Das Schlossmuseum erstrahlt in neuem Glanz. Foto: Gerold
Von Heike Warlich-Zink und Hans-Joachim Heinz
Mannheim. Bereits innerhalb von zwei Stunden nach der Wiedereröffnung des Mannheimer Schlosses sind mehr als 250 Eintrittskarten ausgegeben. Die Kasse selbst bleibt allerdings zu. Denn der Eintritt ist ebenso kostenlos wie die zahlreichen Führungen, die am Freitag und Samstag angeboten werden.
Die Auftaktführung mit Uta Coburger ist so gefragt, dass die für Mannheim zuständige Konservatorin der Staatlichen Schlösser und Gärten Baden-Württemberg und ihr wissenschaftlicher Mitarbeiter Jonas Hock sich die Gruppe aufteilen. Doch zunächst geht es gemeinsam in Richtung Treppenhaus. "Diesen Weg hätten Besucher früher allerdings nicht genommen", sagt Coburger.
Wer Gast war in der kurfürstlichen Residenz, wurde mit der sechsspännigen Galakutsche am Hauptportal vorgefahren, am Treppenfuß begrüßt und vorbei an Spalier stehenden Garden und Edelknaben hinauf geleitet. Je nach Rang und Ansehen gelangte der Besucher nach einem oder zwei Vorzimmern mit weiteren Begrüßungszeremonien ins kurfürstliche Appartement. "Nur die Wichtigsten wurden direkt durch den Rittersaal dorthin geführt. Und genau diesen Weg nehmen wir jetzt", so Coburger.
Sie nimmt die Besucher mit auf eine Zeitreise von der Grundsteinlegung durch Karl Philipp am 2. Juli 1720 über die Regentschaft seines Nachfolgers Carl Theodor, unter dem die Mannheimer Residenz zum Zentrum für Musik, Theater und Wissenschaften wurde. Nach der Herrschaft der Kurfürsten von der Pfalz, die eine bedeutende Stellung im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation einnahmen, bricht 1803 die badische Zeit an. Erbprinz Karl von Baden und seine Frau Stéphanie, eine Adoptivtochter Napoleons, erhalten dort ihren Wohnsitz und richten das Barockschloss im kaiserlichen Empirestil ein.
"Wie wurde denn früher geheizt?", fragt ein Besucher im Blauen Salon, dem Appartement von Stéphanie von Baden. "Es gab Öfen", weiß Coburger und erklärt bei dieser Gelegenheit, dass nicht nur die Begrüßung der Schlossgäste einem genauen Protokoll folgte. Auch die Stühle hatten eine Rangordnung: Es gab welche mit und ohne Armlehne, und wer in der Hierarchie weiter unten stand, dem wurde gar kein Sitzplatz angeboten. Brigitte Wolf hat sich derweil auf eigene Faust durch das Schlossmuseum begeben. "Ich bin oft hier und interessiere mich für die Geschichte der Schlösser in der Umgebung", erzählt die Mannheimerin. Entsprechend neugierig sei sie auf die Wiedereröffnung gewesen. "Es ist alles sehr schön geworden", lautet ihr Urteil.
Cynthia und Kevin aus Belgien sind gerade als Touristen in der Stadt und bei einer Veranstaltung im Rosengarten auf das Schloss aufmerksam geworden. "Man sagte uns, es sei ‚one of the biggest things‘. Das wollten wir uns nicht entgehen lassen", so das junge Paar aus Belgien. Ein Mannheimer kennt bislang nur den von der Uni für Veranstaltungen genutzten Teil. "Daher wollte ich mir das heute mal alles in Ruhe anschauen", erzählt er, während sein Blick hinauf wandert zum prächtigen Deckengemälde im Rittersaal, um die Darstellung der Göttertafel zu Ehren der Hochzeit von Peleus mit der Göttin Thetis zu bewundern.
Auch wenn der Corona-Virus die Menschen nicht vom Eröffnungswochenende abhielt, waren seine Auswirkungen dennoch spürbar: Da nicht ausreichend Desinfektionsmittel vorhanden und die Nachbestellungen noch nicht eingetroffen waren, gab das Schlossmuseum keine Audio-Guides an die Besucher heraus. "Aber dafür hatten alle Verständnis", berichtete ein Mitarbeiter.
Inzwischen hat sich die Zahl der Corona-Infizierten in der Quadratestadt auf neun Personen erhöht. Aufgrund dessen ist eine Mannheimer Traditionsveranstaltung kurzfristig abgesagt worden. Die Hobbyköche-Vereinigung "Rustikale Feinschmeckerchuchi" hat sich auf Grundlage der Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts dazu entschlossen, ihre für Montagabend geplante Verleihung der "Mannheimer Kochschürze" ausfallen zu lassen. Das teilte der Gründer und Leiter der Feinschmeckerchuchi, Bert Schreiber, mit.
Der ranghöchste europäische Hobbykoch versprach jedoch, die beliebte Veranstaltung "auf alle Fälle in der zweiten Jahreshälfte 2020 nachzuholen". Träger der Kochschürze soll in diesem Jahr der schwäbische Kabarettist Christoph Sonntag werden. Der erste war im Jahr 1969 der Mannheimer SPD-Bundestagsabgeordnete und Vizepräsident des Deutschen Bundestags, Carlo Schmid. Im vergangenen Jahr wurde der frühere Turnweltmeister Eberhard Gienger ausgezeichnet.