Von Stefan Hagen
Weinheim/Sinsheim. Wird der Hoffnungsschimmer zum Frustverstärker? Am Donnerstag jedenfalls überschlugen sich die Hiobsbotschaften in Bezug auf den Start der Kreisimpfzentren in Weinheim und Sinsheim. Um die Mittagszeit teilte der Rhein-Neckar-Kreis mit, dass man in den ersten Wochen je Impfzentrum lediglich bis zu 80 Impfungen pro Tag durchführen könne. Es stehe einfach nicht mehr Impfstoff zur Verfügung. Am Abend kam es dann noch dicker: Je Kreisimpfzentrum könne man nur rund 150 Impftermine pro Woche ansetzen, meldete Uli Sckerl (Grüne) aus Stuttgart. Der Grund: In Baden-Württemberg würden 42 Prozent weniger Impfstoff ankommen als geplant. Ein perfekter Start sieht anders aus.
Szenenwechsel: "Wir sind ausgebucht", strahlt Christoph Schulze hinter seiner Maske. Der Leiter der beiden Kreisimpfzentren steht am Freitag im Foyer des Impfzentrums in Weinheim und ist die Ruhe selbst. Dass in ein paar Minuten der erste Impfling eintrifft, lässt bei ihm keinerlei Nervosität aufkommen. Zu diesem Zeitpunkt weiß Schulze natürlich, dass der Kreis seine Ankündigung – 80 Impftermine pro Tag – trotz anderslautender Meldungen aus der Landeshauptstadt einhalten kann.
Wie hat man das geschafft? "Dem Landratsamt Rhein-Neckar-Kreis ist es als Betreiber der beiden Kreisimpfzentren in enger Abstimmung und Verzahnung mit dem Zentralen Impfzentrum Heidelberg gelungen, in Weinheim und Sinsheim vorerst bis zu 80 Impfungen pro Tag zu ermöglichen", erläutert Kreissprecher Ralph Adameit nebulös. Aber sei’s drum: 80 Termine am Tag sind allemal besser als 150 in der Woche.
Dass aber auch die 80 Impfungen pro Tag nur ein Tropfen auf den berühmten heißen Stein sind, macht Florian Mader, Pressereferent im baden-württembergischen Sozialministerium, deutlich. "Allein die Personengruppe der Über-80-Jährigen und des medizinischen Personals, die derzeit impfberechtigt sind, macht bei uns im Land rund eine Million Menschen aus. Und derzeit können wir täglich in Baden-Württemberg nur rund 7000 Menschen impfen", betont Mader. Dies seien pro Tag 0,7 Prozent der Impfberechtigten. "Wenn nicht mehr Impfstoff kommt, dauert es also 143 Tage, bis wir auch der letzten anspruchsberechtigten Person ein Angebot machen konnten", schlägt er Alarm.
"Wir in Baden-Württemberg sind immer den Weg der Vernunft gefahren, da es uns ein Anliegen ist, unsere Zusagen an die Bürgerinnen und Bürger auch einhalten zu können", ergänzt der Pressereferent. "Unser Ziel ist es immer gewesen, verlässlich zu sein und keine falschen Versprechungen zu machen." Deshalb würden erst Termine vergeben, wenn der Impfstoff tatsächlich im Land eingetroffen sei. Und vor allem halte man bei allen Lieferungen die Dosis für die Zweitimpfung zurück.
Vor der Eingangstür zum Weinheimer Impfzentrum hat derweil der Sicherheitsdienst zwei Senioren aufgehalten, die Einlass begehren. Es kommt noch eine Mitarbeiterin des Impfzentrums hinzu. Nach längerer Diskussion ziehen die beiden unverrichteter Dinge wieder von dannen. Sie hatten wohl keine schriftliche Bestätigung des Impftermins dabei, die nun mal die Eintrittskarte ins Innere des Impfzentrums ist.
Wenig später tauchen zwei Polizeibeamte auf. Sie wollten nur mal kurz nach dem Rechten sehen, lassen sie Impfzentrumsleiter Schulze wissen. Für den Fall der Fälle bietet das Weinheimer Revier schnelle Hilfe an. Draußen stehen – ganz brav mit Abstand – ein paar Soldaten, die den Rhein-Neckar-Kreis auch in den Impfzentren unterstützen. Sie rauchen und wirken ganz entspannt.
Ansonsten herrscht auf dem Parkplatz des riesigen Drei-Glocken-Centers, in dessen Erdgeschoss sich das Impfzentrum befindet, nur wenig Betrieb. Dann betritt um 14.11 Uhr der erste Impfling das Gebäude. Am Abend zieht der Rhein-Neckar-Kreis in einer Mitteilung eine Bilanz des ersten Impftages, aus der die RNZ zitieren muss. Eine Anfrage, mit der Bitte direkt aus dem Impfzentrum berichten zu können, wurde mit Verweis "auf den laufenden Betrieb" abgelehnt. Laut Mitteilung sei man mit dem Start in beiden Kreisimpfzentren "sehr zufrieden".
