Gastronomen in Not: Auch in Heidelberg wird um Gäste geworben, die derzeit nur eingeschränkt Platz nehmen dürfen. Foto: dpa
Von Benjamin Auber
Heidelberg. Ein saftiges Steak in einem urigen Lokal oder eine vegetarische Bowl in einem entspannten Ambiente genießen – das war für zwei Monate durch die Corona-Pandemie nicht möglich. Nach den Lockerungen und Auflagen füllen sich die Gaststätten nur langsam wieder. Obwohl es pfiffige Lieferkonzepte gibt, ist der Ausfall für die Gastronomen beträchtlich und nicht alleine durch Soforthilfemaßnahmen zu decken. Massenhaftes Gastrosterben ist zu befürchten.
Wohl dem, der eine sogenannte Betriebsschließungsversicherung abgeschlossen hat, und diese hat – in unterschiedlicher Ausprägung – ein erheblicher Teil der Gastronomen. Viele Versicherer, wie die Gothaer, Ergo oder Signal-Iduna stellen sich derzeit aber quer, bieten aus Kulanz maximal an, 15 Prozent des Ausfalls zahlen. Dieser Deal war auf Initiative der Bayerischen Landesregierung zunächst vom Versicherungsriesen Allianz, der Versicherungskammer Bayern und der Haftpflichtkasse Darmstadt entwickelt worden.
"Vor einer zu schnellen Annahme warnen wir. Die Versicherer haben die Pflicht, die volle Leistung zu zahlen. Solche Kulanzangebote halten wir für fragwürdig", sagt der Neckargemünder Rechtsanwalt Patrick Keinert vom Projekt "coronafallschirm.de". Die Initiative, die derzeit schon einige Fälle betreut, bietet verzweifelten Hoteliers und Gastronomen Hilfe an, und prüft kostenfrei, wie die Erfolgsaussichten für eine Klage sind.
Versicherer beziehen sich darauf, dass das Coronavirus in den Betriebsschließungspolicen nicht explizit erwähnt sei. Viele enthalten Listen von Erkrankungen, die abgedeckt sind. Rechtsanwalt Alexander Zolda aus Düsseldorf, der ebenfalls am Coronafallschirm mitwirkt und Experte für Fluggastrechte ist, vertritt jedoch die Ansicht, dass "Listen oft nur als Beispiele anzusehen" sind und ein Ausschluss einzelner Krankheiten "nicht zulässig" sei. Auch ein Gutachten von Walter Seitz, ehemaliger Richter am Münchner Oberlandesgericht, kommt zu dem Schluss, "dass der Anspruch wegen der Untersagung der Öffnung von Gaststätten grundsätzlich uneingeschränkt besteht".
Ein erstes Urteil des Landgerichts Mannheim bestätigt bereits, dass es nicht darauf ankommt, ob der Covid-19-Erreger namentlich in den Versicherungsbedingungen genannt sei, betont das Gericht. Beide Parteien hätten die aktuellen Ereignisse nicht voraussehen können. Solche Klauseln dürften nicht einseitig zu Lasten des Versicherungsnehmers ausgelegt werden. Der Hotel- und Gaststättenverband Baden-Württemberg empfiehlt deshalb seinen Mitgliedern sich nicht abspeisen und die Ablehnungen oder Kulanzangebote der Versicherer fachkundig prüfen zu lassen.
Allerdings, so räumt auch Rechtsanwalt Keinert ein, könnten sich die Verfahren ähnlich wie im VW-Dieselskandal hinziehen. "Die Versicherer spielen auf Zeit, denn viele Gastronomen stehen mit dem Rücken zur Wand", so Keinert. Für die Erfolgsaussichten würde es sich aber lohnen, durchzuhalten. Denn auch ein späterer Vergleich "mag deutlich über den angebotenen 15 Prozent liegen". Die Versicherer haben es jetzt in der Hand, Gastronomen mehr unter die Arme zu greifen – sonst droht im Herbst eine Klagewelle.