Besonders wichtig für den Waren- und Güterverkehr im Alpen-Rhein-Korridor: der Mannheimer Güterbahnhof. Foto: Gerold
Von Carsten Blaue
Mannheim/Karlsruhe.Die Deutsche Bahn (DB) will ihr Schienennetz zwischen Mannheim und Karlsruhe ausbauen und sucht dafür in der gesamten Rheinebene nach einer Route, in der eine zweigleisige Trasse verlaufen kann. Im vergangenen November hat die DB den Startschuss für das Projekt gegeben, das eingebettet ist in die europäische Güter- und Waren-Magistrale zwischen Genua und Rotterdam. Jetzt nahm das "Dialogforum" seine Arbeit auf. Das beratende Gremium flankiert die Suche nach der Strecke und soll gegenläufige Interessen abwägen und ausgleichen. Keine leichte Aufgabe also.
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Denn einerseits muss die neue Bahnlinie die jetzigen Kapazitätsgrenzen überwinden und in Sachen Linienführung und Tempo so leistungsstark sein, dass die Region als Wirtschaftsraum in Europa nicht abgekoppelt wird. Andererseits suchen die Trassenplaner nach einer Lösung in einem dicht besiedelten Gebiet, dessen Bürger schon heute unter Bahn-Lärm leiden. Zum Beispiel in Hockenheim und Schwetzingen. Und dann sind da noch der Natur- und der Artenschutz, die Ausschlusskriterien sein dürften für so manche Ideallinie.
Das Dialogforum soll dazu beitragen, dass der Planungsprozess transparent ist und alle Interessen an einen Tisch gebracht sowie ausgewogen berücksichtigt werden – mit dem Ziel, eine Trasse zu finden, die geeignet, finanzierbar und genehmigungsfähig ist und von der DB weiterverfolgt werden kann. Diese Ziele schlagen sich schon im Teilnehmerkreis nieder. Mit dabei sind neben der DB und Vertretern der Verkehrsministerien von Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg auch die Kommunen, Abgeordnete, Regionalverbände, Fahrgast-, Verkehrs- und Wirtschaftsverbände, Kammern, Umwelt- und Naturschutzverbände sowie Vereine und Bürgerinitiativen. In ihrer ersten Online-Sitzung am Freitag haben sie sich Ziele gegeben und ihre Arbeitsweise besprochen. Das "Dialogforum", das jährlich zwei bis vier Mal tagen soll, hat quasi eine Vereinbarung formuliert, wie es arbeiten will. In der nächsten Sitzung im März soll diese verabschiedet werden.
Außerdem hat die DB in der konstituierenden Sitzung den Sachstand zur Strecke Mannheim-Karlsruhe erläutert, die Bestandteil des – Achtung, langes Wort – "Bundesschienenwegeausbaugesetzes" ist. Ob sie eine reine Neubaustrecke werden soll oder ob bestehende Routen ausgebaut werden, ist noch völlig offen. Möglich ist wohl beides. Ebenfalls noch nicht entschieden ist die Frage, ob hier künftig auch Personenzüge fahren sollen oder nur der Güterverkehr.
Aktuell reicht der Suchraum des Bahnprojekts vom Mannheimer Stadtteil Waldhof und dem Rangierbahnhof im Norden bis zum Güterbahnhof von Karlsruhe im Süden, flankiert vom Kraichgau im Osten und dem Pfälzerwald im Westen. Ein weites Feld, in dem nun im nächsten Schritt sogenannte "Grobkorridore" definiert werden sollen. Das sollen Bereiche sein, in denen möglichst wenig Widerstände drohen. Im Norden schließen sich der "Knoten Mannheim" und das Bahnprojekt Mannheim-Frankfurt an, im Süden die Aus- und Neubaustrecke Karlsruhe-Basel. Alle zusammen sollen dafür sorgen, dass die Kapazitätslücke auf der Strecke Frankfurt-Basel geschlossen wird.
Das "Dialogforum" hat noch gar nicht richtig angefangen zu arbeiten, da drückt die Industrie- und Handelskammer Rhein-Neckar (IHK) schon mal aufs Tempo. "Die Kapazitätsengpässe auf der Schiene zwischen Mannheim und Karlsruhe müssen zügig aufgelöst werden, damit tatsächlich mehr Verkehr von der Straße auf die Schiene verlagert werden kann", so IHK-Verkehrsexpertin Dagmar Bross-Geis in einer Mitteilung. Nur dann könne die höhere Kapazität der Schweizer Alpen-Basistunnel auch genutzt werden. Entscheidend sei, sagte Bross-Geis, dass die Maßnahme eng mit der Neubaustrecke Frankfurt-Mannheim und der Durchfahrung Mannheims verknüpft werde und auch der viergleisige Ausbau zwischen Karlsruhe und Basel deutlich schneller als bisher vorankomme. "Wir brauchen insbesondere für den Schienengüterverkehr durchgehend höhere Kapazitäten im Rheintalkorridor", betonte Bross-Geis.
Welchen Beitrag das "Dialogforum" dabei leisten kann, wird sich zeigen. Zumal die DB vorsorglich schon ankündigt, dass sie alle Anmerkungen der Experten "soweit möglich" in die Planungen einbeziehen möchte. Das lässt Raum für Diskussionen.
Völlig unstrittig dagegen ist die Bedeutung der Magistrale von Rotterdam bis Genua für die europäische Wirtschaft – die Regionen Karlsruhe und Rhein-Neckar liegen quasi mittendrin. Der Alpen-Rhein-Korridor ist mit seinen rund 1300 Kilometern Länge der wichtigste aller europäischen Verkehrskorridore. Einst schon ein bedeutender Handelsweg, leben heute in diesem internationalen Wirtschaftsraum, in dem knapp 20 Prozent des EU-Bruttoinlandprodukts erwirtschaftet werden, rund 70 Millionen Menschen. Rund eine Milliarde Tonnen Fracht werden in diesem Korridor transportiert – rund die Hälfte der Güter in der EU, die zwischen dem Norden und dem Süden umgeschlagen werden.
Info: Alle Informationen zum Bahn-Projekt gibt es im Internet unter: www.mannheim-karlsruhe.de