Von Stefan Kern
Schwetzingen. Ein Wattestäbchen in den Mund, ein paar Angaben zur Person - und schon ist man Lebensretter. "Zumindest theoretisch", sagte die sichtlich gut gelaunte Sonja Burkardt, Lehrerin an der Carl-Theodor-Schule für BWL und katholische Religion. Gemeinsam mit dem Verein DKMS organisierte sie die Registrierungsaktion für Stammzellenspender an der Carl-Theodor-Schule.
Sie hatte mit einem großen Andrang gerechnet: Vom Hebel-Gymnasium, der Erhart-Schott-Schule und der Carl-Theodor-Schule waren insgesamt 1100 bis 1200 Schüler ab 17 Jahren aufgerufen, sich an der Registrierungsaktion zu beteiligen. Und dann zu sehen, dass sich auch tatsächlich mehrere Hundert Schüler registrieren ließen, stimmte sie glücklich: "Diese Hilfsbereitschaft macht Hoffnung."
Der Auslöser für die Aktion war das Schicksal der vierjährigen Stella aus Rauenberg. Das Mädchen ist an Hämophagozytischer Lymphohistiozytose (HLH) erkrankt, einem sehr seltenen genetischen Defekt des Immunsystems, und deshalb dringend auf eine Stammzellenspende angewiesen. Deshalb hat Burkardt die Aktion, die sie eigentlich für das Ende des Schuljahrs auf die Beine stellen wollte, spontan vorgezogen.
HLH ist eine oft tödlich verlaufende Krankheit, und die Zeit drängt. Bei der Spendersuche für das Mädchen gab es glücklicherweise zwischenzeitlich einen Treffer, sodass Stella jetzt auf Genesung hoffen kann.
Jeder siebte auf Stammzellen angewiesene Patient in Deutschland wartet laut DKMS nach wie vor auf einen passenden Spender. "Die Wahrscheinlichkeit diesen zu finden, liegt von 1 zu 20.000 bis 1 zu mehreren Millionen", erklärte Beate Mayer von der DKMS. Stammzellen weisen bis zu 16.000 verschiedene Gewebemerkmale auf, die wiederum in Abermillionen unterschiedlicher Kombinationen auftreten können. Einfache Schlussfolgerung: Je mehr Menschen mitmachen, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein passender Spender gefunden wird.
1991, im ersten Jahr der DKMS, verzeichnete der Verein 3000 Stammzellenspender. Mittlerweile stehen in der Datenbank rund 7,1 Millionen potenzielle Spender - eine durchaus stolze Entwicklung. "Trotzdem gibt es noch viel Luft nach oben", sagte Mayer mit gutem Grund: Alle 15 Minuten erkrankt - allein in Deutschland - ein Mensch an Leukämie (Blutkrebs). Häufig ist die einzige Rettung ein passender Stammzellenspender. Daher hatte die Aktion in der Schule, auch wenn für Stella ein Spender gefunden wurde, für niemanden an Bedeutung verloren.
Die Spende selbst ist dann etwas aufwendiger als das Wattestäbchen im Mund. Bei der Stammzellenentnahme kommen zwei Verfahren zu Einsatz. Bei der peripheren Zellentnahme werden die Stammzellen ähnlich wie bei der Blutspende durch Blutabnehmen gewonnen. In 80 Prozent aller Fälle kommt dieses Verfahren zum Einsatz. Bei 20 Prozent der Fälle werden die Stammzellen aus dem Beckenkamm des Spenders entnommen. Bei dieser Knochenmarkentnahme bedarf es einer Vollnarkose. "Das geht mit den üblichen Narkoserisiken einher", erklärte Burkardt. Auf der anderen Seite stehe aber die Chance, einem Menschen ein zweites Leben zu schenken.
Das leuchtete den Schülern ein. Kyrill Habermann und Leo Franzke, beide von der Carl-Theodor-Schule, waren überzeugt: "Die Chance, helfen zu können, steht über allem." Anna-Katharina Olschewski von der Carl-Theodor-Schule erklärte, dass Leben retten "etwas sehr Großes" sei. So groß, dass auch die Schüler aus den Integrationsklassen unbedingt an der Aktion teilnehmen wollten.
Der 24-jährige Spender Stefan Soleder aus Heidelberg bestärkte die Schüler in ihrem Engagement. 2016 ließ er sich registrieren, und bereits 2017 erhielt er die Chance, einem Mann in Italien zu helfen. Die Spende selbst empfand er als unspektakulär. Eine Fahrt nach Köln, drei Stunden Blutentnahme, etwas Kopfschmerzen mit Müdigkeit - und fertig.
Die ersten zwei Jahre nach der Spende erfahren Spender und Empfänger nicht viel voneinander. Wenn aber Interesse auf beiden Seiten besteht, erklärte Mayer, könne nach dieser Frist der Kontakt hergestellt werden. Ob Soleder das will, weiß er noch nicht genau: "Aber es wäre schön, zu wissen, ob die Therapie bei dem Mann angeschlagen hat."
Die Chance auf Heilung liegt laut DKMS bei rund 50 Prozent. Und das ist deutlich mehr als nichts.