Von Willi Berg
Heidelberg. Nachdem der Enkeltrick nicht mehr so gut läuft, versuchen es Ganoven verstärkt mit einer anderen üblen Masche. Sie geben sich am Telefon als Polizisten aus und behaupten, Kriminelle hätten es auf das Vermögen abgesehen. Und sie bieten an, Geld und Wertgegenstände vorübergehend sicher zu verwahren und später wieder zurückzugeben. Vor allem betagte Menschen fallen darauf herein.
Darunter eine 83-Jährige aus Sinsheim, die ihre Ersparnisse von fast 75.000 Euro an vermeintliche Polizisten verloren hat. Die Drahtzieher sitzen vermutlich im Ausland und sind kaum zu fassen. Erwischt werden allenfalls Mittäter in Deutschland.
So wie die drei jungen Männer aus Südhessen, die jetzt vom Heidelberger Landgericht verurteilt worden sind. Die höchste Strafe erhielt ein 24-Jähriger Deutscher mit türkischen Wurzeln. Er wurde wegen gewerbsmäßigen Bandenbetruges in drei Fällen sowie einem Versuch zu vier Jahren und neun Monaten Haft verurteilt. Als "Logistiker" hatte er sogenannte Läufer angeworben und zu den Tatorten gelotst, wo sie die Beute abholten.
Die angeklagten Fälle seien nur "die kleine Spitze eines Eisberges", sagte die Vorsitzende Richterin der Jugendkammer Gisela Kuhn. Kriminelle würden mit dem Polizistentrick Millionen verdienen. Die Dunkelziffer sei hoch, da nicht alle Geschädigte Anzeige erstatten.
Der Grund: "Sie schämen sich bodenlos." Die Opfer seien durchaus "geistig fitte Menschen", stellte sie klar. Dass sie dennoch auf vermeintliche Polizisten hereinfielen, hänge mit der "Obrigkeitshörigkeit" von Senioren zusammen.
Das wissen die raffinierten Täter auszunutzen. Und so suchen sie sich gezielt Senioren als potenzielle Opfer aus. Die würden von "Keilern" angerufen, die in türkischen Callcentern sitzen, sagte Kuhn. Mal heißt es dann, dass ein Einbruch bevorstehe. Oder die Anrufer behaupten, das ersparte Geld sei auf der Bank nicht sicher, da dort ein Betrüger arbeite. Die Opfer würden "in Angst versetzt" und der Druck durch wiederholte Anrufe erhöht. "Bis die Opfer reif sind, die man an der Angel hat", sagte Kuhn.
Auch eine 96-jährige aus Fellbach ist auf diese miese Masche hereingefallen. Die Seniorin erhielt letzten September Anrufe von einem "Hauptkommissar Walter". Der brachte sie dazu, ihren Banktresor auszuräumen.
Darin befanden sich fast sechs Kilo Gold, Schmuck sowie Bargeld im Gesamtwert von über 250.000 Euro. Das Ganze legte sie in eine Tasche und stellte diese vor die Haustür. In dem Irrglauben, die Polizei werde diese abholen. Ein gesondert verfolgter "Läufer" konnte kurz darauf verhaftet und die Beute sichergestellt werden.
Die 83-jährige aus Sinsheim wird ihr Geld dagegen wohl nie wieder bekommen. Auch ihr wurde eingeredet, dass es auf der Bank nicht sicher sei. Sie hob daraufhin ihre Ersparnisse ab. Geschädigt wurde zudem eine 83-Jährige in Sachsen-Anhalt. Vermeintliche Polizisten hatten sie vor Einbrechern gewarnt. Das kam der Frau merkwürdig vor, und sie rief deshalb die echte Polizei an.
Dort habe man jedoch nicht reagiert, sagte die Vorsitzende Richterin. Die Frau legte daraufhin 29.000 Euro vor ihre Tür. Das Geld wurde mitten in der Nacht von den beiden angeklagten "Läufern" abgeholt. Die zwei 18-Jährigen erhielten für diesen Job insgesamt 2500 Euro.
Einer der beiden wurde jetzt zu einer eineinhalbjährigen Jugendstrafe zur Bewährung verurteilt - wegen gewerbsmäßigen Bandenbetruges in zwei Fällen. Sein gleichaltriger Freund wurde wegen einer Beihilfe zum Betrug verwarnt und ein zweiwöchiger Jugendarrest verhängt. Zudem muss er 80 Stunden gemeinnützige Arbeit ableisten.
Der zu fast fünf Jahren verurteilte "Logistiker" bekam für jeden Auftrag 2000 Euro. Den Rest der Beute habe er an die Hinterleute in der Türkei weiter geleitet, sagte die Vorsitzende Richterin.
Die Zahl der Anrufe von angeblichen Polizisten in der Region hat sich von 2016 auf 2017 vervielfacht. In Mannheim, Heidelberg und dem Rhein-Neckar-Kreis verzeichnete die Polizei im vergangenen Jahr über 550 Fälle. Im Jahr zuvor waren es erst 87.