Christoph Stiefel und Kevin März haben zusammen mit zwei weiteren Studenten das Webportal "Refimo" entwickelt. Foto: heb
Von Sabine Hebbelmann
Rhein-Neckar. Christoph Stiefels Vater ist Bäcker in Bretten. Seinem Sohn hat er abgeraten, diesen Beruf zu ergreifen. Wie viele andere klagt der Handwerker über Fachkräftemangel und darüber, dass es immer schwieriger werde, für Lehrstellen geeignete Bewerber zu finden.
Der Junior hatte sich daher für ein Anglistik- und BWL-Studium in Mannheim entschieden. Als Werkstudent bei der SAP nahm er im Oktober an einem Bowlingausflug mit Flüchtlingen teil. "Ich habe interessante Menschen kennengelernt, die alle arbeiten wollen - das ist für Deutschland eine Riesenchance", glaubt er. Immerhin gebe es Zehntausende unbesetzte Ausbildungsplätze.
Die Begegnung brachte den 23-Jährigen auf die Idee, jobsuchende Flüchtlinge und Fachkräfte suchende Unternehmer mit Hilfe einer digitalen Vermittlungsplattform auf unbürokratische Weise an einen Tisch zu bringen. Stiefel erzählte Kevin März, den er zufällig kurz zuvor kennengelernt hatte, von seiner Idee. Der Student der Informationswirtschaft am KIT in Karlsruhe war sofort mit Begeisterung dabei.
Und er stellte den Kontakt zu Kolja Esders und Felix Boenke her, die beide an der TU Berlin Technische Informatik studieren. "Wir können alles selbst programmieren", freut sich März. Alle vier hängten sich in das Projekt rein, investierten parallel zum Studium viel Zeit und entwickelten innerhalb von Wochen das Webportal "Refimo", mit dem sie beim Elevator Pitch, einem Gründerwettbewerb der IHK Karlsruhe, als das mit Abstand jüngste Team quasi aus dem Stand den dritten Platz belegten.
Laut Stiefel erfasst die Plattform auf standardisierte Weise Daten von Arbeitgebern und Flüchtlingen und gleicht Arbeitsplatzanforderungen mit den persönlichen Kompetenzen, Berufserfahrungen und Wünschen der Bewerber ab. Erfasst sind sämtliche in Deutschland anerkannten Ausbildungsberufe. "Wir wollen in der Region Ausbildungsplätze an geflüchtete Menschen vermitteln und damit gleichzeitig dem Fachkräftemangel im Handwerk entgegenwirken", so Stiefel.
Über Asylkreise in Speyer, Sinsheim und Heidelberg hätten sie Kontakte zu Flüchtlingen und Ehrenamtlichen geknüpft und erfahren, dass Flüchtlinge oft gar nicht wissen, welche Bandbreite an Ausbildungsberufen es in Deutschland gibt. Sie könnten daher zum Beispiel das Stichwort "Holz" eingeben und bekämen dazu verschiedene Berufsangaben, wie Förster, Schreiner oder Holzbearbeitungsmechaniker der Fachrichtung Sägeindustrie.
Die Eingabe sei benutzerfreundlich gestaltet und auf Smartphones zugeschnitten. Schließlich, so Stiefel, verfügten die meisten Flüchtlinge über ein Mobiltelefon, um mit ihren Angehörigen in Kontakt bleiben zu können. Die Benutzer können zwischen den Sprachen deutsch, englisch, französisch, persisch und arabisch wählen. "Wir überprüfen alles und wollen Ansprechpartner für die Arbeitgeber sein", betont Stiefel.
Sein Kollege März ergänzt: "Wir drehen den Prozess um. Wo bisher bürokratische Hürden dem zwischenmenschlichen Kontakt im Weg standen, steht bei Refimo der Kontakt zwischen Geflüchteten und Arbeitgebern an erster Stelle." Das Programm ermittle für den Arbeitgeber die aufgrund der Kriterien am ehesten passenden Kandidaten. Verläuft der persönliche Kontakt positiv, können Arbeitgeber und Bewerber die nötigen Schritte zur Arbeitsagentur und zur Ausländerbehörde gemeinsam gehen. Nach dem Motto: Zusammen ist vieles einfacher als alleine.
Stiefel erzählt von einem Bäcker aus Hamburg, der mit sechs Flüchtlingen aufs Amt gegangen sei und für alle eine Arbeitserlaubnis bekommen habe. Das Projekt Refimo soll zunächst in der Rhein-Neckar-Region an den Start gehen. Schließlich gebe es hier nicht nur viele Flüchtlinge, sondern auch viele Jobs. Außerdem, so Stiefel, habe er in der Region persönliche Kontakte, unter anderem über seinen Onkel, der Pfarrer an der Christuskirche in Mannheim ist.
"Die sensiblen Daten werden in einem Rechenzentrum in Frankfurt gespeichert, bleiben in Deutschland und sind sicher", verspricht Stiefel. Für Flüchtlinge soll der Dienst kostenlos bleiben. Auch Arbeitgeber müssen in der Anlaufphase des Projekts nichts zahlen. "Es geht uns um die Sache", betont Stiefel. Erst "mittel- bis langfristig" sollen Arbeitgeber pro Kandidat zur Kasse gebeten werden.
Inzwischen ist das Projekt unter www.refimo.de online und sowohl Arbeitgeber als auch Flüchtlinge können sich registrieren. Sobald der Dienst verfügbar ist, werden sie benachrichtigt. Vielleicht findet sich ja auch für Christoph Stiefels Vater ein geeigneter Bäckerlehrling. "Das wäre der Traum."
Info: www.refimo.de