RNZ-Corona-Podcast - Folge 1

"In einigen Fällen eine Besserung"

Der Heidelberger Chef-Virologe Hans-Georg Kräusslich koordiniert den Kampf gegen Corona. Malaria-Prophylaxe hilft. Bis zum Impfstoff dauert es wohl noch ein Jahr.

27.03.2020 UPDATE: 28.03.2020 06:00 Uhr 2 Minuten, 56 Sekunden
Unser Gesprächspartner ist der Dekan der Medizinischen Fakultät Heidelberg und Virologe Hans-Georg Kräusslich. Foto: RNZ

Von Klaus Welzel

Heidelberg. Hans-Georg Kräusslich ist seit letztem Oktober der Dekan der Medizinischen Fakultät am Universitätsklinikum Heidelberg. Kräusslich leitet zudem das Institut für Virologie am Uniklinikum und gehört dem Vorstand der Taskforce Sars-CoV-2/Covid 19" an.

Hintergrund
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Professor Kräusslich, wie geht es Ihnen in der dritten Woche der Corona-Pandemie?

Mir persönlich geht es gut, ich bin gesund. Es ist natürlich sehr intensiv, arbeitsam, weil Vieles parallel zu organisieren ist.

Sie sind zum einen Chef-Virologe, zum anderen Dekan der Medizinischen Fakultät - gibt es am Klinikum eigentlich noch ein anderes Thema außer Sars-CoV-2?

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Natürlich. Es gibt ja eine Vielzahl kranker, auch schwerkranker Patienten, die behandelt werden müssen, das übernehmen wir auch alles. Aber selbstverständlich ist alles im Bereich Gremiensitzungen, Berufungsverfahren und Studierendenunterricht weitgehend heruntergefahren worden.

Das Klinikum ist bezüglich der Bettenauslastung durch Corona-Patienten noch nicht ausgelastet - am Wochenende wurden in der Thorax-Klinik drei Patienten aus dem Elsass aufgenommen -, wann rechnen Sie mit dem goßen Ansturm an Corona-Patienten?

Die Zahl derer, die eine intensive Behandlung benötigen, nimmt in den letzten Tagen zu, so haben wir auch am Donnerstag deutlich mehr Patienten aufgenommen, als am Tag zuvor - das ist der Trend eines Tages, insofern muss man das über einen längeren Zeitraum hinweg beobachten, wie es sich entwickelt. Ich denke, wir sehen im Moment den Beginn des Anstiegs, wie stark der Verlauf ansteigen wird, ist schwer vorhersehbar.

Ein ernsthaft an Covid-19 erkrankter Patient benötigt ungefähr für drei bis sieben Tage ein Beatmungsgerät. Wie lange bleibt denn so ein Patient insgesamt am Klinikum?

Das ist natürlich sehr unterschiedlich. Wir haben am Donnerstag zum Beispiel vier Patienten entlassen können, die sich wieder erholt hatten. Wir haben umgekehrt Patienten aufgenommen, deren Laborwerte sich verschlechtert hatten, wenn wir die jetzt zeitnah behandeln, können wir einen schlechteren Verlauf hoffentlich auch abmildern und sie vielleicht wieder zeitnah entlassen. Es gibt aber auch Patienten, die - wie bei allen anderen Krankheiten auch - über mehrere Wochen dableiben müssen; insofern ist es individuell sehr unterschiedlich.

Anfang der Woche wurde bekannt, dass ein Malaria-Prophylaxe-Mittel die Heilung vorantreiben kann. Arbeiten Sie am Klinikum mit diesem Mittel?

Es handelt sich um Chloroquin, das früher in der Malaria-Prophylaxe, aber auch in der Malaria-Behandlung eingesetzt wurde. Auch bei uns werden bereits seit Beginn der letzten Woche Patienten mit Chloroquin behandelt. Wir sehen in einigen Fällen danach eine Besserung, es ist aber schwierig, ohne größere Studien dazu zu beurteilen, ob der Patient wegen dieses Medikaments gesundet, oder auch wegen anderer Faktoren. Die kurze Antwort ist: Ja, Chloroquin wird auch bei uns eingesetzt.

Und auch erfolgreich?

Ja, wir sehen, dass sich bei einigen Patienten die Situation verbessert hat. Ich bin aber immer etwas zögerlich, die Therapie ausschließlich auf den Einsatz des Medikaments zurückzuführen. Wir sehen aber bei mehreren Patienten eine Verbesserung, deshalb gehen wir davon aus, dass es hilft.

Laut neuesten Erkenntnissen schadet neben dem Rauchen auch die Feinstaubbelastung, wie sie gerade in Norditalien weit verbreitet ist. Halten Sie es für möglich, dass deshalb so viele Menschen in Norditalien an dem Virus sterben?

Für möglich halte ich es, sicher beurteilen kann ich es nicht. Dazu müsste ich die Faktenlage und Datenbasis genauer kennen. Dass Schäden an der Lunge ein großer Nachteil sind im Falle einer Lungenerkrankung, das leuchtet ja jedem ein. Wie groß aber der Einfluss der einzelnen Parameter, wie eben Feinstaubbelastung oder auch Asthma ist, scheint mir zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht eindeutig geklärt.

Ab welchem Zeitpunkt rechnen Sie mit einem Impfstoff, der auch flächendeckend eingesetzt werden kann?

Wenn alles erfolgreich verläuft und die in den Medien verlauteten Ankündigungen, wonach bereits in diesem Frühjahr klinische Studien beginnen, stimmen, dann würde ich schätzen, dass wir in einem Jahr flächendeckend einen Impfstoff zu Verfügung haben könnten. Es kann sein, dass beschleunigte Zulassungsverfahren oder besonders schnelle Forschungsfortschritte, eine Zulassung früher möglich machen, aber dass man schon zum Winter 20/21 mit einem Impfstoff rechnen kann, das halte ich für deutlich verführt.

Noch ein Tipp, was kann der Einzelne tun, um sich und andere zu schützen?

Ich kann mich an die Schutzmaßnahmen halten – das klingt ein bisschen trivial ist aber nicht trivial. Als die ersten Verordnungen in Kraft traten, habe ich selbst am Neckar, hier in Heidelberg, wo ich wohne, Menschen gesehen, die in großen Gruppen und dicht beieinander saßen. Das sollte man aber ernst nehmen, hier Abstand zu halten und eben nur zu zweit. Schutzmasken sind insofern sinnvoll, dass man, wenn man infiziert ist, aber nur leichte oder keine Symptome zeigt, andere schützt. Generell werden Schutzmasken dann besonders wichtig werden, wenn man mit einer graduellen Lockerung der Kontaktsperren beginnen wird.