Von Holger Buchwald
Heidelberg. Bei Michael Eckert steht das Telefon nicht mehr still. Seit Tagen wird der 63-jährige Vorsitzende des Heidelberger Anwaltsvereins und Fachanwalt für Arbeitsrecht mit Anfragen aus allen Branchen, besonders aus dem Heidelberger Gastgewerbe und Einzelhandel, bombardiert. Viele Selbstständige fürchten in den Zeiten der Corona-Krise um ihre Existenz. Eckert erklärt, worauf es jetzt ankommt.
Herr Eckert, welche Rechtsfragen brennen ihren Mandanten besonders unter den Nägeln?
Viele Gastronomen und Einzelhändler mussten ihre Betriebe schließen. Sie sorgen sich jetzt, wie lange sie das finanziell durchhalten können. Schließlich müssen sie ja ihre Miete, ihre Pacht und ihre Nebenkosten weiterbezahlen. Und sie fragen sich natürlich ganz besonders, was sie mit ihren Mitarbeitern machen sollen, jetzt, wo keine Kundschaft mehr da ist. Denn die Angestellten haben ja bestehende Verträge.
Müssen die Mitarbeiter auch weiter bezahlt werden? Muss der Chef für sie Arbeit suchen?
In der derzeitigen Situation kann man sie eigentlich nur freistellen. Die Geschäfte sind geschlossen. Was nicht erklärt wird, ist, dass wir hier in Heidelberg strengere Regelungen haben, als das Land vorgibt. Das sorgt bei vielen für heftige Reaktionen. Die Gastronomen müssen ihre verderblichen Lebensmittel entsorgen. Und in zweiter Linie haben jetzt auch die Erzeuger ein Riesenproblem. Ihre Ware wird nicht mehr abgenommen.
Was raten Sie den vielen Hoteliers in Heidelberg?
Sie können eigentlich zumachen. Die Arbeitgeber sollten jetzt sofort Kurzarbeitergeld beantragen. Und zwar online. Denn telefonisch erreicht man bei der Arbeitsagentur kaum noch jemand. Dort sind Mann und Maus damit beschäftigt, die Anträge auf Kurzarbeitergeld abzuarbeiten. In meinen Augen ist das auch das geeignete Mittel, um Arbeitslosigkeit in jeder Branche zu vermeiden. Dadurch bekommen die Angestellten zwar nur 60 Prozent vom Nettogehalt und, wenn man Familie hat, 67 Prozent. Das ist aber auf jeden Fall besser, als vielleicht schon bald dauerhaft auf der Straße zu sitzen. Daher sollten die Angestellten in meinen Augen auch dem Antrag auf Kurzarbeit zustimmen.
Verlieren die Arbeitgeber ihren Anspruch auf Kurzarbeitergeld, wenn sie nicht sofort handeln?
Das nicht. Sie sollten aber sofort handeln. Jetzt gibt es noch die Möglichkeit, das Geld rückwirkend zum 1. März zu beantragen. Normalerweise geht so etwas nicht.
Gäbe es nicht die Möglichkeit, über das Infektionsschutzgesetz Schadensersatz beim Gesundheitsamt zu beantragen, wenn der Betrieb auf Anordnung der Landesregierung geschlossen wurde?
Das ist bei Arbeitsrechtlern höchst umstritten. Die herrschende Meinung ist, dass in dieser Situation das Infektionsschutzgesetz nicht greift. Daher würde ich meinen Mandanten raten, lieber auf das Kurzarbeitergeld zu setzen. Ich würde das in Anspruch nehmen, was sie auch sicher bekommen.
Was raten Sie Alleinunternehmern oder Freiberuflern? Kann zum Beispiel eine selbstständige Yoga-Lehrerin Kurzarbeitergeld beantragen?
Nein, dieses Instrument steht ihr nicht zur Verfügung. Ihr kann ich nur raten, ihre laufenden Kosten herunterzufahren, vielleicht auch mal mit dem Vermieter zu sprechen. Wobei der natürlich vielleicht auch auf sein Geld angewiesen ist. Und sie sollte schauen, ob sie nicht auch andere Beschäftigungsmöglichkeiten findet. Manche Selbstständige können vielleicht auch noch ihre Leistungen anbieten. Bei der Yoga-Lehrerin kämen da Kurse im Internet infrage. Aber das passt natürlich nicht für jeden. Bundes- und Landesregierung haben zudem gerade besondere Hilfen für Einzelselbstständige angekündigt. Näheres ist aber noch nicht bekannt.
Kunden von Fitnessstudios können ihre Mitgliedsbeiträge aussetzen, weil sie ja derzeit keine Leistungen in Anspruch nehmen können. Sollten die Betreiber jetzt warten, bis die Landesregierung ihre versprochenen Hilfsprogramme aufgesetzt hat?
Die Politik hat zwar bekundet, dass sie Soforthilfen anbieten will. Dann muss man die Landesregierung aber erst einmal fragen, an welche Behörde sich die Selbstständigen wenden sollen. Daher wäre auch hier für mich erst einmal der richtige Weg, für die Beschäftigten Kurzarbeitergeld zu beantragen und mit den Kunden zu verhandeln, damit nicht höhere Beträge zurückgezahlt werden müssen. Dies könnte schnell zu Insolvenzen führen.
Sind Sie mit der neuen Regelung des Kurzarbeitergeldes zufrieden?
Ich hätte mir schon ein bisschen mehr erhofft. Noch immer müssen positive Arbeitszeitkonten heruntergefahren und der noch nicht verplante Urlaub eingesetzt werden, bevor das Geld fließen kann. Im schlimmsten Fall muss der Arbeitgeber also seine Angestellten erst einmal noch zwei Monate normal bezahlen, bevor er das Programm in Anspruch nehmen kann.
Welche Änderungen finden Sie gut?
Schon wenn mindestens zehn Prozent der Arbeitnehmer betroffen sind, gibt es Kurzarbeitergeld. Zusätzlich wird der Arbeitgeber auch bei der Sozialversicherung entlastet. Das geht auf jeden Fall in die richtige Richtung, um die Liquidität des Betriebs sicherzustellen.
Dürfen die Arbeitgeber eigentlich ihre Angestellten jetzt in den Zwangsurlaub schicken?
Das ist eine schwierige Frage. Der Arbeitgeber darf zum Beispiel über seine Betriebsferien nicht den gesamten Urlaub seiner Angestellten verplanen. Zumal ja wahrscheinlich oft der Urlaub genehmigt wurde und Reisen gebucht wurden. Umgekehrt müssen Beschäftigte, die ihren Urlaub jetzt schon beantragt und genehmigt bekommen haben, diesen jetzt auch nehmen. Dass derzeit alle Freizeiteinrichtungen geschlossen sind oder dass sie ihre Reise nicht antreten können, spielt dabei keine Rolle. Auf jeden Fall sollten das beide Seiten miteinander besprechen. Sie sollten an einem Strang ziehen und zusammenhalten.
Müssen Beschäftigte auch Arbeiten verrichten, die sonst nicht zu ihrem Tätigkeitsgebiet gehören?
In Notsituationen wie jetzt ist mehr zumutbar als im Normalfall. Daher sollten Arbeitnehmer gemeinsam mit ihrem Chef nach Lösungen suchen. Und das kann dann auch mal heißen, dass man gemeinsam den Keller aufräumen muss.