Das waren noch Zeiten: ein Teilnehmer der „Heidelberg Historic“ im Jahr 2014. Foto: vaf
Rhein-Neckar. (hab) Oldtimer sind nicht für den Alltagsverkehr gedacht. Laut einer Verordnung zum sogenannten Oldtimerkennzeichen (H-Kennzeichen) dienen sie vielmehr der "Pflege des kraftfahrzeugtechnischen Kulturguts". Viele Besitzer nehmen diesen Auftrag des Gesetzes durchaus ernst und hegen und pflegen ihr "Heiligs Blechle". Doch seit mindestens zehn Jahren nimmt die Zahl der beantragten und genehmigten H-Kennzeichen drastisch zu. Allein im Rhein-Neckar-Kreis stieg sie von 2867 im Jahr 2015 auf 3370 im Jahr 2017. In Deutschland überschritt die Zahl der Oldtimer-Kennzeichen laut ADAC im Jahr 2016 erstmals die Marke von 400.000.
Immerhin sind mit der Zuteilung eines H-Kennzeichens auch erhebliche Vorteile verbunden. Da ist zum einen die gewährte Steuererleichterung. Eine pauschale Jahressteuer von 191,73 Euro ist gerade bei größeren Motortypen eine spürbare finanzielle Erleichterung für die Besitzer. Hinzu kommt, dass für Oldtimer mit H-Kennzeichen die Einfahrverbote für Umweltzonen in Städten nicht gelten. Seit das H-Kennzeichen in Deutschland im Jahr 1997 eingeführt wurde, müssen Kfz-Gutachter im Vorfeld oder spätestens bei der alle zwei Jahre fälligen Hauptuntersuchung dem Alt-Auto seine Oldtimertauglichkeit bestätigen. Diese umfasst neben der technischen Mängelfreiheit auch einen guten Erhaltungs- und Pflegezustand.
Nicht historische Ergänzungen können dazu führen, dass das H-Kennzeichen verweigert werden kann. Einer, der zunehmend die Lust am Oldtimer-Hobby verliert, ist der Alfa-Sammler Jörg Watzinger aus Schwetzingen. "Seit gut zwei Jahren scheinen die Gutachter viel strengere Kriterien anzuwenden, was den Erhaltungszustand angeht", berichtet er. Jede Delle müsse raus und der Lack aussehen wie frisch aus dem Laden. "Ich finde, ein altes Auto darf auch eine Alterspatina aufweisen", betont Watzinger. Natürlich sollten die Oldtimer heruntergekommen sein. Aber: "Ein ausgetauschtes Ansaugrohr unter der Motorhaube, wo kein Mensch hinschaut, hat nichts mit Kulturverlust zu tun", meint Watzinger.
Der Mitnahmeeffekt bei einigen Autofahrern sei nicht von der Hand zu weisen. "Da gibt es bestimmt welche, die so denken. Aber mit der strengeren Handhabung trifft man auch die ehrlich begeisterten Oldtimerfans", sagt der Sammler. Das Magazin "Spiegel" hatte über derartige "Bordsteinfunde" berichtet, die das H-Kennzeichen erhalten hatten, und gemutmaßt, dass sich Eigentümer alter Rostlauben mit dem Oldtimerkennzeichen einige Vorteile verschaffen wollten. Um die Szene von solchen Vorwürfen zu befreien, sind die Richtlinien verschärft worden. Seither gelten Lackverfärbungen oder Polsterrisse, ganz zu schweigen von Unterrostungen, als Beanstandungsgründe. "Einen Riss in der Polsterung als Ablehnungsgrund anzuführen, halte ich aber eher für hanebüchen", sagt der regionale Oldtimer-Experte Kuno Hug. "Aber das ist sicher auch eine Sache, die man von Fall zu Fall bewerten muss."
Doch der Schwetzinger Alfa-Fan Jörg Watzinger findet, es sei generell schwieriger geworden. Die Vorgaben für die Erteilung eines H-Kennzeichens seien eher vage gefasst. Die Entscheidung, was noch eine "leichte Patina" ist oder als "zeitgemäß" betrachtet wird, ist deshalb eher subjektiv. "Seit zwei Jahren kommt die federführend durch den TÜV Süd erarbeitete Arbeitsanweisung für die Begutachtung von Oldtimern zum Einsatz", erklärt Markus Tappert, Leiter der dort angesiedelten Service Line Classic.
Darin sind auch Begriffe wie "Patina" und "zeitgemäß" definiert. "Wir vom TÜV Süd sind durch die Schulung unserer Mitarbeiter bemüht, einheitliche Standards in der Bewertung zu erreichen. Das ist bei uns ein ständiges Weiterbildungsthema", so Tappert.