Die Fans von Mihambos Heimatverein, dem TSV Oftersheim, verfolgten das Weitsprung-Finale live vor der Leinwand mit. Foto: Lenhardt
Von Stefan Kern und Anna Manceron
Oftersheim. Sonntagabend, 18.15 Uhr im Rose-Saal. Mehr als 100 Oftersheimer haben sich in der Gemeindehalle versammelt, um das Weitsprung-Finale der Frauen bei der Leichtathletik-WM in Doha auf der Leinwand mitzuverfolgen. Der TSV Oftersheim hat dieses Public Viewing organisiert. Mehr als 5000 Kilometer entfernt geht an diesem Abend eine von ihnen an den Start: Malaika Mihambo, Europameisterin im Weitsprung - und Oftersheimerin.
Weitspringerin Malaika Mihambo freut sich in Doha über ihre Goldmedaille. Foto: dpa
Im ersten Durchgang springt sie 6,52 Meter, der zweite Versuch ist ungültig. Der Druck, der auf der 25-Jährigen lastet, muss unermesslich sein. Das Publikum im Rose-Saal fiebert mit, die Anspannung ist spürbar. Jedes Mal, wenn Mihambo ins Bild läuft, flippen die Fans aus und jubeln. Und so wirkt der dritte Sprung fast wie eine Erlösung: 7,30 Meter. Malaika Mihambo ist Weltmeisterin im Weitsprung. Und der Rose-Saal tobt.
Die 17-jährige Jennifer, selbst Leichtathletin und 100- und 200-Meter-Läuferin beim TSV, findet kaum Worte. "Das ist einfach der Hammer", sagt sie schließlich. Auch dem Leiter der TSV-Leichtathletik-Abteilung, Thorsten Meiser, steht die Freude ins Gesicht geschrieben: "Es ist unglaublich. Solch ein Sprung bei so einem Turnier und solchem Druck."
Auch Bürgermeister Jens Geiß ist gekommen, mit T-Shirt vom TSV und Autogrammkarte. Mihambo mache es ja gern spannend, erklärt er. Der Rathauschef war sich sicher, dass die Oftersheimerin ihrer Favoritenrolle gerecht würde. Immerhin habe sie schon einmal ein Turnier auf nationaler Ebene nach zwei Fehlversuchen zu ihren Gunsten gewendet.
Am Ende war Geiß dann doch "mega nervös". Und so ist auch bei ihm die Erleichterung unübersehbar. "Ist doch der Wahnsinn!", ruft er. Die 16-jährige Nachwuchs-Sprinterin Emma hielt es kaum auf dem Stuhl aus. Genau wie die beiden Nachwuchs-Weitspringer Jannyck (13 Jahre) und Dominik (elf Jahre). Für sie ist Mihambo ein Idol. Sie bewundern ihre Konzentrationsfähigkeit und den unbedingten Willen. "Das hat sie schon früh ausgezeichnet", erinnert sich Meiser.
"Sie ist eine absolute Ausnahmeathletin." Wann die Oftersheimer "ihre" Weitspringerin offiziell begrüßen dürfen, kann gestern im Rathaus noch niemand sagen. "Es wird definitiv einen Empfang geben", bestätigt Sprecherin Petra Pfeifer-Wiest. "Den genauen Termin müssen wir aber noch mit Frau Mihambo absprechen." Und die sei nun erst einmal vier Wochen lang im Urlaub.
Der öffentliche Empfang mit Sekt und Freibier werde wohl in der Kurpfalzhalle stattfinden, erklärt Kulturamtsleiter Guido Hillengaß. Es ist nicht die erste Ehrung, die der 25-Jährigen in Oftersheim zuteil wird. Bei ihrem EM-Sieg im vergangenen Jahr schenkte ihr die Gemeinde eine handgefertigte Weltkugel von einer Karlsruher Porzellan-Manufaktur. "Was wir nun machen, darf ich nicht verraten", sagt Hillengaß. "Aber wir werden uns für sie und ihren Trainer etwas sehr Individuelles einfallen lassen."
Dass Malaika Mihambo von der Dorfgemeinschaft so viel Wertschätzung erfährt, war allerdings nicht immer so. In dem Dokumentarfilm "Heimat: Oftersheim - Ein deutsches Dorf erzählt" erinnert sich die frisch gebackene Weltmeisterin an ihre Grundschulzeit zu Beginn der 2000er-Jahre. Sie erzählt von einem Jungen, der aufgrund ihrer Hautfarbe nicht neben ihr sitzen wollte - und von der Lehrerin, die daraufhin nicht den Jungen, sondern Mihambo selbst wegsetzte.
"Als in der Schule Kopfläuse umgingen, hieß es: Die kommen bestimmt von ihr", erzählt Mihambo. Als sich herausstellte, dass sie keine hatte, drehten einige den Spieß um und behaupteten, dass nicht einmal die Läuse zu ihr gewollt hatten. Es sind Szenen, die einige Zuschauer sehr betroffen gemacht haben. Und auch bei Malaika Mihambo hat das Verhalten der Menschen im Dorf Spuren hinterlassen. "Es ist keine 20 Jahre her, das hat mich erschreckt", sagt sie in dem 90-minütigen Film, der am Samstag erstmals im Rose-Saal gezeigt wurde.