Von Carsten Blaue
Rhein-Neckar. „Die Lage ist ernst“: Als Ralph Schlusche, der Direktor des Verbands Region Rhein-Neckar, das am Freitag gegen 13 Uhr am Telefon sagt, geht es auf der Autobahn A5 zwischen Bruchsal und Walldorfer Kreuz nur zäh voran. Acht Kilometer Stau wegen der Baustelle bei Kronau. Davon ist auch die A6 betroffen. Vor der Überleitung in Walldorf steht man zwölf Minuten von Mannheim her.
Weiter nördlich, bei Dossenheim, schleichen Autos und Lastwagen dicht an dicht durch die 24-Stunden-Baustelle der A5. Und zwischen Ludwigshafen und Mannheim ist der Verkehr eh so gut wie kollabiert – Stichwort Hochstraßen-Sperrung. Die Region versinkt im Stau vor oder in Autobahnbaustellen, auf Umleitungen, wegen Sperrungen. Und auch Bahn-Fahren macht zurzeit nicht immer Spaß. Das Schlimme: Eine schnelle Besserung der Verkehrssituation ist nicht in Sicht.
Ein Überblick über die größten Baustellen in der Region:
> Ludwigshafener Hochstraßen Nord und Süd: Am 22. August wurde die Hochstraße Süd wegen Rissen gesperrt. Bis Ende 2023 soll sie wieder verkehrstüchtig und Ausweichroute sein, damit die Hochstraße Nord dann abgerissen werden kann – wobei die Vorarbeiten schon Mitte 2020 beginnen sollen. Das ist zumindest der Plan, an dem die Stadtverwaltung festhält. Übrigens: Der Ludwigshafener Stadtrat hatte im Januar entschieden, auf Reparaturen der Hochstraße Süd (in den 1950er Jahren gebaut) im Vorfeld der Baumaßnahme Hochstraße Nord zu verzichten. Jetzt ist man zum Handeln gezwungen. Vor allem der lokale Lieferverkehr und Berufspendler stehen im Dauerstau.
> Salierbrücke bei Speyer: Noch eine Rheinquerung, die zurzeit dicht und ein dringender Sanierungsfall ist. Am 21. Januar wurde sie gesperrt. Nur noch Rettungskräfte und mit Einschränkungen der Nahverkehr dürfen seitdem durch. Für gut elf Millionen Euro wird die 1956 eröffnete Brücke in Schuss gebracht. Voraussichtlich dauert das bis Anfang 2021. Als Umleitung empfiehlt die Stauwarnanlage die A6 über das Viernheimer Dreieck. Allerdings wird auch hier gebaut.
> A6 zwischen Viernheim und Frankenthal: Noch bis Dezember 2020 wird die Fahrbahndecke der Autobahn zwischen dem Viernheimer Dreieck und der Anschlussstelle Sandhofen saniert. Die Gesamtmaßnahme begann im April 2017 und soll insgesamt 27 Millionen Euro kosten. Neben dem Fahrbahnbau gehört auch die Sanierung der Rheinbrücke sowie der Neubau der Brücke über die B44 bei Sandhofen zum Projekt, das sich über eine Länge von gut acht Kilometern erstreckt. Seit dessen Beginn gab es im Baustellenbereich immer wieder schwere Unfälle.
> A6 zwischen Wiesloch-Rauenberg und dem Kreuz Weinsberg: Während der Bundesgartenschau in Heilbronn haben die Arbeiten zum durchgängig sechsspurigen Ausbau der A6 eine Pause eingelegt, mit dem Ende der Buga am morgigen Sonntag startet die zweite Phase. Wieder kommt es für die Autofahrer dick: Der Verkehr beider Fahrbahnen sowohl in Richtung Mannheim als auch Heilbronn wird voraussichtlich Mitte bis Ende Oktober auf die bereits neue Trasse verschwenkt, in beide Richtungen stehen in diesem Streckenabschnitt dann jeweils zwei Fahrstreifen zur Verfügung. Das ist für den Ausbau der südlichen Autobahnhälfte erforderlich (auf der aktuell die Fahrzeuge in Richtung Heilbronn rollen). Laut dem privaten Autobahnbetreiber ViA6West wird der Ausbau auf der Südseite ungefähr 15 Monate dauern. Neben der Fahrbahn muss auch an zahlreichen Brücken gearbeitet werden.
