Bangt um seine Existenz: Hakan Bektas vor seinem Haus im Stadtteil Vogelstang. Foto: privat
Von Benjamin Auber
Mannheim. Glücklich steht Hakan Bektas an einem Tresen im Sinsheimer Media Markt. Als selbstständiger Berater im Auftrag von Mobilfunkunternehmen darf er seit vergangener Woche wieder Kunden betreuen – zumindest vorerst, denn die Inzidenz im Rhein-Neckar-Kreis steigt weiter an. "Natürlich bin ich erleichtert, aber mir steht das Wasser bis zum Hals", sagt Bektas, der im Mannheimer Stadtteil Vogelstang wohnt und derzeit kein Einkommen hat. An Geld kommt er zunächst nicht, weil er nach Vertragsabschluss erst circa fünf Wochen später entlohnt wird. Ende April dürfte es soweit sein.
Hinter Bektas liegt eine wahre Odyssee. Und sie ist noch nicht beendet. Immer und immer wieder versucht sich der Soloselbstständige durch das Dickicht der Corona-Hilfen zu kämpfen. Doch es gelingt ihm nicht – mit oder ohne Steuerberater. "Ich scheine mit dieser Art von Selbstständigkeit in keine Schublade zu passen", sagt Bektas. Woran liegt das? Drei Monate hing der 58-Jährige in der Luft – ohne Arbeit. Als Berater steht er normalerweise in Elektronik-Läden, wie in Sinsheim, um Kunden einen Mix von Verträgen mit diversen Smartphones anzubieten.
Für die Dezemberhilfe (Erstattung von 75 Prozent seines Vorjahresgehalts) kommt Bektas nicht infrage, weil seine Branche laut Bundesregierung nicht direkt von den Beschlüssen des Bundes im Zuge der Lockdown-Schließungen betroffen ist. Das bringt den gebürtigen Türken auf die Palme, zumal erst vor Kurzem klar wurde, dass seine Art der Berufsausübung durch dieses Raster fällt. "Nicht einen Cent habe ich in den letzten Wochen verdient. Bin ich etwa nicht direkt betroffen?", fragt Bektas. Theoretisch hätte er zwar Verträge abschließen können, aber ohne direkten Kundenkontakt und den Zugriff auf die Geräte vor Ort, war das bisher unmöglich.
In der Corona-Welle im Frühjahr 2020 hat alles noch reibungslos geklappt. Ein großer Teil seiner Verluste wurde durch eine 9000-Euro-Soforthilfe ausgeglichen. Somit war Bektas in der Lage, seinen familiären Verpflichtungen nachzukommen. Erst noch begeistert von der Unterstützung in Deutschland, steht der Mannheimer jetzt – ein Jahr später – mit dem Rücken zur Wand und ist sauer.
Normalerweise kann Bektas auf ein Jahreseinkommen von mehr als 60.000 Euro zählen, wovon viele Steuern abgehen. "Ich bezahle meine Steuern, und deshalb erwarte ich, dass unserer Branche auch geholfen wird. Ich habe das Vertrauen verloren", so der Berater. Ersparnisse aufgebraucht, Zinsen für seine eigengenutzte Immobilie zwar von seiner Bank gestundet – wie er die nächsten Wochen überleben soll, weiß er aber noch nicht.
Hoffnung liegt nun auf der Überbrückungshilfe III (bis zu 7500 Euro), die aber noch dauern kann, weil die Regierung durch Betrügereien die Auszahlungen gestoppt hat, oder vorübergehend Hartz IV. "Der Wirrwarr in der Bürokratie, bringt mich an meine Grenzen", sagt Bektas.
Nun hofft er jeden Tag auf niedrigere Infektionszahlen, denn Terminshopping, das seit Mittwoch auch in Sinsheim gilt, kostet ihn nach eigener Aussage rund 50 Prozent der Einnahmen, weil er auch sehr auf Laufkundschaft angewiesen ist. Aber den Kopf in den Sand stecken? Nicht sein Ding. Bektas wird weiterhin alles dafür tun, um seine Existenz zu sichern – egal wie steinig der Weg im Corona-Dschungel auch sein mag.