Die Firma Solvay leitet zwar immer weniger des "unerwünschten Stoffes" TFA in den Neckar. Dennoch hat Heidelberg das Unternehmen im Dezember auf Schadensersatz verklagt, weil die Stadt schon im Herbst 2016 den Trinkwasserbezug aufgrund des erhöhten TFA-Gehalts umstellte. Das war mit Kosten in Höhe von 1,5 Millionen Euro verbunden. Foto: vaf
Von Carsten Blaue
Bad Wimpfen/Heidelberg. Das Chemieunternehmen Solvay in Bad Wimpfen lässt derzeit eine Klageschrift der Stadt Heidelberg juristisch prüfen. Das bestätigte jetzt eine Firmensprecherin gegenüber der RNZ. Heidelberg hatte das Unternehmen im vergangenen Dezember beim Landgericht Heilbronn infolge der Einleitung des Salzes Trifluoracetat (TFA) in den Neckar auf Schadensersatz verklagt. Im Oktober 2016 hatte die Stadt den Bezug des TFA-haltigen Trinkwassers vom Erzeuger "Neckargruppe" eingestellt und die Lücke über das Wasserwerk Schwetzinger Hardt des Zweckverbands Wasserversorgung Kurpfalz gefüllt. Von diesem hatte die Stadt schon zuvor einen Teil des Trinkwassers bezogen. Die Umstellung der Wasserversorgung kostete Heidelberg im Ganzen rund 1,5 Millionen Euro, wie ein Stadtsprecher auf RNZ-Anfrage mitteilte. Die Klage fußt seiner Aussage nach auf einem nicht-öffentlichen Beschluss des Gemeinderats vom vergangenen Juli.
Die Solvay-Sprecherin betonte dagegen, dass gesundheitliche Auswirkungen von TFA nicht belegt seien. Zudem habe die Firma zu keinem Zeitpunkt gesetzliche Abwassergrenzwerte oder behördliche Vorgaben überschritten. Die TFA-Einleitung wird durch eine wasserrechtliche Genehmigung des Stuttgarter Regierungspräsidiums gedeckt. Einen Grenzwert des Umweltbundesamtes (UBA) für den TFA-Gehalt im Trinkwasser gibt es noch nicht. Wohl aber einen Gesundheitlichen Orientierungswert sowie einen sogenannten Maßnahmenwert, bei dem Wasserversorger handeln müssen. Beide Werte seien an den Heidelberger Bezugspunkten deutlich überschritten worden, so die Argumentation der Stadt. Daher habe man "im Rahmen der gesundheitlichen Vorsorge" für die Bürger handeln müssen, hieß es schon im vergangenen Oktober.
Die ebenfalls betroffene Doppelgemeinde Edingen-Neckarhausen war beim Wasserbezug über die "Neckargruppe" geblieben und hatte sich der Klage nicht angeschlossen, obwohl es auch hier Mehrkosten gab. Zwar wurde eine geplante Wasserleitung nach Mannheim nicht gebaut. Jedoch waren dafür Planungskosten angefallen. Außerdem blieben die Einnahmen aus Heidelberg aus. Daher musste Edingen-Neckarhausen den Wasserpreis erhöhen. Bürgermeister Simon Michler nannte Heidelbergs juristischen Schritt "nachvollziehbar". Wie es weitergeht, werde man "gespannt verfolgen".
Derweil senkt Solvay die TFA-Einleitung in den Neckar kontinuierlich. Die Konzentration des Salzes, so die Sprecherin, bewege sich weiterhin im Millionstelgramm-Bereich pro Liter. Wann genau das UBA den für dieses Jahr angekündigten Leitwert für TFA festlegen will, wusste sie nicht. Und auch eine RNZ-Anfrage beim UBA selbst lief diese Woche ins Leere. In einer Verbandsversammlung der "Neckargruppe" hieß es im vergangenen Dezember dazu, man warte auf die Ergebnisse einer im Februar angelaufenen Tierversuchsreihe. Bis Mitte 2019 wolle das UBA seine Toxizitätsbewertung zur Auswirkung von TFA auf Zellstrukturen abgeschlossen haben und dann den verbindlichen Leitwert festsetzen.
Das Salz TFA entsteht bei der Herstellung von Trifluoressigsäure, einem Ausgangsstoff für Arznei- und Pflanzenschutzmittel. Im Jahr 2016 hat Solvay die Produktion in Bad Wimpfen eingestellt und in das Werk im französischen Salindres (Département Gard, rund 3500 Einwohner) verlegt.
Im Zusammenhang mit der TFA-Belastung des Neckars soll dieser Schritt nicht stehen. Die Entscheidung für die Verlagerung, so die Sprecherin, sei schon 2015 aus wirtschaftlichen Gründen gefallen. Salindres sei nicht ausgelastet gewesen. Dort habe man erst die technischen Voraussetzungen schaffen müssen.
Trotzdem fällt bei Solvay in Bad Wimpfen auch jetzt noch TFA an, das im Neckar landet. Denn die in Salindres produzierte Trifluoressigsäure wird in Bad Wimpfen für die Herstellung anderer Produkte eingesetzt, wie beispielsweise Trifluoressigsäureanhydrit (TFAH). Auch das wird für Medikamente und Pflanzenschutzmittel verwendet. Um die TFA-Einleitung zu reduzieren, werde Solvay für technische Veränderungen und Produktionsanpassungen in Bad Wimpfen bis März rund 2,6 Millionen Euro investiert haben, so die Unternehmenssprecherin.