Die sechsjährige Ciara wird vom Verein "FortSchritt" nach der Petö-Methode gefördert. Darüber freuen sich Vorsitzende Susanne Huber (l.) und Konduktorin Andrea Normantas. Foto: Lerche
Von Sebastian Lerche
St. Leon-Rot/Hockenheim. "Im März habe ich krabbeln gelernt", erzählt Ciara. "Pünktlich zu ihrem sechsten Geburtstag", ergänzt ihre Mutter, Anja Sandrini: "Das hätten die Ärzte nie für möglich gehalten." Ciara war ein Frühchen, elf Wochen vor der Zeit auf der Welt, wie ihre Mutter erzählt. Sauerstoffmangel hat eine Woche nach der Geburt im motorischen Zentrum von Ciaras Gehirn einen Schaden verursacht, der zu einer Bewegungsstörung geführt hat. "Das Höchste, was die Ärzte ihr zugetraut haben, war, mal einen E-Rollstuhl zu steuern." Inzwischen kann Ciara mit Hilfe eines Rollators gehen.
Hauptsächlich ist diese beeindruckende Entwicklung der Petö-Förderung durch den Verein "FortSchritt" in St. Leon-Rot zu verdanken. "Ich bin hier, um Laufen zu lernen", bringt Ciara es auf den Punkt. Seit zwei Jahren, seit die Familie nach Hockenheim gezogen ist, widmet sich das "FortSchritt"-Team um die Vorsitzende Susanne Huber mit Geduld und Hingabe ihr und derzeit rund 100 anderen Kindern und Jugendlichen mit zerebralen Bewegungsstörungen, aber auch Menschen mit Multipler Sklerose, Schlaganfall oder Querschnittslähmungen. Die vom ungarischen Arzt András Petö entwickelte konduktive Förderung betrachtet den Menschen ganzheitlich. Sie vereint gewissermaßen Krankengymnastik, Physiotherapie, Ergotherapie und Logopädie, geht aber in der Zuwendung zum Schützling und in der Einbindung der Förderung in den Familien-Alltag viel weiter.
Bei den Kindern geschieht die Förderung ganz spielerisch, "idealerweise merken sie nicht, dass sie gefördert werden", erklärt "FortSchritt"-Konduktorin Andrea Normantas. Sie und ihre Kollegin Agnes Kovacs haben beide vier Jahre am Petö-Institut für Bewegungstherapie in Budapest studiert.
Gemäß dem Vereins-Motto "Auf eigenen Füßen stehen" geht es um das Erlernen motorischer Grundfähigkeiten wie sitzen und gehen. Sprechen, Lesen, Schreiben und Rechnen gehören zur Förderung bei "FortSchritt" dazu, wichtig für die Entlastung der Familie ist zudem das Einüben von selbstständigem Essen, Ankleiden oder der täglichen Hygiene.
Für die Eltern gibt es Tipps beispielsweise zur Umgestaltung der Wohnung oder bei der Auswahl einer Gehhilfe. "FortSchritt" startete vor rund 17 Jahren als Elterninitiative, für Susanne Huber begann es mit ihrem heute 25-jährigen Sohn, der inzwischen sehr eigenständig ist und auch den Führerschein gemacht hat.
Insgesamt über 200 Kinder und Jugendliche wurden bisher in St. Leon-Rot gefördert, aktuell betreut der Verein 100 Personen im Alter zwischen zwei und 24 Jahren aus der Metropolregion und darüber hinaus. Grundsätzlich, erklärt Susanne Huber, ist eine Petö-Förderung schon bei Kleinkindern "und bis ins hohe Alter" möglich.
Doch "trotz umfangreicher positiver Studien", so Huber, wird die Petö-Förderung nicht von Krankenkassen übernommen. Der Verein ist auf Spenden angewiesen, um die Beiträge niedrig zu halten und Petö-Förderung "für jeden Geldbeutel" anbieten zu können. Auch dank der Unterstützung der Dietmar Hopp Stiftung hat der Verein jetzt seinen Sitz im Obergeschoss des Frauenförderzentrums von "Anpfiff ins Leben" in der Kronauer Straße 118a in St. Leon-Rot.
Info: www.fortschritt-slr.de.