Weniger Autos und dafür eine bessere Aufenthaltsqualität: Das möchten Stadtverwaltung und Gemeinderat mit weniger Durchgangsverkehr erreichen. Einen Vorgeschmack gibt es jährlichen Parking Day in der Fressgasse – wie hier im Jahr 2019. Archivfoto: Gerold
Von Olivia Kaiser
Mannheim. Mehr Platz zum Flanieren, mehr Platz für Gastronomie, weniger Lärm und weniger Abgase: Die versuchsweise Teilsperrung von Kunststraße und Fressgasse ab Ostern sollte Mannheims erster großer Schritt in Richtung autofreie Innenstadt sein. Doch auch dieses Vorhaben muss aufgrund der Corona-Pandemie verschoben werden. Ein weiterer Grund ist der seit Montag laufende Umbau der Planken-Seitenstraßen.
Baubürgermeister Ralf Eisenhauer (SPD) teilte mit, dass die Unterbrechung des Durchgangsverkehrs voraussichtlich erst ab den Sommerferien vorgenommen wird. Die neue Regelung soll zunächst für ein Jahr gelten. "Die Stadtverwaltung arbeitet aktuell unter Einbindung aller Akteure an einem ganzheitlichen Konzept, damit die neue Verkehrsführung von Beginn an zu einer Aufwertung unserer Innenstadt führt", erläutert Eisenhauer.
Geplant ist eine Sperrung der Fressgasse auf Höhe der Querung Breite Straße und der Marktstraße zwischen E 1/E 2 sowie D 1/D 2. Die Marktstraße wird in diesem Bereich von Autofahrern, aber auch von "Posern", gern als Verbindung zwischen Fressgasse und Kunststraße genutzt. Zudem wird die Kunststraße an der Einmündung Kurpfalzstraße (auf Höhe des Paradeplatzes) unterbrochen, sodass eine durchgängige Fahrt bis zum Wasserturm nicht mehr möglich ist. "Damit wird die Innenstadt vom Kfz-Durchgangsverkehr entlastet. Geschäfte und Gastronomie sind nach wie vor von allen Seiten mit dem Auto zu erreichen – und sowieso mit dem Rad oder dem öffentlichen Nahverkehr", betont Eisenhauer. Alle Parkhäuser in den Quadraten können weiterhin angefahren werden.
Im Rahmen der Baustellenkoordination hat sich gezeigt, dass die veränderte Verkehrsführung erst nach der Sanierung der ersten Planken-Seitenstraßen erfolgen kann. Während des Umbaus wird zum Beispiel die Lieferzone von Galeria-Kaufhof-Karstadt temporär in den künftig gesperrten Bereich in der Fressgasse zwischen P 1 und Q 1 verlegt und erst später wieder an seinen ursprünglichen Platz zurückgeführt. Dafür muss der Umbau der Seitenstraßen der Planken allerdings so weit fortgeschritten sein, dass die Anfahrt über P 1 und P 2 wieder genutzt werden kann. Erst wenn dies erfolgt ist, könne die neue Verkehrsführung realisiert werden, so der Baubürgermeister.
Da es sich um einen Versuch handelt, sollen die Auswirkungen entsprechend belegt werden. Dafür sind Zählungen vom Fuß-, Rad- und Autoverkehr vor Beginn geplant. Hinzu kommen Befragungen von Passanten, Anwohnern, Einzelhändlern und Beschäftigen. Befragungen und Zählungen wären aufgrund des corona-bedingten Lockdowns zum jetzigen Zeitpunkt allerdings wenig aussagekräftig, sagt Eisenhauer. Das wäre im Sommer, wenn eventuell wieder Normalbetrieb herrscht, besser.
Die SPD unterstützt den Vorstoß ihres Parteigenossen: "Aufgrund des Lockdowns sind die Geschäfte in der Innenstadt geschlossen. Es sind viel weniger Menschen unterwegs als sonst", erklärt Isabel Cademartori, verkehrspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion im Gemeinderat. Zudem fordert die SPD ein umfassendes Konzept zur Wiederbelebung der Innenstadt: "Uns geht es nicht nur um den Verkehr – uns geht es darum, eine lebenswerte Innenstadt zu schaffen, in der sich alle wohlfühlen. Um Freiräume für Kinder und Familien, für Events und Geschäfte, um mehr Sitzmöglichkeiten. Das funktioniert am besten, wenn wir wieder eine belebte Innenstadt haben", so Cardematori.
Dass der Verkehrsversuch während des Lockdowns keinen Sinn macht, sieht auch die CDU-Fraktion so und hat einen entsprechenden Antrag an die Verwaltung gestellt. Erst wenn Handel und Verkehr wieder normale Zahlen erreicht hätten, sollen die Sperrungen in Kraft treten. Allerdings auf keinen Fall während des Weihnachtsgeschäfts 2021. Falls der einjährige Versuch zu den Sommerferien startet, wäre das aber der Fall.
Gerhard Fontagnier, stellvertretender Fraktionsvorsitzender und verkehrspolitischer Sprecher der Grünen, forderte, dass das Vorhaben nicht weiter als bis zu den Sommerferien verschoben werden dürfe. "Die City muss kein Durchfahrtsbereich sein. Sie sollte attraktives Ziel und lebenswerter Wohnort sein." Wichtig sei, dass die Umgestaltung als Chance auf eine attraktivere City inklusive einer höheren Aufenthaltsqualität verstanden werde. "Dazu gehören eine bessere Anbindung für Rad- und Fußverkehr, attraktiv gestaltete Aufenthaltsflächen und bessere Angebote im öffentlichen Nahverkehr."
Wie die gewonnenen Freiflächen genutzt werden können, will die Stadtverwaltung jetzt erarbeiten. Möglich sind Parklets und Möblierung, mobile Skulpturen oder digitale Flächen.