Vetter bleibt Ehrenbürger

Mannheim. Der Hinweis auf Vetters Rolle als "Arisierungsprofiteur" wird künftig auch öffentlich dokumentiert.

17.04.2013 UPDATE: 17.04.2013 06:00 Uhr 1 Minute, 38 Sekunden
Das Schild im Luisenpark bekommt einen ergänzenden Hinweis auf die Rolle Vetters im Dritten Reich. Foto: vaf
Von Gerhard Bühler

Mannheim. Mit der Veröffentlichung ihrer Studie "Arisierung und Wiedergutmachung in Mannheim" hat die Historikerin Dr. Christiane Fritsche in den vergangenen Monaten für einiges Aufsehen gesorgt. Besonders pikant ist für die Stadt die Verwicklung ihres großen Mäzens und Ehrenbürgers Heinrich Vetter. Wie geht man damit um?, fragten sich gestern Mitglieder des Hauptausschusses. Nachträgliche Aberkennung der Ehrenbürgerschaft, oder nicht? Große Zustimmung bei Gemeinderäten aller Fraktionen erntete nun ein Vorschlag der Stadtverwaltung, statt einer Aberkennung der Ehrenbürgerwürde und "Löschung" seines Namens eine breit angelegte Erinnerungskultur anzustoßen. Nach Vetter benannte Säle und Wege sollen aber mit einem Hinweis auf seine Rolle bei der Arisierung versehen werden.

Die im Januar als Buch erschienene, umfangreiche wissenschaftliche Arbeit dokumentiert den beispiellosen Vorgang der Verdrängung und Ausplünderung der jüdischen Bevölkerung in der Stadt, an der sich viele Mannheimer beteiligten. Wie Fritsche in ihrer rund 1000 Seiten umfassenden Studie belegt, gehörte die Familie Vetter mit acht Übernahmen jüdischen Besitzes zu den größten Profiteuren in Mannheim. Darunter befanden sich drei Grundstücke in Mannheim und Ilvesheim und fünf Textilgeschäfte in Mannheim und Karlsruhe. Der 1910 geborene Kaufmannssohn trat 1933 ins elterliche Geschäft ein. Noch im selben Jahr wurde er auch Mitglied der NSDAP und SA. Nach dem Krieg baute er das elterliche Unternehmen wieder auf. Vetter wurde in einem Entnazifizierungsverfahren 1946 als Mitläufer eingestuft und zur Zahlung von 2000 Reichsmark verurteilt. Soweit feststellbar, leistete er für drei Arisierungen in den 1950er Jahren größere Entschädigungen.

1997 gründete Vetter dann eine Stiftung, die nach seinem Tod 2003 sein gesamtes Vermögen erbte. Seitdem gibt die Stiftung jährlich mehr als eine Million Euro für zahlreiche gemeinnützige Projekte in vielen Bereichen aus. "Wir wollen nicht verdrängen, auch wenn es unangenehm ist", stellte Erster Bürgermeister Christian Specht gegenüber den Gemeinderäten die Frage zur Diskussion, wie die Stadt nach heutigem Wissen damit umgehen solle.

Die Antwort liefert eine maßgeblich durch Stadtarchivs-Leiter Dr. Ulrich Nieß verfasste Vorlage an den Gemeinderat. In ihr kommen Fritsche wie Nieß zu dem Ergebnis, dass die Familie Vetter zwar den "aktiven Opportunisten" zuzurechnen sei, aber kein Fall einer "böswilligen Arisierung" festgestellt werden konnte. Die Aberkennung der Ehrenbürgerwürde und "Löschung" seines Namens berge die Gefahr, die gesamtgesellschaftliche Verstrickung auf wenige Personen zu reduzieren und eine Aufarbeitung zu verhindern. Stattdessen sprachen sich die Historiker für eine deutlich aktivere Erinnerungsarbeit unter Führung des Stadtarchivs aus. Quer durch alle Parteien signalisierten die Stadträte ihren Dank und ihre starke Unterstützung für dieses Konzept. Der formelle Beschluss darüber soll in Anwesenheit aller in der Gemeinderatssitzung fallen.

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