Regisseur Michael Verhoeven mit seiner Frau Senta Berger bei der Berlinale im Jahr 2019. Foto: dpa
Von Christina Schäfer
Weinheim/Hemsbach. Michael Verhoeven ist ohne Zweifel einer der bekanntesten Regisseure des Landes. Mit seinen politischen Werken wie "Die weiße Rose" setzte er Maßstäbe im deutschen Film. Dass nun er als erster Filmschaffender überhaupt die "Bronzene Brennessel" in Empfang nehmen darf, kommt nicht von ungefähr. Man würdige einen außergewöhnlichen Regisseur, der sein Publikum seit Jahrzehnten fasziniert, fasst es Alfred Speiser, Betreiber des Programmkinos "Brennessel" in Hemsbach und des Kinos "Modernes Theater" in Weinheim zusammen.
Kinobetreiber Alfred Speiser (l.) und Siegfried Speckhardt mit der „Bronzenen Brennessel“ freuen sich auf die Preisverleihung. Foto: KreutzerBei der Präsentation des Preises gibt er dann angesichts seines hochdekorierten und bekannten Preisträgers mit breitem Lachen zu: "Dass es gelingt, eine solche Filmpersönlichkeit nach Hemsbach zu locken, ist großartig." Die Skulptur, die der Bensheimer Künstler Siegfried Speckhardt anlässlich der Preisverleihung geschaffen hat, ist, wie es der Name sagt, aus Bronze. Kein leichtes Unterfangen für den Künstler. Die Bronzebestände bei allen Betrieben im Odenwald waren gleich Null. Kupfer hätte er haben können. Aber Alfred Speiser machte im Rahmen der Präsentation mit Augenzwinkern klar: Bei Brennessel und Bergstraße muss es alleine schon wegen der Phonetik Bronze sein. Bei einem Schlüsseldienst wurde Siegfried Speckhardt dann fündig. Der Skulptur verpasste er auf dem Sockel dann noch einen Leitspruch: "Wir brennen für die Kunst – Brennessel Filmtheater Hemsbach".
Ein solches Brennen muss auch Michael Verhoeven verspüren, der trotz Pandemie am kommenden Wochenende an die Bergstraße reisen will. "Da muss man schon im Kino leben", zeigte sich Speiser erfreut über die Zusage seines Gastes – und hoffte zugleich, dass Corona dem angekündigten Besuch nicht noch einen Strich durch die Rechnung macht. Zumal Verhoeven nicht nur für einen Kurzbesuch kommt.
Erstmals erleben können Kinogäste den renommierten Regisseur bereits am kommenden Samstagabend. Dann wird im "Modernen Theater" um 20 Uhr unter dem Titel "Verhoevens Lieblingsfilm" sein Werk "Schlaraffenland" gezeigt, ein Film, der sich durchaus kritisch mit der Wiedervereinigung auseinandersetzt und laut Speiser längst in den Archiven des ZDFs verschollen sei. Der Film wird tatsächlich auf persönlichen Wunsch Verhoevens gezeigt. Entsprechend wird der Regisseur selbst seinen Film vorstellen und ihn im Anschluss zusammen mit den Kinobesuchern auf der Leinwand verfolgen.
Am Sonntag ist um 11 Uhr die erste von zwei Vorführungen von "O.K." in der Brennessel in Hemsbach angesetzt, an deren Ende Verhoeven die "Bronzene Brennessel" verliehen wird. Die filmische Verarbeitung einer wahren Begebenheit des Vietnamkriegs lief 1970 als Beitrag der Berlinale und sorgte für einen handfesten Skandal: Die Jury trat zurück, und das Filmfestival wurde ohne Preisvergabe abgebrochen. Zu weiteren Aufführungen kam es aufgrund von Meinungsdifferenzen mit dem Produzenten nicht mehr.
Erst jetzt, 50 Jahre später, findet der Film wieder zurück auf die Leinwand: In restaurierter Fassung wurde er auf der diesjährigen Berlinale gezeigt. "Ich habe ihn da gesehen, er hat keinen Staub angesetzt", freut sich Frank Krause auf die Vorführung in heimischen Gefilden. Krause ist Speisers Planer für besondere Kinoerlebnisse. Er war es auch, der den Kontakt zu Verhoeven herstellte, der letztlich auch dafür sorgte, dass beide Filme an der Bergstraße zu sehen sein werden. "Diese Arbeiten wären für mich alleine nicht machbar", lobte Speiser das Engagement Krauses.
Gleichzeitig zeigte sich der Kinobetreiber begeistert von der Skulptur, die am kommenden Sonntag in die Hände von Michael Verhoeven übergehen wird. Die Preisvergabe wird aber laut Speiser keine Eintagsfliege sein. Dank Landesförderung und Unterstützung der Stadt Hemsbach, die die "Bronzene Brennessel" mit einem Preisgeld von 1000 Euro dotiert, ist die Verleihung auf insgesamt drei Jahre gesichert. Im nächsten Jahr soll sie, so sagte es Krause, als Publikumspreis für den besten deutschen Arthouse-Film vergeben werden. "Im Mittelpunkt steht dann nicht unbedingt der Regisseur, sondern der Autor", gibt er einen Vorgeschmack auf 2021. Die stünden im Gegenteil zu den Regisseuren wesentlich weniger im Rampenlicht, lieferten aber einen großen Beitrag zu einem Film, schilderte Krause den Ansatz. Zur Premiere aber wird der Regisseur die Meriten seiner Arbeit ernten. Und bei Michael Verhoeven darf man da getrost sagen: zu Recht.
Info: Der Film "Schlaraffenland" wird am Samstag, 31. Oktober, 20 Uhr, im "Modernen Theater" in Weinheim gezeigt. "O.K." läuft am Sonntag, 1. November, um 11 und 15 Uhr in der Hemsbacher "Brennessel". Michael Verhoeven wird bei den drei Vorführungen zugegen sein. Im Anschluss an die Vorstellung am Sonntag um 11 Uhr findet die Preisverleihung der "Bronzenen Brennessel" statt.