Die Proberäume sind der Dreh- und Angelpunkt für das Vereinsleben. Auf unserem Bild probt der Elferrat der Fastnachtsgesellschaft Agricola Billigheim. Für großen Wirbel sorgen nun die Pläne der Gemeindeverwaltung, die Proberäume im Billigheimer Rathaus entsprechend der Brandschutzauflagen nachzurüsten. Foto: zg
Von Peter Lahr
Billigheim. "In Billigheim gibt es vier große Vereine, die sitzen hier am Tisch." Vertreter der FG Agricola, des Musikvereins (MV), des Männergesangvereins (MGV) sowie des Turn- und Sportvereins (TSV) waren dieser Tage im Sportheim zusammengekommen, um der RNZ ihre Sicht auf die Situation rund ums Ehrenamt zu schildern. Anlass dazu hatte ein vor wenigen Tagen veröffentlichtes Rathaus-Interview im Rahmen der RNZ-Sommerserie gegeben.
Dort hatte Billigheims Bürgermeister Martin Diblik erklärt, das reiche Vereinsleben sei ein Pfund, mit dem die Gemeinde wuchern könne. Doch die Vereinsvorstände hielten nun ordentlich dagegen: "Es wird nur geredet und nicht gehandelt. Wir bekommen seit Jahren keine Rückmeldungen für unsere Anliegen. Die Verwaltung und der Gemeinderat machen nichts für die Vereine und wollen kein Geld in die Hand nehmen." So lauten die Vorwürfe.
Während sich die Kontroverse bei der FG Agricola, den Musikanten und den Sängern an den Proberäumen entzündet, moniert der TSV einen jahrelangen Investitionsstau rund um den Sportplatz. Seit Jahren bröckelten an einer Umfassungsmauer U-Steine vor sich hin und stellten für Sportler und Zuschauer eine Gefahr dar. Nachdem im Vorjahr der untere Sportplatz erneuert wurde, warte man auf die für 2020 versprochene Maßnahme für den oberen Platz. Die Berieselungsanlage funktioniere hier nicht. Maulwürfe suchten das Spielfeld heim und sobald der Mähroboter einen Maulwurfshügel touchiere, verliere er seine scharfen Klingen. Jürgen Derfuss sei hier im kräftezehrenden Dauereinsatz, um das Schlimmste zu verhindern.
"Wo sollen unsere Mädels trainieren?", diese Frage stellt Arno Nagl von der FG. Denn bislang hätten die drei Vereine in einem gesonderten Trakt des Rathauses ihre drei Proberäume: im Erdgeschoss der ehemaligen Schule probt der MGV; im ersten Stockwerk proben die Musikanten und die Fastnachter – von den Garden bis zum Elferrat. Im Oktober des Vorjahres habe es eine Brandschutzbegehung durch die Verwaltung gegeben – von der die Vereine allerdings erst Monate später erfahren haben wollen. "Ende Januar informierte man uns schriftlich darüber, dass der Brandschutz nicht auf dem aktuellen Stand ist." Die Kosten für eine Modernisierung des Vereinstrakts seien mit 113.000 Euro "utopisch hoch" veranlagt worden. In der Folge sei verfügt worden, dass die Vereine bis Ende Februar aus den Räumen raus müssten. Seitdem hätten mehrere Gespräche zwischen Vereinsvertretern, Gemeinderäten und der Verwaltung stattgefunden. Eine Lösung schien sogar schon greifbar nahe. So sollte die Brandschutz-Maßnahme für 60.000 Euro im Gemeinderat beschlossen werden. Doch sei der Punkt bereits im Vorfeld wieder von der Sitzungsordnung genommen worden.
"Es ist klar, dass etwas gemacht werden muss. Wenn wir geeignete Ersatzräume bekommen hätten, wären wir ja froh. Wir haben auch angeboten, beim Umbau mitzuhelfen", erklärt Nagl. Leider seien die angebotenen Ersatzräume bislang allesamt nicht bespielbar, bzw. wegen der Corona-Pandemie nicht nutzbar. Der letzte Vorschlag der Verwaltung sehe nach der Ertüchtigung des Probenraums im Erdgeschoss eine gemeinsame Nutzung durch die Musiker und Sänger vor. Die Fastnachter würden dann leer ausgehen.
"Die Verwaltung hat das gesamte Brandschutzthema jahrelang verbummelt. Jetzt bekommen wir es serviert", mutmaßt Heiko Knapp vom Musikverein. "Es ist traurig, wenn der Gemeinderat und die Verwaltung gegen die Vereine arbeiten", resümiert Gottfried Junghans vom MGV: "Und dann sagt uns die Verwaltung, wir genießen hier einen Luxus." Achim Johmann vom TSV bedauert, dass sich in Billigheim die Gemeinderäte und die Vereine nicht an einem Tisch zusammensetzen. Ähnlich sieht es Jürgen Derfuss, der für eine (in seiner Freizeit) zeitaufwendig erarbeitete Sportplatz-Mängelliste nicht einmal eine Rückmeldung vom Rathaus erhalten habe. Lediglich vor der Wahl, so der Tenor der Versammelten, sei der Bürgermeister offenen Ohres bei den Vereinen gewesen.