Heidelberg zählt zu den teuersten Städten in Deutschland, wenn es um die Miete geht. Hier ein Blick in die begehrte Weststadt. Foto: Joe/RNZ-Repro
Von Sebastian Riemer
Heidelberg. In Heidelberg zu leben, wird für immer mehr Menschen unbezahlbar. Die Mieten steigen nirgendwo stärker. Allein im Jahr 2018 kletterte der Quadratmeterpreis bei Neuvermietungen laut dem Portal "Immowelt" von 10,60 auf 12 Euro - ein Anstieg um 13 Prozent. Damit liegt Heidelberg auf Platz vier der teuersten Städte für Mietwohnungen in Deutschland. Und im Speckgürtel ist der Trend derselbe.
Seit Jahren versucht Christoph Nestor, Leiter des Mietervereins Heidelberg, politischen Druck zu erzeugen, um diese Entwicklung zu stoppen. Für kleine Lichtblicke wie das wohnpolitische Konzept für Mark Twain Village (MTV) in der Südstadt hat der Gemeinderat gesorgt. Dort kosten 40 Prozent der 1300 Wohnungen höchstens 8 Euro pro Quadratmeter, weitere 30 Prozent gibt es günstig zum Kauf. Trotz solcher Projekte ist der grundsätzliche Trend in Heidelberg ungebrochen.
Der Druck des Mietervereins und anderer Sozialverbände reicht nicht. Also probiert Nestor jetzt etwas Neues: Er will, dass die Menschen in der Region Druck machen. Dass jene sich laut artikulieren, die persönlich unter den explodierten Kosten fürs Wohnen leiden. Also rief er mit dem Mieterverein zur "Bürgeraktion Wohnwende" auf. Der Auftakt fand am Dienstag in der Halle 02 statt.
"Wir fordern einen Systemwechsel von renditeorientiert auf gemeinwohlorientiert", sagte Nestor dort sein Mantra auf. Die Gemeinderäte der Region müssten endlich aktive Wohnungspolitik machen - zum Wohl ihrer Bürger. Doch saßen an diesem Abend nur rund 40 dieser Bürger im Publikum. Zieht man die sechs Stadträte und einige Interessenvertreter ab, blieben noch weniger "echte" Bürger. Das ist schade, denn der Abend war spannend: Sechs Referenten zeigten jeweils eigene Wege auf, um den "Mietenwahnsinn" - wie Aktivisten in Berlin das nennen - zu stoppen.
"Es wird zu wenig gebaut. Zu teuer. Und an den falschen Standorten", sagte der Geschäftsführer des Deutschen Mieterbunds, Ulrich Ropertz. Von vier Millionen Sozialwohnungen 1990 sind heute noch gut eine Million übrig. Die Bundesregierung müsse mehr Geld geben, die Länder eigenes dazulegen - und die Kommunen bei der Baulandausweisung Bauträger auswählen, die nicht (nur) auf Rendite aus sind. Dass Berlin einen Mietendeckel plant, ist für Ropertz "eine Art Notwehrreaktion". Er ist überzeugt: "Wacht die Politik nicht auf, ziehen bald weitere Städte nach."
Der wohnungspolitische Sprecher der Grünen im Bundestag, Chris Kühn, meinte: "Wir haben keine soziale Marktwirtschaft mehr beim Wohnen." Es brauche mehr Sozialwohnungen, besseren Schutz vor krassen Mieterhöhungen und ein Ende der Spekulation mit dem Gut Boden. Wie Ropertz fordern Kühns Grüne - ebenso wie "Die Linke" - die Wiedereinführung der Gemeinnützigkeit im Wohnungssektor.
Doch was bedeutet all das für die Region? Der Mieterverein fordert, dass das Konzept für MTV überall in Heidelberg und Umgebung als Blaupause dient. Einen weiteren Baustein für die "Wohnwende" stellten Dennis Dietz von der "Hagebutze" und Margarete Rambow-Nickel von der "Woge" vor. Mit ihren Wohnprojekten haben sie sich günstigen Wohnraum selbst geschaffen - beide in MTV. In der "Hagebutze" wohnen 70 Menschen für unter sechs Euro Miete pro Quadratmeter.
Im Woge-Haus leben 45 Parteien im Eigentum. "Bei uns kostet der Quadratmeter 3400 Euro - für Heidelberg ist das günstig", sagt Rambow-Nickel - zumal im Preis eine Flüchtlingswohnung, eine Wohnung für Pflegekräfte und Gemeinschaftsräume drin sind. Anderswo berät die Stadt solche Wohnprojekte. In Heidelberg nicht. "So eine Stelle sollte man schnell einrichten", schlug Mietervereins-Vorsitzender und SPD-Bundestagsabgeordneter Lothar Binding vor.
Und was wird nun aus der Wohnwende in Bürgerhand? Immerhin ein paar Besucher trugen sich am Ende in die Mitmach-Listen ein. Vielleicht nimmt die Sache ja doch noch Fahrt auf - denn die Mieten steigen weiter.