Symbolbild: Uwe Anspach/dpa
Von Willi Berg
Mannheim. Vor ihrem Haus soll eine junge Frau das Opfer einer besonders brutalen Vergewaltigung geworden sein. Die 26-Jährige wird schwer verletzt und ist traumatisiert. Seit Mittwoch muss sich der mutmaßliche Täter vor dem Mannheimer Landgericht verantworten. Der Asylbewerber kommt aus Algerien und ist nach eigenen Angaben 27 Jahre alt. Vor Prozessbeginn wurde davon ausgegangen, dass der Mann zur Tatzeit erst 20 Jahre alt war. Daher wird der Fall vor der Großen Jugendkammer verhandelt.
Die Staatsanwaltschaft geht von folgendem Sachverhalt aus: Am frühen Morgen des 22. Juli 2016 spricht der Angeklagte die Frau auf der Mannheimer Kurpfalzbrücke an. Er begleitet die 26-Jährige bis zu ihrem Haus, will bei ihr übernachten und mit ihr schlafen. Die Frau verweigert ihm jedoch den Zutritt.
Doch der Mann lässt sich nicht abweisen. Vergeblich versucht sie gegen 5 Uhr, mit dem Mobiltelefon zwei Freunde anzurufen. Als sie die Hoftür aufschließt, greift der Mann sie von hinten an. Er würgt sie so fest am Hals, dass sie keine Luft mehr bekommt. Dann wirft er die Frau zu Boden und tritt mit voller Wucht auf Kopf und Oberkörper ein.
Der Angeklagte habe dabei tödliche Verletzungen billigend in Kauf genommen, sagt Erste Staatsanwältin Jeanette Zipperer. Dann zwingt er die blutüberströmte Frau, die Todesangst hat, zu sexuellen Handlungen. Als sie aufgrund der "brutalen Misshandlungen" das Bewusstsein verliert, habe der Angeklagte das Opfer vergewaltigt, sagt die Staatsanwältin. Dann schleppt er die wehrlose Frau zu einer Bank am nahen Neckarufer, wo er sie umarmt und küsst. Zweieinhalb Stunden dauert das Martyrium laut Anklage.
Gegen sieben Uhr läuft ein Jogger vorbei. Als er die Verletzte sieht, greift er ein und informiert die Rettungsleitstelle. Der mutmaßliche Täter flieht mit der Goldkette des Opfers, die er noch am gleichen Tag für 15 Euro versetzt. Eine Woche später wird er in Hamburg verhaftet.
Die 26-Jährige kommt mit schwersten Verletzungen in eine Klinik. Sie erleidet unter anderem einen Bruch des Augenhöhlenbodens und des Schlüsselbeins sowie Rippenfrakturen, Würgemale am Hals, Schürfwunden und Verletzungen am Unterleib. Die Frau sei in einem "mitleidserregenden Zustand" gewesen, erinnert sich ein Zeuge. "Sie sah furchtbar aus", berichtete eine weitere Zeugin. Bis zum 3. August wird das Opfer stationär behandelt.
Gravierend sind auch die psychischen Folgen. Sie leidet an einer Posttraumatischen Belastungsstörung und wird deshalb psychotherapeutisch behandelt. Dem mutmaßlichen Peiniger will sie vor Gericht nicht begegnen. Ihre Aussage am ersten Prozesstag wird deshalb per Video von einem anderen Raum zeitgleich in den Sitzungssaal übertragen. Die Öffentlichkeit ist dabei ausgeschlossen.
Die Staatsanwaltschaft beschuldigt den Angeklagten der besonders schweren Vergewaltigung, der gefährlichen Körperverletzung sowie der Unterschlagung. Ihr Mandant werde weder zur Person noch zur Sache Angaben machen, kündigt Verteidigerin Andrea Combé an. Nur soviel sagt der junge Mann auf die Fragen der Vorsitzenden Richterin: Er sei in Blida (Algerien) geboren, ledig und habe keinen Beruf erlernt. Zuletzt habe er bei einem Freund in Mannheim gewohnt.
Er ist in Deutschland unter verschiedenen Namen registriert - mit unterschiedlichen Angaben zu seinem Geburtsdatum. Einmal gibt er an, erst 18 zu sein. Am ersten Prozesstag sagt er, sein richtiges Alter sei 27. Das hält ein gestern gehörter Gutachter für plausibel. Gleichwohl wird der Prozess vor der Jugendkammer fortgesetzt. Fünf weitere Verhandlungstage sind anberaumt. Das Urteil soll am 17. Mai verkündet werden.
Einem Bericht der Jugendgerichtshilfe zufolge ist er 2009 aus seiner Heimat zunächst in die Türkei geflüchtet. In den nächsten Jahren habe er sich in verschiedenen Ländern mit Straftaten durchgeschlagen. In Chemnitz ist er zuletzt wegen mehrfachen Diebstahl zu 14 Monaten Haft verurteilt worden.
Der junge Mann sei unehelich geboren, was in Algerien als Schande gelte, berichtet der Jugendgerichtshelfer. Als Kind habe er zehn Jahre bei der Oma gelebt. Kontakt zu den Eltern bestehe schon seit Langem nicht mehr. Mit elf habe er seine Mutter das letzte Mal gesehen. Der Angeklagte sei in dem zweistündigen Gespräch in Tränen ausgebrochen.