"Es gab aus unserer Sicht keine größeren Probleme, was die Abläufe betrifft. Diese konnten wir ja im Vorfeld schon simulieren und von unseren Erfahrungen als Betreiber des Zentralen Impfzentrums in Heidelberg profitieren", wird Gesundheitsdezernentin Doreen Kuss zitiert.
"Wir bedauern die Schwierigkeiten für impfberechtigte Personen, zeitnah einen Termin zu bekommen", betont die Gesundheitsdezernentin. Man könnte in den Impfzentren in Weinheim, Sinsheim und Heidelberg bei voller Auslastung zusammen bis zu 3000 Menschen pro Tag impfen. Das Problem sei nach wie vor die Verfügbarkeit des Impfstoffs, so dass deutlich weniger Termine als möglich zur Verfügung stehen. In den Impfzentren komme derzeit ausschließlich der Impfstoff der Firmen Biontech/Pfizer zum Einsatz, ergänzt Kuss. Das zweite zugelassene Vakzin der Firma Moderna werde aufgrund der einfacheren Handhabung derzeit ausschließlich von den Mobilen Impfteams eingesetzt.
Update: Freitag, 22. Januar 2021, 22 Uhr
Impfungen in Kreisimpfzentren haben begonnen
Weinheim/Sinsheim. (RNZ) Die Impfungen in den Kreisimpfzentren in Weinheim und Sinsheim haben begonnen. Das berichtet das Landratsamt.
Der Kreis ist mit dem Start demnach zufrieden. Es habe so keine größeren Probleme, was die Abläufe betrifft, gegeben. Diese seien im Vorfeld schon simuliert worden. "Von unseren Erfahrungen als Betreiber des Zentralen Impfzentrums in Heidelberg haben wir profitiert", zieht die Gesundheitsdezernentin Doreen Kuss ein positives Fazit des Starts der Impfkampagne in den KIZ in Weinheim und Sinsheim.
Weil der Impfstoff momentan nach wie vor ein knappes Gut ist, können vorerst jeweils nur bis zu 80 Impfungen pro Tag in jedem der beiden KIZ stattfinden. Die Betriebszeiten der Kreisimpfzentren Sinsheim und Weinheim sind wie folgt: Montag/Mittwoch/Freitag von 13.30 bis 22 Uhr, Dienstag/Donnerstag/Samstag/Sonntag von 6 bis 14.30 Uhr. Das Zentrale Impfzentrum (ZIZ) in Heidelberg ist täglich von 6 bis 22 Uhr in Betrieb. In allen drei Impfzentren, die das Landratsamt Rhein-Neckar-Kreis betreibt, kommt derzeit übrigens der Impfstoff der Firmen Biontech/Pfizer zum Einsatz. Das zweite zugelassene Vakzin der Firma Moderna wird aufgrund der einfacheren Handhabung derzeit ausschließlich in den mobilen Impfteams (MIT) eingesetzt.
Landratsamt und Stadtverwaltungen können keine Termine vergeben
Das Landratsamt des Rhein-Neckar-Kreises weiß um die Problematik, dass die jeweils eingestellten Impftermine schnell vergeben sind. "Wir bedauern die Schwierigkeiten für impfberechtigte Personen, zeitnah einen Termin zu bekommen", sagt Dezernentin Kuss. Man könnte in allen drei Impfzentren zusammen bei voller Auslastung bis zu 3000 Menschen pro Tag impfen. Das Problem sei nach wie vor die Verfügbarkeit des Impfstoffs, sodass deutlich weniger Termine als möglich zur Verfügung stehen. Apropos: Weder das Landratsamt noch die Stadtverwaltungen können selbst Termine vergeben, betont Kuss: "In Baden-Württemberg erfolgt die Anmeldung zur Coronaschutzimpfung ausschließlich online über www.impfterminservice.de oder über die Hotline unter der Nummer 116117". Bei diesen beiden zentralen Anlaufstellen werden gleichzeitig die Termine für die Erst- und Zweitimpfung vergeben.
Update: Freitag, 22. Januar 2021, 17 Uhr
Die Impfzentren sind startklar
Von Stefan Hagen
In der Registrierkabine werden im Vorfeld der Impfung die Formalitäten erledigt. Foto: KreutzerWeinheim/Sinsheim. Durch den Eingangsbereich des Weinheimer Drei-Glocken-Centers hallt blecherne Musik – die Geräuschkulisse klingt wie ein letzter Gruß vom Supermarkt, der hier vor gar nicht allzulanger Zeit noch Kunden angelockt hat. Dann kündigte der Betreiber den Vertrag, und seither steht der ebenerdige Bereich dieses riesigen Gebäudekomplexes leer.
