Von Manfred Ofer
Mannheim. Kaum ein Thema außer Corona hat die Menschen im vergangenen Jahr so bewegt wie die Ermordung des US-Amerikaners George Floyd am 25. Mai 2020. Die Bilder lösten eine weltweite Bewegung gegen Rassismus aus. Der Mannheimer Graffiti-Künstler Gonzalo Maldonado Morales malte damals spontan das Porträt des Toten auf eine Wand am Schlosspark, das fast ein Jahr bestehen blieb, bis es von Unbekannten überzeichnet wurde. Eine private Initiative rief eine Spendenaktion ins Leben, um das bei vielen Menschen beliebte urbane Denkmal zu erneuern. Morales, der in der Szene unter seinem Künstlernamen "Gonz" bekannt, ist, hat am vergangenen Wochenende begonnen, das Mural an selber Stelle erneut zu sprayen. Doch es wurde erneut beschmiert.
Gonz hatte nie die Absicht, mit seinem Graffito eine urbane Gedenkstätte gegen Rassismus zu schaffen. Floyds letzter Satz "I can’t breathe" (Ich kann nicht atmen) und dessen Gesicht seien ihm einfach nicht mehr aus dem Kopf gegangen, erzählt der 50-Jährige. Deshalb malte er das Konterfei des Verstorbenen: "Um den Schmerz aus meinem System zu bekommen." Graffiti ist vergänglich, und es liegt in der Natur dieser Kunst, dass die bunten Farbenspiele aus der Dose jederzeit übersprüht werden können. An der legalen Wand im Schlosspark geschieht das jeden Tag. Und dennoch fühlte es sich für viele Menschen anders an, als plötzlich ein paar störende Buchstaben auf dem Porträt von George Floyd standen. Als sich die Kunde davon verbreitete, drückte das bei Nina Fierro-Mack einen emotionalen Knopf.
Die vierfache Mutter aus Schriesheim tauschte sich darüber mit der Aktivistin Salome Stern auf Facebook aus. Die Frauen fassten den Entschluss, einen Spendenaufruf mit dem Ziel zu starten, das Wandbild zu erneuern. "Wir kannten uns vorher überhaupt nicht", erinnert sich Nina Fierro-Mack. "Wir wollten Geld sammeln, um die nötige Farbe dafür zu bezahlen." Das Fundraising lief überraschend erfolgreich, und auch ein Künstler war schnell gefunden: Gonz.
"Ich kenne ihn schon lange, deshalb habe ich ihn gefragt, ob er sich das vorstellen kann", erzählt die 39-jährige Schriesheimerin. "Gonzalo war ganz berührt, als ich ihm davon berichtet habe, wie wichtig die Botschaft, für die sein Wandbild steht, für so viele Menschen geworden ist". Sie selbst hat auch persönliche Gründe, sich zu engagieren: "Mein Mann ist US-Amerikaner mit mexikanischen Wurzeln. Unseren Kindern sieht man ihre Wurzeln aufgrund ihrer dunklen Hautfarbe an, weshalb sie oft rassistisch beleidigt werden".
Ihre aus der eigenen Familiengeschichte gewachsene Empathie war ein Treibstoff, der das Projekt ins Rollen gebracht hat. Die Spendensumme stockten die beiden Frauen noch etwas auf, am Ende waren des 350 Euro. Davon kaufte Nina Fierro-Mack etwa 100 Spraydosen. Gonz verzichtet auf jegliches Honorar. Am vergangenen Samstag legte er los. Es hätte eine runde Sache sein können, doch es kam anders. Schon am Montag tauchten wieder Bilder auf, die das zur Hälfte vollendete Mural zeigen, nachdem es erneut übersprüht worden ist. "Hall of Fame ist kein Platz für Auftragsmalen" steht quer über das Gesicht von George Floyd geschrieben.
Eine Tat aus der rechten Szene oder von wütenden Graffiti-Sprayern? Das ist unklar. Der Frust über die erneute Übermalung ist groß, aber ebenso der Streit, der seitdem in den sozialen Medien schwelt. Auf einer lokalen Graffiti-Seite fand ein emotionaler Schlagabtausch zwischen Befürwortern und Gegnern der Aktion statt. Unter anderem wurde dem Künstler vorgeworfen, er habe ein hohes Honorar erhalten und mache anderen Sprayern die Wand streitig, was dieser als "völligen Quatsch" bezeichnet: "Ich habe keinen Cent dafür genommen".
Und jetzt? "Ich mache auf jeden Fall weiter, weil das für mich eine Herzenssache ist", macht Gonz deutlich. Auch Nina Fierro-Mack und und Salome Stern wollen sich nicht entmutigen lassen. "Ich bin überrascht und traurig, dass manchen so ein Stück Mauer wichtiger ist als die Sache, um die es hier geht", sagt Fierro-Mack. Salome Stern sieht das genauso. Sie steht in Kontakt mit einer Tante von George Floyd, die, sofern es die Pandemie wieder erlaubt, laut Stern den Wunsch geäußert hat, das neue Wandbild in Mannheim zu besuchen. Sofern es noch eine Chance hat.