Von Harald Berlinghof
Reilingen. "Ich möchte den Hasen in Reilingen gerne am Laufen halten", betont Reilingens amtierender Bürgermeister Stefan Weisbrod. Deshalb tritt er zur Bürgermeisterwahl in der Hasengemeinde am 21. März noch einmal an. Potenzielle Gegenkandidaten haben sich bisher nicht aus der Deckung gewagt. Aber bis zum 23. Februar haben sie noch Zeit, den Hut in den Ring zu werfen.
Stefan Weisbrod war vor acht Jahren völlig überraschend trotz fünf Gegenkandidaten im ersten Wahlgang von den Reilingern gewählt worden. Und das, obwohl er ein "Auswärtiger" war, der sich als Walldorfer Kämmerer für das Amt in der Spargelgemeinde beworben hatte. "Ich bin vom reichen Kämmerer in Walldorf zum armen Bürgermeister in Reilingen geworden", sagt er lächelnd, während er stolz den Hasen des Reilinger Ortswappens am Revers trägt.
Was hat Sie veranlasst, sich damals in Reilingen zu bewerben?
Das war dann doch ein Rückgriff auf die eigene Historie. Hier lagen ja meine familiären Wurzeln. Vom ersten Tag an gab es viel zu tun. Vor allem wollten die Bürger mehr Transparenz und Beteiligung. Mein Motto lautete "Keiner weiß so viel, wie wir alle gemeinsam".
Dieses Miteinander war Ihnen stets sehr wichtig?
Ja, und das hat sich jetzt ausgezahlt in der Corona-Krise. In diesem Krisenmodus gab es fantastische Gesten der Solidarität. Schon das ist ein wichtiger Anlass, sich noch einmal zu bewerben. Weil man sich in dieser Dorfgemeinschaft gut aufgenommen fühlt.
Was empfinden Sie bis heute als wesentliche Projekte ihrer ersten Amtszeit?
Da ist zunächst einmal das Neubaugebiet Herten mit der Kinderkrippe, dem "Haus der kleinen Sterne", dem Kindergarten "Haus der kleinen Hasen" und dem Seniorenheim "Am Feldrain" mit 84 Pflegeplätzen plus betreuten Seniorenwohnungen. In dem neuen Wohngebiet mit 120 Wohneinheiten sind etwa 90 Prozent der Grundstücke vergeben und bebaut.
Gab es in Reilingen, von Walldorf aus betrachtet, Ecken, wo man Ihrer Meinung nach etwas tun musste?
Wir hier am südwestlichen Rand des Rhein-Neckar-Kreises fühlen uns strukturell ein wenig vernachlässigt. Mit pulsierenden Mittelzentren wie Sinsheim, Wiesloch und Walldorf mit Tausenden von Arbeitsplätzen, mit dem kurfürstlichen Glanz von Schwetzingen können wir nicht mithalten. Aber Reilingen präsentiert sich heute wesentlich attraktiver als früher. Das haben auch meine Vorgänger schon intensiv betrieben. Wir haben auch im gesamten Dorf Tempo 30 eingeführt. Das ging nur, weil die L599 auf eine Gemeindestraße herabgestuft wurde. Diese Chance haben wir genutzt. Wir haben keinen Rhein, keinen Neckar, keine Bergstraße. Womit können wir uns also positionieren? Mit der Schönheit des Dorfes im Grünen, das aber trotzdem mitten drin liegt. Damit haben wir in meiner Amtszeit sogar 300 bis 400 Einwohner dazugewinnen können.
Die IHK-Kaufkraftanalyse weist Reilingen eine Kaufkraftbindung von 77 Prozent zu. Reicht Ihnen das?
Wir haben kein Einzugsgebiet, aus dem man Käufer anlocken könnte. Wir stehen im Schatten der Mittelzentren. Da sind wir Verlierer wie andere Dörfer auch. Und das wird nicht wesentlich besser werden, zumal sich der Online-Handel in der gegenwärtigen Situation zunehmend positioniert. Aber wir haben den Penny- Markt vom Ortsrand in den Ort geholt. Auch der Rewe-Markt im Ortszentrum wird erweitert. Damit ist die Versorgung unserer Bevölkerung in der Ortsmitte gesichert.
Reilingen ist nach wie vor landwirtschaftlich geprägt ...
Ja, das ist nach wie vor der Charakter der Gemeinde. Wir haben aber auch 140 Hektar Gemeindewald. Mit allen Problemen, die das mit sich bringt. Früher war der Wald eine Sparkasse für die Dörfer. Das ist aber lange vorbei. Heute ist der Wald ein defizitäres Objekt. Der Erholungswert des Waldes bringt kein Geld, er kostet Geld.
Auf Reilinger Gemarkung wird auch Trinkwasser gefördert ...
Ja, die Hockenheimer zum Beispiel trinken unser Wasser. Die Förderung aus sieben Tiefbrunnen und die Aufbereitung erfolgen im Wasserwerk auf unserer Gemarkung. Das Wasser erreicht etwa 42.000 Menschen in unserer Verwaltungsgemeinschaft HoRAN.
An welches Ereignis erinnern Sie sich besonders?
Es gab 2008 ein großes Brandereignis in Reilingen. Da war ein Matratzenlager in Flammen aufgegangen. Rund 500 Feuerwehrleute von 30 Wehren waren über Tage im Einsatz. Und dieses schlimme Ereignis wirkt bis heute nach. Man hatte damals einen Löschschaum verwendet, der zugelassen war, der heute aber als giftig gilt. Dadurch ist ein Umweltschaden im Grundwasser entstanden. Wir wehren uns dagegen, dafür alleine zur Verantwortung gezogen zu werden. Die Sanierung erfordert einen Millionenaufwand, dauert lange und ist sehr aufwendig. Unser Wasserwerk ist davon aber nicht betroffen.
Wie stehen Sie zur Erdölsuche auf Hockenheimer Gemarkung?
Das sehen wir nicht mit Begeisterung. Zunächst ist es ja nur ein Suchfeld. Da warten wir einfach zunächst die Ergebnisse ab.
Wie ist Reilingen durch die Zeit der Flüchtlingsaufnahme gekommen?
Da sind wir vorbildlich gewesen. Wir waren der erste Erst-Unterbringungsstandort hier. Wir hatten ein leer stehendes Bürogebäude, das der Rhein-Neckar-Kreis für 250 Flüchtlinge angemietet hatte. Eine Welle der Hilfsbereitschaft und Willkommenskultur ging durch das Dorf. Mit weit geöffneten Armen haben wir, mit vielen Ehrenamtlichen, die geflüchteten Menschen empfangen. Ohne Sand im Getriebe der Dorfbevölkerung. Das Ehrenamt ist der wahre Reichtum unserer Gemeinde.
Gegenwärtig sind Sie der einzige Bewerber um das Amt des Bürgermeisters? Freut Sie das?
Es gibt Gerüchte, dass es noch mindestens einen weiteren Bewerber geben wird. Das wäre mir lieber. Weil die Demokratie dann die erste Gewinnerin wäre.