Zum Projekt gehört auch der Neubau des Neckartalübergangs bei Heilbronn, mit 1326 Metern längstes Brückenbauwerk in Baden-Württemberg. Es kostet allein 170 der kalkulierten 650 Millionen Euro für das Gesamtprojekt, das im Januar 2017 begann.
Auf Anfrage der RNZ sagte Simon Dony, Geschäftsführer von ViA6West: „Besonders verkehrsbelastend wird erst ab nächster Woche ’gebaut’, dann beginnen nämlich die Arbeiten für die nächste Bauphase nach der sogenannten ’Buga-Pause’.“ Während vor der Bundesgartenschau zwischen Wiesloch/Rauenberg und Sinsheim die Richtungsfahrbahn Mannheim erneuert wurde, steht jetzt der Ersatzneubau der Richtungsfahrbahn Nürnberg an.
> A5 bei St. Leon-Rot: Ende September haben die Arbeiten mit der Erneuerung der linken Fahrstreifen vom Walldorfer Kreuz bis zur Brücke über die L546 begonnen. In der gesamten Bauzeit können in jeder Richtung nur zwei der drei Fahrstreifen genutzt werden. Die ohnehin kritische Lage wird sich nach Ansicht der Verkehrspolizei noch verschärfen, weil die Baustelle am Ende auf rund sieben Kilometer ausgedehnt wird. Auch das zuständige Regierungspräsidium Karlsruhe warnt schon mal vor: Es werde hier immer wieder Staus geben. Einen Vorgeschmack darauf gab es schon am Montag, als die Baustelle eingerichtet wurde. Rund um das Walldorfer Kreuz ging nichts mehr, es bildeten sich Staus auf der A5 bis in den Raum Karlsruhe und auf der A6 bis zur A61.
Und dann blieb in der Baustelle auch noch ein Reisebus liegen. Drei Stunden lang ging es nur auf einem Fahrstreifen weiter, für die Fernfahrer gar nicht: „Viele nahmen ihre Ruhezeiten und legten sich zum Schlafen in die Kojen“, so die Polizei. Dagegen sind die Behinderungen durch die noch laufende Sanierung des Heidelberger Kreuzes sowie durch die Fahrbahnsanierung bei Dossenheim fast schon Bagatellen.
Die eigentliche Hauptphase auf der Westseite (zum Ortsteil St. Leon hin) startet Ende November mit Arbeiten an den drei Brücken und dem Abriss der Lärmschutzwand. Die Fahrbahn bis kurz hinter die Anschlussstelle Kronau wird vom Frühjahr bis Mai 2020 erneuert, auf der Ostseite (zum Ortsteil Rot hin) von September bis November.
Bis April 2021 will man die drei neuen Brücken fertigstellen, dann kann die Verkehrsfreigabe für die A5 erfolgen. Restarbeiten betreffen den Verkehr in St. Leon-Rot auf der Roter und der Kronauer Straße. Im Juli und August 2020 soll es eine Sommerpause für den Reiseverkehr geben. Die Anschlussstelle Kronau-West soll im Frühjahr 2020 für drei Monate gesperrt werden, Kronau-Ost folgt von September bis November. In St. Leon-Rot muss die L546/Roter Straße mehrfach für kurze Zeit gesperrt werden. Der Abriss der bestehenden Brücke ist im Dezember 2019 oder Januar 2020 geplant, dann wird die Straße acht Werktage am Stück gesperrt. Für fast die gesamte Bauzeit soll die Unterführung an der Kronauer Straße nur für Radfahrer und Fußgänger nutzbar sein.
Auch hier gibt es den Abriss im Dezember oder Januar, dann mit einer Vollsperrung für zwölf Werktage. Beide Sperrungen sollen sich für die Arbeiten auf der Ostseite zwischen September 2020 und April 2021 in ähnlicher Form wiederholen. Die dritte Unterführung, der Kehrgrabenradweg, ist fast für die gesamte Bauzeit gesperrt. 15 bis 20 Tage lang sind alle Straßen zwischen St. Leon und Rot dicht, eine weiträumige Umleitung wird notwendig: im Norden über Reilingen und Walldorf, im Süden über Kirrlach und Bad Schönborn.
