Eine Frage des "subjektiven Lärmempfindens"? Der Windradbetreiber Entega weist darauf hin, dass seine Anlagen die vorgeschriebenen Grenzwerte einhalten. Symbolbild: Hildenbrand
Von Carsten Blaue
Wald-Michelbach. Die Windkraftanlagen am "Stillfüssel" im Wald bei Siedelsbrunn drehen sich noch immer im Probebetrieb. Alles wird getestet, die Ergebnisse werden protokolliert. Und wenn nötig, wird nachjustiert. Jürgen Vollmers Empfindungen dürften allerdings keine Berücksichtigung finden in den Aufzeichnungen der Probezeit. Vollmer hat im Jahr 2009 sein Haus im Wald-Michelbacher Seckenrain gebaut.
Das Anwesen liegt etwas abseits, die Infrastruktur hier draußen sei bescheiden, sagt er: "Wir wurden aber mit Natur und absoluter Ruhe entschädigt." Deswegen hat er sich mit seiner Familie hier niedergelassen. Mit der Ruhe ist es allerdings vorbei, seit sich rund 1100 Meter südwestlich eines der fünf Windräder dreht, auf das Vollmer schaut: "Ehrlich gesagt, sind wir entsetzt, was den betroffenen Bürgern hier zugemutet wird", sagt Vollmer.
Die Geräusche sind so laut, dass kürzlich ein Nutzer sozialer Medien auf Facebook mutmaßte, die Anlage sei defekt. Ist sie nicht, wie Michael Leukam auf RNZ-Anfrage klarstellt. Leukam ist Pressesprecher des Energieunternehmens Entega aus Darmstadt, das den Windpark am "Stillfüssel" betreibt.
Er räumt ein, dass die Geräusche der Anlagen je nach Windstärke, Windrichtung und Entfernung zur Windkraftanlage "unterschiedlich wahrgenommen werden" können: "Auch das subjektive Lärmempfinden ist unterschiedlich ausgeprägt", sagt Leukam. Generell gelte aber, dass die Anlage den vorgegebenen Grenzwert einhalte. Und das ist schließlich das Wichtigste. Zumindest für Entega.
Vollmer tröstet das dagegen wenig: "Es hört sich zeitweise an wie ein Flugzeug über den Wolken", beschreibt er seine Wahrnehmung. Er fürchtet, dass es noch schlimmer wird, wenn die Lager der Windräder nach dem ersten Verschleiß mehr Spiel haben. Vollmer hört zudem den Windlärm, wenn die Flügel am Turm "vorbeirauschen". Die Geräusche seien je nach Windsituation und Betriebszustand der Anlage verschieden, sagt er. Zumindest in diesem Punkt ist er sich mit Leukam einig.
Ansonsten steht für Vollmer endgültig fest, dass der Mindestabstand von 1000 Metern zu Wohngebieten einfach zu gering ist, um Beeinträchtigungen der Bürger durch die Anlagen auszuschließen: "Die Regelung ist überaltert und nicht mehr zeitgemäß", sagt Vollmer: "Sie berücksichtigt die technische Entwicklung und Höhe der Anlagen nicht." Und auch nicht die topografische Lage. Das Rad im Wald am Standort mit der Bezeichnung "WEA 2", was für Windenergieanlage 2 steht, hat ungefähr den gleichen Abstand zu Vollmers Grundstück wie "WEA 1": "Wir werden sehen, ob es einen Unterschied gibt."
Der Anwohner spricht aber schon jetzt vom "enormen Wertverlust" seiner Immobilie. Das komme einer "staatlichen Enteignung" gleich. Dazu die optische Beeinträchtigung und nun auch noch "eine Reduzierung der Lebensqualität durch Geräusche". Die schlimmsten Befürchtungen, so Vollmer, seien bestätigt worden: "Sie sind jetzt von niemandem mehr wegzudiskutieren."
Leukam dagegen ist zufrieden. Die ersten Erfahrungen mit den neuen Windenergieanlagen am "Stillfüssel" seien positiv.