bio-Musterregion. Wobei es in diesem Fall wohl eher "Bionier" heißen müsste.

Die Weihnachtsbäume sind im Portfolio des kleinen Nebenerwerbsbetriebs irgendwann dazugekommen. "Es stand nie zur Debatte, die aus der biologischen Bewirtschaftung herauszunehmen", sagt Friedel. Die Schafe sind dafür da, das Gras zwischen den Christbäumen im Zaum zu halten. Denn besonders zu Beginn stehen Gras und junger Setzling in großer Konkurrenz zueinander. "In einer konventionellen Kultur wird das Gras weggespritzt", berichtet Friedel. Das kann man auch sehen: Beim Nachbarn ist der Boden nämlich nicht grün, sondern braun. "Wir mähen von Hand und setzen die Schafe ein." Das ist aufwendiger, besonders da die Schafe nicht jederzeit zu den Bäumen dürfen – wenn die Bäume frisch austreiben, sind sie nämlich auch ein schmackhafter Leckerbissen. "Deshalb muss man immer mal selbst mähen und auch ein bisschen Fingerspitzengefühl haben." Die einzige Alternative: Spritzen. "Und das ist für uns keine Alternative", erklärt Friedel.

Auch beim Thema Schädlinge wollen Friedel und seine Familie auf die Chemiekeule verzichten. "Es ist eine Monokultur, und man muss natürlich aufpassen, dass man keinen Schädling reinbekommt." So werden befallene Bäume entfernt oder mit natürlichen Mitteln behandelt. Auch die Regulation des Wuchses erfolgt hier nicht mittels Spritzmittel, sondern mittels Handarbeit, mit einer speziellen Zange.

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Friedels Weihnachtsbaumkultur ist in direkter Nachbarschaft zu zwei konventionellen Kulturen. Den ersten Unterschied bemerkt man auf den ersten Blick: Die Bäume sind unterschiedlich groß. "Wir haben hier einen Mix." Auch die Sorten sind gemischt, neben der Nordmanntanne wachsen Korktannen, Coloradotannen oder auch Blaufichten. Auch eine Kiefer fühlt sich bei den Weihnachtsbäumen heimisch. "Die will aber keiner kaufen", sagt Friedel.

Die Nachfrage nach den Bio-Bäumen steigt, das bemerkt auch Friedels Schwager Manuel Rupprecht. Am Stand in Plankstadt, an dem die Friedels ihre Bäume verkaufen, kommt inzwischen die Hälfte der Kundschaft wegen und nicht trotz des Bio-Siegels. "Anfangs haben wir das gar nicht beworben, weil wir die Leute nicht abschrecken wollten", meint Friedel. Inzwischen ist bio ein Verkaufsargument. Da gibt es dann auch schon mal Menschen, die aus Frankfurt kommen, oder welche, die ihren Baum nach Stuttgart geschickt haben möchten.

"Man holt sich keine Giftstoffe in die Wohnung", benennt Friedel einen Vorteil, den er in den Bio-Bäumen sieht. Vor allem bei Familien mit Kindern reife der Bio-Gedanke, das bemerke er bei der Arbeit am Stand und vor Ort. Ein paar Tipps für den haltbaren Weihnachtsbaum hat er auch: So lange wie möglich kalt stehen lassen. "Und sobald er in die Wohnung kommt, eine dünne Scheibe frisch anschneiden", erläutert Helge Friedel. Bei ihm steht der Baum bis Mariä Lichtmess im Wohnzimmer – das ist immerhin Anfang Februar.

Ruth Weniger möchte im kommenden Jahr daran arbeiten, dass mehr Anbieter im Neckar-Odenwald-Kreis sich an die biologische Produktion und auch die Zertifizierung herantrauen. "Hinter dem Zertifikat steckt auch Kontrolle. Die kostet die Unternehmer, aber so können die Verbraucher sicher sein, dass bio drin ist, wo bio drauf steht", erklärt Weniger. Weil es für die Phase der Umstellung aus dem Fördertopf von EU und Land keine Förderung gibt, springt hier der Kreis in die Bresche. Wer seinen (Weihnachtsbaum-) Betrieb auf bio umstellen möchte, kann dafür beim Landkreis Gelder beantragen. Auch dafür ist eine Bio-Musterregion da. Im kommenden Jahr soll es deshalb für die Weihnachtsbaumproduzenten Infoveranstaltungen und wenn möglich auch eine Lehrfahrt geben. "Dass wir die Weihnachtsbaumkulturen in unserem Konzept haben, passt zu unserem Kreis", ist Ruth Weniger überzeugt.

"Wenn wir wollen, dass Verbraucher mehr bio kaufen, muss bio vor Ort sichtbar werden. Wenn wir den Bio-Anteil erhöhen wollen, muss ein Ruck durch Baden-Württemberg gehen, die Bio-Musterregionen sind dabei ein wichtiger Katalysator", sagte Landwirtschaftsminister Peter Hauk anlässlich der Bekanntgabe, dass auch der Neckar-Odenwald-Kreis Bio-Musterregion bleibt. Kern der Förderung ist die Stelle des Regionalmanagements – hier übernimmt Ruth Weniger diese Aufgabe und wird das nun auch drei weitere Jahre tun.

Die Shropshire-Schafe übrigens, denen scheint auch der Rummel um die Weihnachtsbäume ganz egal zu sein. Man merkt doch immer wieder: Diese Wesen wollen vor allem Gras, sonst nichts. Gut, wenn die Weihnachtsbaumkäufer bald wieder weg sind und die Schafe ihre Ruhe, äh: ihr Gras haben.

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