Diese Abbildung wurde der RNZ über WhatsApp zugesandt. Bearbeitung: mün
Schwetzingen. (mün) Das Foto geht bei Facebook rum. Auch bei WhatsApp bekommen Nutzer das Bild mit einer eindeutigen Nachricht zu sehen und haben es auch schon an die RNZ geschickt: Eine Dienstanweisung der Busverkehr Rhein-Neckar GmbH (BRN), dass Asylbewerber nach Vorlage bestimmter Dokumente beim Busfahrer kein Ticket kaufen müssen. Das Bild mit der Anweisung wird dazu genutzt, Stimmung gegen die angebliche Bevorzugung von Flüchtlingen gegenüber der hiesigen Bevölkerung zu machen.
Hier unser Fakten-Check:
> Ist die Anweisung echt? Bislang konnten wir beim Bahn-Tochterunternehmen BRN niemanden erreichen, der das Foto verifiziert. Laut den Fakten-Checkern von Mimikama wurde die Echtheit beim BRN ihnen gegenüber bestätigt. Mittlerweile hat der Verkehrsverbund Rhein-Neckar (VRN) mitgeteilt, dass es diese Abweisung wirklich gab - aber eben mit der falschen Information "kostenlos". Am gleichen Tag noch sei eine korrigierte und richtige Fassung nochmals an das Personal gegeben worden. Ein VRN-Sprecher wies gegenüber der RNZ daraufhin, dass die Aussage "Verkehrsmittel des VRN" im Bild falsch sei. Vielmehr müsste es heißen, dass die Fahrt nur auf bestimmte Tarifwaben beschränkt sei.
> Fahren Flüchtlinge "kostenlos" Bus und Bahn? Nein. Erwachsene Asylbewerber in der Erstunterbringung, zum Beispiel in Schwetzingen, Mannheim oder Heidelberg, erhalten ein monatliches Taschengeld von 136 Euro. Nach Angaben des zuständigen Regierungspräsidiums Karlsruhe werden ihnen davon pauschal 26,65 Euro abgezogen. Dafür dürfen sie Busse und Bahnen nutzen, um etwa Behördengänge oder Arztbesuche zu erledigen - aber nur im jeweiligen Stadtgebiet und damit der entsprechenden VRN-Tarifwabe (nicht im gesamten VRN-Gebiet). Das wurde so mit den Verkehrsverbünden vertraglich geregelt.
> Wie genau funktioniert das? Die Asylbewerber bekommen keine "Monatskarte". Laut VRN müssen sie eine Bescheinigung über die Meldung als Asylbewerber, aus der ihre Identität und dieser Aufenthalt ersichtlich sind, vorlegen. Bus und Bahn dürfen sie nur in dem Gebiet des jeweiligen Stadt- bzw. Landkreises nutzen, in dem ihre Erstaufnahmeeinrichtung liegt. In Mannheim sind das die VRN-Waben 74, 84, 94 und 104, in Heidelberg in die VRN-Wabe 125 und in Schwetzingen die VRN-Wabe 124. Die Berechtigung endet mit der Verlegung in eine andere Unterkunft.
> Seit wann gibt es diese Regelung? Wie sowohl der VRN als auch das Regierungspräsidium bestätigen, gilt diese Regelung seit 2016. Sie wurde einerseits zur Vereinfachung eingeführt, andererseits sollen Asylbewerber in der Erstunterbringung mit Sachleistungen statt barem Geld ausgestattet werden. Das Land Baden-Württemberg zahlt dem VRN für diese Gruppe an Fahrgästen einen Ausgleichsbetrag. Seit es diese Regelung gibt, wird sie immer wieder in sozialen Medien so dargestellt, als bekämen Asylbewerber einen Freifahrtschein - die Hetze gegen Flüchtlinge liegt in bestimmten Kreisen also quasi auf Wiedervorlage.
> Wie fahren Flüchtlinge Bus und Bahn nach der Erstunterbringung? Diese Regelung gilt nicht für Asylbewerber nach der Erstunterbringung, wenn sie also auf die Städte und Gemeinden verteilt wurden. Nach Angaben des Landratsamt des Rhein-Neckar-Kreises müssen sie dann ihre Tickets für Bus und Bahn selbst kaufen. Dafür müssen sie das Geld verwenden, dass sie nach dem Asylbewerberleistungsgesetz erhalten.
> Was passiert, wenn ein Asylbewerber außerhalb der zulässigen Wabe fährt? Weil bei Facebook immer wieder behauptet wurde, "schwarzfahrende" Asylbewerber würden nicht zur Verantwortung gezogen, haben wir nochmals bei der RNV nachgefragt. "Grundsätzlich werden alle Fahrgäste gleichbehandelt", heißt es dort, bei keinem Fahrgast dürfe "ein Auge zugedrückt werden". Wie bei jedem anderen Fahrgast ohne Ticket auch, werden die Daten vom Fahrausweisprüfer aufgenommen - gibt es keine Papiere, wird die Polizei geholt. Der Erwischte muss dann am nächsten Tag die 60 Euro "erhöhtes Beförderungsentgeld" in einem Mobilitätszentrum zahlen. Oder nach sieben Tagen gibt es ein Schreiben. Bei Asylbewerbern geht das an die Erstaufnahmeeinrichtung, wo dann im Gespräch mit einem Betreuer die Zahlungweise besprochen wird, so die RNV. Wird ein Asylbewerber innerhalb der zulässigen Wabe ohne Nachweis erwischt, dann muss er wie jeder andere Fahrgast auch den Nachweis danach erbringen und eine Bearbeitungsgebühr von 7 Euro zahlen. (ergänzt am 25. November 2019)
> Und was zahlen HartzIV-Empfänger? In den sozialen Medien wird behauptet, Asylbewerber könnten kostenlos fahren (was nicht stimmt) im Gegensatz zu HartzIV-Beziehern. Während ein erwachsener Asylbewerber in der Erstunterbringung 136 Euro (abzüglich 26,65 Euro) erhält, bekommt ein Einpersonenhaushalt mit HartzIV 424 Euro, erklärt das Landratsamt Rhein-Neckar. Mit diesem Geld müssen die Betroffenen dann ihre Tickets für Bus und Bahn selbst zahlen. Der Gesetzgeber veranschlagt dafür einen Anteil von 32,90 Euro in den 424 Euro. Das mag alles in allem nicht viel Geld und Unterstützung für HartzIV-Bezieher sein. Hat aber nichts mit Asylbewerbern und den gesetzlichen Regelungen zu tun. Es gibt keine Schlechterstellung von HartzIV-Beziehern gegenüber Asylbewerbern.
> Fazit: Das Foto und die Nachrichten in den sozialen Medien arbeiten mit der bekannten Masche, nur einen Teil der Informationen zu verbreiten, die gesamte Faktenlage zu verschweigen und eine Verbindung zu einem Lebensbereich herzustellen, der damit nichts zu tun hat. Fakt ist: Niemand fährt kostenlos Bus und Bahn.
Update: 25. November 2019, 15.30 Uhr