> A5 bei Walldorf: Wenn die Sanierung der A5 bei St. Leon-Rot beendet ist, wird es auf Gemarkung Walldorf weitergehen: Hier steht ein größerer Umbau des Autobahnkreuzes an, der sechsstreifige Ausbau der A5 zwischen der Anschlussstelle Walldorf/Wiesloch und dem Kreuz, eine Verlängerung der Aus-/Einfahrt der Autobahn auf der Nordseite der Anschlussstelle, eine Absenkung der A5 im Bereich der Rennbahnstraße, die künftig über die Autobahn geführt werden soll, sowie umfangreiche Lärmschutzmaßnahmen für Walldorf und Rot (für St. Leon wird der Lärmschutz bereits im Zug der jetzt begonnenen A5-Sanierung verbessert).
Nach heutigem Stand sind diese Arbeiten vom Jahr 2022 bis 2025 geplant. Ergänzend wünscht sich der Walldorfer Gemeinderat eine zusätzliche Autobahnausfahrt auf Höhe des Gründelwegs, ist damit aber bislang beim Regierungspräsidium noch nicht auf Gegenliebe gestoßen.
> Auch die Bahn baut: Trotz der ganzen Sperrungen und Baustellen auf den Straßen ist die Bahn auch nicht immer eine Alternative. Denn auch sie baut in der Region. Etwa in Graben-Neudorf. Deshalb muss der Güterverkehr vom heutigen Samstag an bis zum 20. Oktober über die Strecke Heidelberg–Karlsruhe umgeleitet werden. Das wiederum hat zur Folge, dass die ICE/IC-Linie Stralsund–Karlsruhe in dieser Zeit nur zwischen Kassel und Heidelberg fährt – einzelne Ausnahmen am Wochenende.
Wegen dieser Baustelle kommt man zudem noch bis 27. Oktober mit Regionalzügen und -bahnen nicht direkt von Mannheim nach Karlsruhe. Und weil es am Wochenende vom 2. und 3. November Gleisarbeiten im Mannheimer Hauptbahnhof gibt, fallen an diesen beiden Tagen die Züge der Linien RE2 und RE3 zwischen Mannheim und Heidelberg komplett aus. Als Ersatz solle man „noch verkehrende Züge oder S-Bahnen“ benutzen, empfiehlt die Bahn.
Länger, nämlich vom 11. Oktober bis 2. November, werden die Einschränkungen zwischen Mannheim und Heilbronn, über Heidelberg sein. Weil es zwischen Gundelsheim und Neckarzimmern Gleis- und Tunnelbauarbeiten gibt. Gerade rund um Bad Friedrichshall, aber auch für den Bereich Mosbach bedeutet das Zugausfälle, Ersatzbusse und zum Teil komplett andere Abfahrtszeiten.
> K4170 zwischen Dielheim und Rauenberg: Das größte Projekt im zweiten Abschnitt des A6-Ausbaus ist das Brückenbauwerk zwischen Dielheim und Rauenberg. Hierzu muss die K4170 im Bereich der Autobahnunterführung für 29 Wochen gesperrt werden. Die vorbereitenden Arbeiten beginnen noch im Oktober, die Vollsperrung der Kreisstraße ist ab Montag, 4. November, vorgesehen.
Der Abbruch des Bauwerks soll bis Weihnachten abgeschlossen sein. Im Zug des Brückenneubaus soll zudem unter Federführung des Rhein-Neckar-Kreises ein Teilstück der Kreisstraße bis zum Verkehrskreisel in Rauenberg saniert werden. Beide Maßnahmen sollen bis Ende August 2020 fertiggestellt sein.
> L723/B3 zwischen Rauenberg und Walldorf: Für den geplanten Ausbau des Knotenpunkts B3/L723, dem sich der vierspurige Ausbau der L723 zwischen Rauenberg und Walldorf anschließen soll, haben das Land und die Stadt Wiesloch Anfang des Jahres den Untergrund im Bereich der künftigen Baustellen erkunden lassen. Diese Untersuchungen sind laut Regierungspräsidium abgeschlossen, nun muss durch die Stadt Wiesloch über die beiden Bebauungsplanverfahren "Eichelweg II, 1. Änderung" und "Anschluss Süd" das Baurecht geschaffen werden. Zuletzt hat sich damit der Ausschuss für Technik und Umwelt im März beschäftigt, als die Planungsleistungen an ein Ludwigshafener Büro vergeben wurden. Nach aktuellem Stand könnte im Jahr 2021 an der neuen Überleitung L723/B3 gearbeitet werden.
Der Verkehr in der Region kommt also nur schwer voran. Mit allen Konsequenzen für Berufspendler, Reisende, Transport- und Lieferverkehre. „Aber woanders ist es auch nicht besser“, sagt Schlusche abschließend am Telefon. Ein schwacher Trost.