Auf den Spuren der Industriekultur
Zweieinhalbstündige Rundfahrt mit der MS Kurpfalz in den Industriehafen und rund um die Friesenheimer Insel

Auch wenn sich der Industriehafen mittlerweile im Wandel befindet, so ist er keineswegs auf dem Weg zum Museum. Das machte eine Hafenrundfahrt des Vereins Industriekultur Rhein-Neckar deutlich. Foto: Gerold
Von Heike Warlich-Zink
Mannheim. Zweimal "volles Boot" bei den Tagen der Industriekultur: Die Fahrten mit der MS Kurpfalz in den Industriehafen und rund um die Friesenheimer Insel waren ruckzuck ausgebucht. Während die erste Tour von Regen begleitet wurde, lachte der zweiten Schiffsbesatzung die Abendsonne, und der Ausblick vom Oberdeck konnte ungetrübt genossen werden. Kapitän Robert Schneider steuerte die MS Kurpfalz zunächst hinunter in Richtung Kammerschleuse, vorbei am Jungbusch und begleitet von einem Hauch Kakaoduft, der von der Schokinag-Schokoladenfabrik herüberwehte.
Veith Lennartz vom Verein Industriekultur Rhein-Neckar lenkte den Blick auf die Kauffmannmühle, die gerade umgebaut wird. Gegenüber zog der Hochbunker, das künftige Marchivum vorbei, und dann war auch schon die Kammerschleuse erreicht, wo die gerade einmal 30 Zentimeter Fallhöhe in nur wenigen Minuten überwunden wurden und der Industriehafen erreicht war.
Lennartz reichte das Mikrofon an Kristina Kühn weiter. Sie kennt das Gebiet wie ihre Westentasche, weil sie dort nicht nur arbeitet, sondern gerne auch ihre Freizeit verbringt. Zwischen 1904 und 1915 seien die ersten Firmen und Fabriken im Industriehafen entstanden, berichtete sie und lenkte das Auge auf markante Industriebauten, die teilweise wie Herrenhäuser anmuten. So wie die unter Denkmalschutz stehende Pfalzmühle. Ein sechs Meter hoher Klinkerbau, in dem seit 1909 Getreide zu Mehl für Handwerks- und Industriebetriebe oder zu Grieß für die Teigwarenherstellung vermahlen wird. Seit 1915 ist "Goldpuder" das Markenzeichen dieser Mühle. Doch auch so bekannte Namen wie Birkel, Becel, Rama oder Aurora stammen aus dem Industriehafen. Prächtig und durchaus detailverliebt erhob sich der Gebäudekomplex, den die konsumgenossenschaftlichen Großeinkaufsgesellschaft GEG zwischen 1927 und 1931 erbaute auf der linken Hafenseite. Heute ist die ebenfalls unter Denkmalschutz stehende "Genossenschaftliche Burg" im Besitz einer Spedition und beherbergt darüber hinaus Ateliers und Werkstätten.
Nicht immer gelingt eine solche Umsetzung. "Oft ist ein Gebäude schneller abgerissen, als man denken kann", berichtete Kühn. Dieses Schicksal drohe aktuell auch dem Rhenania-Speicher, der 1911 als modernster Speicher Europas galt. Die Teilnehmer erfuhren ferner, dass von den ehemals sieben Mühlen im Industriehafen nur noch vier stehen. Zwei davon sind in Betrieb.
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Über den Wasserweg werden heute nur noch ganz wenige Firmen im Hafen beliefert. Früher wimmelte es hier von Schiffen. Dennoch ist der Industriehafen keineswegs auf dem Weg zum Museum. Auch das machte die Tour deutlich. So hat sich beispielsweise das internationale Modelabel Dorothee Schumacher in einer ehemaligen Kartonagenfabrik unweit der Diffenébrücke angesiedelt. Frühere Fabrikhallen werden jetzt von der Event-Gastronomie oder kleinen Handwerksfirmen ebenso genutzt wie von innovativen Start up-Unternehmen. Außerdem wohnen rund 300 Menschen im Hafen.
Insgesamt zweieinhalb Stunden dauerte die Fahrt auf den Spuren der Mannheimer Industriekultur. "Diese gehört genauso zur Geschichte der Stadt wie das Schloss", betonte Lennartz, während die MS Kurpfalz den Rhein erreicht hatte und dort weiterfuhr, rechts neben sich auf einer Strecke von vier Kilometern von den Lichtern der BASF begleitet.
An der Neckarspitze bog Kapitän Schneider wieder ab in Richtung Mannheim. Die Abendsonne war mittlerweile untergegangen, als er wieder sicher am Landesteg unterhalb der Kurpfalzbrücke anlegte.