Von Holger Buchwald
Heidelberg. Ihr Mut wurde belohnt: Mit einer Schere bewaffnet schritten Unisprecherin Marietta Fuhrmann-Koch und der persönliche Referent des Rektors, Joost Punstein, zu Werke. Gemeinsam brachen sie den Buffetschrank im Rektoratszimmer auf. Das hässliche, verblichene Möbelstück sollte durch einen aufwendig restaurierten Intarsienschrank ersetzt werden. Doch ein Fach war verschlossen, niemand wusste, wo der Schlüssel war. Als die Tür endlich aufging, kam ein Schatz zutage: sieben handsignierte Radierungen von Marc Chagall.
Frisch gerahmt zieren die Kunstwerke nun wieder den Flur im Rektorat. Nach mehr als 20 Jahren sind sie damit wieder an ihrem angestammten Platz. Fritz Grunebaum, Ehrensenator der Universität, hatte der Ruperto Carola 1987, in den letzten Tagen der Amtszeit von Rektor Gisbert Freiherr zu Putlitz, diese Radierungen geschenkt. Die Uni habe ihm mehr gegeben als er jemals zurückgeben könne, hatte er damals gesagt, als er mit seiner Frau Roberta in der Bel Etage zu Gast war. Bei den Radierungen handelt es sich um Illustrationen zu Jean de la Fontaines Fabeln. Chagall hatte sie in den späten 1920er Jahren im Auftrag des Pariser Kunsthändlers und Verlegers Ambroise Vollard gefertigt. Insgesamt schuf er 100 verschiedene Motive.
"Ich wusste, dass es die Radierungen gibt", sagt Jochen Riedinger, Dezernent Stiftung und Vermögen. Alle Kunstwerke seien penibel im Vermögensverzeichnis der Universität Heidelberg aufgelistet. "Dass sie ausgerechnet in diesem Schrank sind, wusste ich aber nicht." Die Recherchen von Fuhrmann-Koch und Punstein ergaben, dass Unirektor Jürgen Siebke die Radierungen in den Jahren ab 1997 abhängen ließ und in dem Buffet in seinem Amtszimmer verstaute. "Professor Siebke war ein großer Kunstliebhaber und wollte offenbar seine eigenen Werke im Flur aufhängen", so Fuhrmann-Koch.
Der heutige Universitätsrektor Bernhard Eitel freut sich sehr über die Wiederentdeckung der fast vergessenen Schätze. Natürlich habe er sich schon manchmal gefragt, was in dem verschlossenen Fach im Schrank seines Amtszimmers gelagert sein könnte. Doch niemand hatte einen Schlüssel. "Und ich breche doch keine Schränke auf", lacht Eitel. Diesen Job übernahmen Fuhrmann-Koch und Punstein - aber erst, als sie wussten, dass das Buffet ohnehin entsorgt wird. In den anderen Fächern und Schubladen, für die es noch Schlüssel gab, waren zum Beispiel die Amtskette des Rektors oder das Goldene Buch der Universität gelagert.
"Die Radierungen sind Eigentum der Körperschaft Universität und natürlich gut versichert", betont Riedinger. Nun können die Besucher des Rektorats sie wieder betrachten. Sie erinnern damit nun auch wieder an Fritz Grunebaum, der in Heidelberg Jura und Wirtschaftswissenschaften studierte. 1933, nach der Machtergreifung, musste er als Jude mit seiner Frau vor den Nationalsozialisten in die USA fliehen. Grunebaum machte dort Karriere und verdiente ein Vermögen in der Lederindustrie. Vom Rugby begeistert und einst selbst begeisterter Spieler, gründete er die American Rugby Foundation.
Direkt nach dem Krieg nahm Grunebaum wieder Kontakt mit Heidelberg auf. Nach seinem Tod 1992 stiftete er testamentarisch der Heidelberger Universität den Fritz-Grunebaum-Preis, der seither jährlich für die beste Doktorarbeit in den Wirtschaftswissenschaften verliehen wird. Der Stadt Heidelberg vermachte er ebenfalls einen beträchtlichen Betrag zur Förderung des Rugbysports. Nach ihm ist das Fritz-Grunebaum-Stadion benannt.