Erste Ratssitzung mit Mundschutz: Oberbürgermeister Marcus Zeitler (l.) entschied sich für ein Fußball-Motiv. Foto: Lenhardt
Von Harald Berlinghof
Hockenheim. Es war im März 2012, als der Hockenheimer Gemeinderat sich selbst und der Stadtverwaltung eine "Schuldenbremse" auferlegte. CDU, Grüne, FDP und FWV hatten einen Antrag eingebracht, in dem eine städtische Nachhaltigkeitssatzung gefordert wurde. Darin wurde festgelegt, dass die Neuverschuldung im Haushalt nicht höher sein darf als die Schuldentilgungen. Mit Hilfe dieses Instruments konnte die Verschuldung seither bei etwa 20,5 Millionen Euro stabil gehalten werden.
Als aber Kämmerer Rolf Fitterling in diesem März den Haushaltsentwurf vorlegte, wurde deutlich, dass das Zahlenwerk ohne eine erhebliche Schuldenaufnahme nicht zu finanzieren wäre. "Das fällt mir sehr schwer", betonte Oberbürgermeister Marcus Zeitler in der jüngsten, vom Coronavirus mitgeprägten Gemeinderatssitzung, die in die Stadthalle verlegt wurde, um größere Abstände zwischen den Räten herstellen zu können.
Zudem galt eine Mundschutzpflicht – auch für die wenigen Bürger, die gekommen waren. Außerdem waren die Räte angehalten worden, sich in ihren Ausführungen kurz zu fassen. Es fiel Zeitler schwer, in der Verwaltungsvorlage eben jene Nachhaltigkeitssatzung bis ins Jahr 2023 auszusetzen. "Ich muss den Beschluss jetzt von Ihnen einfordern, weil wir nur dann im Anschluss den Haushalt 2020 und die mittelfristige Finanzplanung bis 2023 beschließen können", erläuterte er den Kommunalpolitikern das Ansinnen der Verwaltungsspitze.
Markus Fuchs (CDU) betonte, dass die Satzung funktioniert habe. "Jetzt fällt uns die Zustimmung zur Aussetzung schwer. Aber wir tun es mit Wehmut." Gaby Horn (FWV) und Frank Köcher-Hohn (FDP) verwiesen darauf, dass die geplanten Investitionen getätigt werden müssen. Adolf Härdle (Grüne) bezeichnete es als unabdingbar, die Satzung in der jetzigen Situation auszusetzen. Die Grünen hatten außerdem beantragt, dass die Möglichkeit einer Wieder-Inkraftsetzung der Satzung jährlich geprüft werden müsse.
Das sicherte Zeitler zu, worauf die Grünen auf eine Abstimmung ihres Antrages verzichteten. Einzig die SPD-Fraktion bewertete die Satzung nicht uneingeschränkt positiv, da sie günstige Kreditaufnahmen in der Niedrigzinsphase für wichtige Projekte verhindert habe. Einer einstimmigen Zustimmung bei einer Enthaltung zur Aussetzung der Satzung stand somit nichts im Wege. Der erste nach den Grundsätzen der Doppik aufgestellte Haushaltsplan der Stadt weist trotz aller Bescheidenheit ein Defizit von 2,4 Millionen Euro auf.
Dazu beigetragen hat vor allem auch die Situation an der Theodor-Heuss-Realschule – mit den Schadstofffunden und den Auflagen des Gesundheitsamtes. Corona brachte dem Zahlenwerk schließlich eine nochmalige Wendung zum Negativen. "Die Verluste für die Stadt werden in die Millionen gehen. Genaues lässt sich im Moment nicht dazu sagen", meinte Zeitler. Mit der Aussetzung der Nachhaltigkeitssatzung sei man aber in der Lage, alle notwendigen Investitionen umzusetzen. "Wir werden 73 Millionen Euro bis 2023 investieren. Die Stadt verfügt über liquide Mittel in Höhe von 30 Millionen", hob Fuchs die positiven Aspekte des Haushalts hervor. Im Hauhalt 2021 sind 24,9 Millionen Euro für Investitionen vorgesehen, davon 8,8 Millionen Euro für Schulen und 5,1 Millionen Euro für Kindergärten.
Allerdings wird sich die Verschuldung der Stadt bis 2023 verdoppeln. Gaby Horn bedauerte, dass man als Stadt immer machtloser werde und nur das Allernötigste umsetzen könne. "Visionen haben wir uns schon längst abgeschminkt", sagte sie. Marina Nottbohm (SPD) ergänzte: "Kreative, gestalterische Politik wird kaum noch möglich sein." Und Adolf Härdle (Grüne) verwies darauf, dass es der Stadt zwar gut gehe mit Stadthalle, Freizeitbad und vielen anderen Dingen. Aber finanziell habe man Probleme wie noch nie. "Es ist uns nicht gelungen, unsere Verbindlichkeiten in den guten Zeiten zu verringern."
Der Haushalt wurde fast einstimmig bei einer Enthaltung beschlossen. "Ja, die Zukunft ist schwierig. Ja, alles ist unsicher. Ja, wir werden das schaffen", so das Fazit von Oberbürgermeister Zeitler.