Was sich in Corona-Zeiten nun aber als eine Art Glücksfall für den Rhein-Neckar-Kreis erweist, der jetzt an diesem strategisch günstig gelegenen Standort – in Fußnähe befindet sich unter anderem der Hauptbahnhof – eines von zwei Kreisimpfzentren betreiben wird. Die Vorbereitungen sind abgeschlossen, ab dem 22. Januar soll hier mit den Impfungen begonnen werden.
Im großzügig angelegten Wartebereich wird der Abstandsregelung Rechnung getragen. Foto: Kreutzer"Wir sind startklar", hatte Landrat Stefan Dallinger bereits am Mittwoch im Kreisimpfzentrum in Sinsheim betont. In Weinheim lässt er sich am Donnerstag auch von der penetranten Hintergrundmusik nicht stören. "Lassen Sie sich impfen", appelliert der CDU-Politiker im Vorgriff auf die kommenden Monate. "Nur so können wir unser altes Leben zurückbringen." Er würde sich jedenfalls sofort impfen lassen, wenn seine Altersgruppe an der Reihe sei. "Das gilt auch für mich", ergänzt Weinheims Oberbürgermeister Manuel Just. Auch wenn er wegen des Alters wohl erst einige Zeit später dran wäre. Ein einsamer Scherz an einem ansonsten ernsten Tag.
Wenn endlich genügend Impfstoff zur Verfügung steht, sollen in Weinheim am Tag bis zu 1000 Menschen geimpft werden, erläutert Gesundheitsdezernentin Doreen Kuss. "Am Anfang werden es aber zunächst deutlich weniger sein", lässt sie erst gar keine Euphorie aufkommen.
Wie ein solcher Impftermin abläuft, demonstrieren Mitarbeiter des Kreisimpfzentrums, die sich als Statisten zur Verfügung gestellt haben. Die einzelnen Schritte erläutert Christoph Schulze, der die Leitung der beiden Kreisimpfzentren in Weinheim und Sinsheim übernimmt.
Im Aufklärungsraum wird unter anderem ein Informationsvideo gezeigt. Foto: Kreutzer> Die Registrierung: Am Eingang zum Impfzentrum wird erst einmal überprüft, ob der Besucher überhaupt einen Termin vereinbart hat und ob eine Impfberechtigung der betreffenden Person vorliegt.
> Die Registrierkabine: Sind die "Zulassungsformalitäten" erledigt, geht es weiter in die Registrierkabine. Hier werden die Daten der sogenannten Impflinge erfasst. "Die Person wird hier in unser System übernommen", erläutert Schulze. Dabei werde eine digitale Impfmappe angelegt, in der alle Vorgänge – also auch die zweite Impfung eingetragen werden.
> Der Gruppen-Aufklärungsraum: Hier werden sechs bis acht Personen - die Abstände bleiben gewahrt – über die Schutzimpfung aufgeklärt. Im Mittelpunkt steht dabei ein kurzes Informationsvideo.
> Die Einzelaufklärung: Weiter geht es dann in eine Einzelkabine zu einem Arzt. Hier werden unter anderem der Aufklärungsbogen unterschrieben und das Einverständnis zur Impfung gegeben. Pro Schicht – geimpft wird in zwei Schichten – sind bis zu zehn Ärzte anwesend, erläutert Christoph Schulze.
> Die Impfkabine: Dann wird es ernst: In der Impfkabine wird dem Impfling jetzt von medizinischem Fachpersonal der Impfstoff gespritzt. Der Vorgang wird sowohl in die digitale Impfmappe als auch in den Impfpass eingetragen.
> Der Wartebereich: Ist die Impfung überstanden, geht es in den großzügig angelegten Wartebereich. "Hier bleibt der Geimpfte zehn bis 15 Minuten unter Beobachtung, um auf eventuelle Reaktionen des Körpers auf die Impfung reagieren zu können", sagt Schulze. Für den Fall der Fälle stehe ein Sanitätsbereich bereit. Für den gesamten Vorgang von der Registrierung bis zum Verlassen des Impfzentrums setzt Schulze rund eine Stunde an.
Abschließend stellt er klar, dass es keinen Sinn mache, sich einen Termin zu sichern, wenn man keiner priorisierten Gruppe angehöre. "Die Impfberechtigung wird genau geprüft, und wenn sie nicht vorliegt, wird die Person auch nicht geimpft."
Info: Impftermine an den Kreisimpfzentren in Weinheim und Sinsheim sind ab dem 19. Januar ausschließlich im Internet über die Adresse www.impfterminservice.de oder telefonisch unter der Nummer 116.117 buchbar.