Guru-Guru-Drummer Mani Neumeier bei seinem wahrscheinlich letzten Auftritt unter freiem Himmel in Finkenbach im Jahr 2019. Foto: Frank Schindelbeck
Von Harald Berlinghof
Heiligkreuzsteinach. "Alles was täglich um mich herum raschelt, klingelt, knattert, quietscht, pfeift, rauscht, tröpfelt, poltert, kollert, schmatzt, flirrt, hämmert, brutzelt, schnarrt und einfach da ist." Dieser Satz dürfte die am häufigsten in den Medien zitierte Äußerung von Mani Neumeier sein. Der Klangzauberer feiert am Silvestertag seinen 80. Geburtstag. Das Zitat stammt aus einem Interview Neumeiers mit der Musikzeitschrift Sounds im Jahr 1967, deren April-Ausgabe auf dem Titelbild den Drummer zeigte.
Ein Jahr später gründete er die regionale Kultband Guru Guru. 1977 setzte er das Odenwald-Dorf Finkenbach auf die Landkarte der Rockfans in Deutschland und dem angrenzenden Ausland. Mani war einer der Mitbegründer des legendären Finkenbach-Festivals, liebevoll "Finki" genannt. Vier Jahre zuvor hatte er den sagenumwobenen Elektrolurch als Song und Bühnenfigur aus seiner Fantasie in die Realität gehoben. Auf den Plattenteller bannte er ihn 1974. Acht Lebensjahrzehnte, fünf davon hinter seiner Schießbude als stilbildender Schlagzeuger. Das muss gefeiert werden.
Der Jubilar blickt auf viele runde und eckige Daten zurück. 50 Jahre Guru Guru (2018), 33 Jahre "High Times" mit Guru Guru (2001), 30 Jahre "Finki" (2012) oder 40 Jahre Elektrolurch (2013). Das Finkenbach-Festival ging 2019 zum 38. Mal seit 1977 über die Bühne. In den 80er-Jahren musste es teilweise ausfallen, weil die Besuchermassen den kleinen Ort und seine Einwohner schlicht überforderten, in diesem Jahr war wegen Corona kein Open-Air möglich.
Mani Neumeier war schon vor der geplatzten Auflage 2020 ausgestiegen, weil das Festival unter neuer Leitung nicht mehr seinen Ansprüchen genügte. "Der Begriff ,Finki’ und der bekannte Finkenbach-Pilz als Logo sind geschützt. Das dürfen die neuen Veranstalter nicht benutzen", betont Neumeier im Gespräch mit der RNZ. Guru Guru wird in Finkenbach wohl nie mehr auftreten. Das Tischtuch zwischen den Krautrockern und den Organisatoren ist zerschnitten. Ob das Festival im nächsten Jahr überhaupt noch einmal stattfinden wird, bleibt abzuwarten.
Mehr als 20 Jahre hat die RNZ das "Finki" ausführlich begleitet – ob bei Regen, im Matsch oder bei 35 Grad im Schatten. Immer ging es bis tief in die Nacht. Immer blieb ein euphorisches Gefühl zurück. Der Musiker Mani Neumeier hat seine Wurzeln im Free Jazz. Mit dem Irene-Schweizer-Trio tingelte er Ende der 60er-Jahre übers Land und versuchte, Geld zu verdienen.
"Wir haben damals in unseren Jazz alles reingenommen, was ging. Dann alles wieder musikalisch zerlegt und auseinander gepflückt", erinnert sich der Drummer. 1967 entstand die Band Guru Guru Groove. Später nannte man sich nur noch Guru Guru. Der erste Auftritt in Heidelberg beim "Holy Hill Festival" geriet zum Skandal. "Wir waren die einzigen mit elektrischen Verstärkern und zwei Marshallboxen. Das waren echte Kanonen. Der SDR brach seine Aufnahme ab. Die dachten, der Mani ist verrückt geworden. Am nächsten Tag waren wir Tagesgespräch in Heidelberg", verrät Neumeier. Eigentlich wollte die Band Jimi Hendrix nacheifern, aber dann wurde etwas ganz anderes daraus.
Die Band ließ sich in Lingental nieder, tourte mit einem alten Ford-Transit-Bus und spielte dann im "Cave" in der Heidelberger Altstadt. "Wir haben unsere Marshalls die enge Wendeltreppe runtergewuchtet. Als wir dann abends richtig losgelegt haben, sind in den Regalen die Gläser zersprungen", erinnert sich Neumeier.
Man war damals wild drauf. Und auch auf LSD und Gras. Die Bandmitglieder experimentierten damit, zogen sich das Zeug rein. Auf der Bühne wusste sie manchmal gar nicht mehr, was sie spielte. Hinterher auch nicht. "So eine Musik hat sonst keiner gemacht. Andere Gruppen waren im Vergleich zu uns richtig brav", meint Neumeier.
Ein bedeutender Meilenstein in der Karriere des Drummers waren die Essener Songtage 1968. Frank Zappa spielte auf der Bühne nebenan, mit John McLaughlin jammte Guru Guru auf der Straße. Und erstmals spielte die Band vor richtig großem Publikum. 12.000 strömten in der Grugahalle. Als "drei vogelwilde Gestalten" wurde das Trio seinerzeit vom Aufnahmetechniker Julius Schittenhelm bezeichnet.
"Damals gab es 600 bis 800 Mark pro Auftritt. Aber eigentlich verachteten wir Geld. Nur Spießer streben nach Wohlstand, dachten wir. Alles, was wir verdient haben, wurde fair durch drei geteilt. Das ist übrigens bis heute bei Guru Guru so geblieben. Alle Bandmitglieder bekommen denselben Anteil", sagt Neumeier.
Alkohol war immer verpönt. Bis heute will Neumeier vom Alkohol nicht viel wissen und widmet sich zu Hause im Heiligkreuzsteinacher Ortsteil Hilsenhain lieber seinem grünen Tee. Seine Frau Etsuko ist schließlich Japanerin. "Wenn ich so viel Alkohol gesoffen hätte, wie andere in der Branche, würde ich heute bestimmt nicht mehr leben", glaubt er. Seine körperliche Fitness hat der selbst ernannte "Drumming man, who makes you happy" auf zahllosen Konzerten unter Beweis gestellt. Bis im Frühjahr der erste Lockdown kam.
"Mein Jungbrunnen ist die Musik", sagt Neumeier mit voller Überzeugung. Inzwischen sollen etwa 3300 Auftritte zusammengekommen sein. "Im Moment ist ja wegen Corona gar nichts los. Wir können nicht auftreten. Aber ich sag’ Dir was: Der Elektrolurch lauert im Koffer und wartet auf seinen nächsten Auftritt", kündigt Neumeier an. Auch mit 80 brennt er noch für seine Musik. Die ausgefallene Geburtstagstour werde man 2021 nachholen.