Bei der Kreistagssitzung in Ketsch wurde im Juli der Sicherheitsabstand zwischen den Kreisräten gewahrt. Foto: Kreutzer
Von Stefan Hagen
Rhein-Neckar. "Bitte bleiben Sie zuhause und vermeiden Sie Kontakte, wo es möglich ist." So wird Landrat Stefan Dallinger in einem gemeinsamen Appell mit Heidelbergs Oberbürgermeister Eckart Würzner und dem Vorstandsvorsitzenden des Universitätsklinikums Heidelberg, Ingo Autenrieth, zitiert. "Die Lage ist ernst. Insbesondere der starke Anstieg der Fall- und Opferzahlen zeigt uns, dass wir dringend reagieren müssen", schreibt der Landrat.
Jetzt wird Dallinger seinen Worten Taten folgen lassen müssen. Denn am Dienstag, 15. Dezember, steht eine Sitzung des Kreistags des Rhein-Neckar-Kreises auf der politischen Tagesordnung. Dann würden mit Kreisräten, dem Landrat und seinen Verwaltungskollegen sowie den Amtsleitern rund 130 Personen in die Dr.-Sieber-Halle nach Sinsheim reisen – was sich mit Dallingers Appell natürlich überhaupt nicht vereinbaren lässt. Was nun?
Klar ist, dass die Kreistagssitzung nicht einfach abgesagt werden kann – schließlich sind wichtige politische Entscheidungen zu treffen. So soll unter anderem der Haushalt für das Jahr 2021 mit einem Gesamtvolumen von immerhin 722,8 Millionen Euro verabschiedet werden. Und – das kommt erschwerend hinzu – es gibt keine Möglichkeit, das ganze Prozedere digital abzuwickeln. Das ist in der Hauptsatzung des Landkreises nicht vorgesehen, was natürlich auch der Landrat weiß.
"Wir sind uns der Auswirkungen der verschärften Lage auch auf die politische Gremienarbeit durchaus bewusst", sagt Dallinger auf Anfrage der RNZ. "Wir stehen aktuell in enger Abstimmung mit den Fraktionen, um eine alternative Lösung für die Durchführung der Kreistagssitzung herbeizuführen, die technisch und vor allem rechtlich umsetzbar ist", ergänzt der CDU-Politiker. Er gehe davon aus, dass man bis spätestens kommenden Montag, 12 Uhr, eine Entscheidung herbeiführen könne, ob und in welcher Form die Kreistagssitzung durchgeführt werde.
Davon hat Ralf Frühwirt, Fraktionsvorsitzender der Grünen, in einem Schreiben an den Landrat bereits eine konkrete Vorstellung. "Wir haben uns entschieden, in der nächsten Woche mit einer stark reduzierten Fraktion zur Sitzung zu kommen. Acht bis neun unserer Fraktionsmitglieder werden aufgrund der Corona-Lage nicht teilnehmen", betont der Grüne. Das ist knapp mehr als die Hälfte der Fraktion, damit die Grünen beschlussfähig bleiben.
Sympathie für diesen Vorschlag bekunden CDU, SPD und FDP. Bruno Sauerzapf, Fraktionsvorsitzender der Christdemokraten, wird dieses Vorgehen seinen Parteifreunden in der abschließenden Fraktionssitzung am Samstag vorschlagen. Für Ralf Göck, Fraktionschef der Sozialdemokraten, ist eine Reduzierung der anwesenden Kreisräte eine sinnvolle Corona-Schutzmaßnahme. "Um die 130 Leute in der Halle wären viel zu viele", betont Göck.
"Die halbe Besetzung muss reichen", stößt Claudia Felden, Fraktionschefin der Liberalen, ins gleiche Horn. Es werde schließlich keine Entscheidung getroffen, bei der es auf jede Stimme ankomme.
"Die Hälfte der Mitglieder des Kreistages gehört einer Risikogruppe an. Wir sind alle für deren Gesundheit verantwortlich und sollten auch danach handeln", macht Hans Zellner, Vorsitzender der Fraktion der Freien Wähler, deutlich, dass am Dienstag an eine normale Sitzung nicht zu denken ist. Er regt deshalb an, dass es keine Redebeiträge geben sollte, um die Sitzung nicht unnötig in die Länge zu ziehen.
Nach RNZ-Informationen ist Landrat Dallinger von dem Vorschlag, die Anzahl der Kreisräte zu reduzieren, ebenfalls angetan. Es wird wohl darauf hinauslaufen, dass von 101 Kreisräten 59 an der Sitzung teilnehmen werden. "So etwas habe ich in 47 Jahren als Kreisrat noch nicht erlebt", sagt Bruno Sauerzapf.