Von Holger Buchwald
Heidelberg. Die "Konzertfreunde der Stadthalle", die in einem bisher unverschickten offenen Brief an Oberbürgermeister Würzner und den Gemeinderat die Pläne für die Sanierung der "guten Stube" kritisierten, wehren sich gegen eine Äußerung von Würzner, der im Haupt- und Finanzausschuss manche Argumente der "Konzertfreunde" als "schwer zu ertragende Falschaussagen" bezeichnete. Hier die Entgegnung von Günter Braus, Albertus Bujard, Prof. Hans Gutbrod und Jürgen Edler im Wortlaut:
"Wir setzen keine gezielten ,Falschaussagen‘ in die Welt, sondern verarbeiten die Informationen, die uns die Stadt scheibchenweise hat zukommen lassen. Mit der plakativen Bezeichnung ,Falschaussagen‘, normalerweise für strafbares Handeln üblich, wird unser gesamtes bürgerschaftliches Engagement um die Stadthalle diskreditiert.
Wir haben niemals daran gezweifelt, dass das Waechter-Konzept eine Verbesserung der Akustik erbringen wird. Wir haben aber gefordert, einen Optimierten-Ist-Zustand als alternativen Plan ebenso gründlich, kreativ und ernsthaft zu erarbeiten und zu beraten. Die Ergebnisse, sofern diese überhaupt gravierend vom Waechter-Konzept abweichen, sollten ebenso wie die Ergebnisse des Waechter-Konzepts in eine vernünftige Relation zu Kosten, Baurisiken, Bauzeit und vor allem die Folgen für das Baudenkmal gesetzt werden. Auch das Waechter-Konzept wird schließlich viele Plätze mit schlechten Sicht- und Hörverhältnissen zur Folge haben. Dies liegt an der grundsätzlichen, unveränderbaren Grundstruktur des Saales.
Denkmalschutz definieren wir – zu unserer Meinung stehen wir uneingeschränkt – als das Bemühen, ein Denkmal in seinem Bestand bestmöglich, unverfälscht und umfassend auf Dauer zu erhalten. Die Zusammenarbeit des Bauherrn mit den Denkmalbehörden kann in diesem Sinne nur begrüßt werden. Noch liegt uns aber keine einzige Stellungnahme der Denkmalbehörden vor."
Auch wenn die "Konzertfreunde der Stadthalle" noch bis Samstag Unterschriften sammeln wollten, baten sie die RNZ, ihren offenen Brief an Oberbürgermeist Würzner jetzt schon zu veröffentlichen, was wir hiermit – leicht gekürzt – tun.
"Wir appellieren an alle Entscheider, das Thema ,Sanierung Stadthalle‘ und hier vor allem die Ertüchtigung des Großen Saales nochmals auf die Tagesordnung des Haupt- und Finanzausschusses zu setzen. Da die Vorentwurfsplanung dem Ausschuss erstmals in seiner Sitzung vom 25. September als Tischvorlage vorgelegt wurde, war es unmöglich, die eklatanten Eingriffe in die Bausubstanz und deren Konsequenzen für die Kostenentwicklung und für die Erhaltung des historischen Erbes zu erkennen oder eine wohlüberlegte Entscheidung zu treffen.
Ihrer Aussage, Herr Oberbürgermeister, das Waechter-Konzept sei bereits vor einem Jahr beschlossen worden, steht Ihr Auftrag entgegen, einen optimierten Ist-Zustand zu definieren, akustisch zu simulieren und anschließend beide Konzepte gegeneinander abzuwägen. Am 10. Juli haben Sie zugesichert, dass die vom Gemeinderat in den Experten- und Nutzerkreis berufenen Mitglieder der ,Interessengemeinschaft Kultur- und Konzerthaus’ mit Architekt und Akustiker einen optimierten Ist-Zustand definieren und das Resultat einschließlich einer Akustik-Simulation im Ausschuss vorstellen sollen. Beides hat nicht stattgefunden und muss dringend nachgeholt werden.
Wir sind davon überzeugt, dass durch den Verzicht auf Hubböden im Zuschauerbereich die damit verbundenen finanziellen und statischen Risiken vermieden und die geplanten Kosten im Rahmen der großzügigen Spende von Herrn Marguerre weitgehend eingehalten werden können. Wie das ergänzende Akustikgutachten nachweist, kann eine schonende Ertüchtigung des Großen Saals dieselbe verbesserte Akustik erzielen wie der Umbau mit den geplanten massiven Eingriffen in die Bausubstanz, die mit unseren Vorstellungen von Denkmalschutz unvereinbar sind."
Update: Freitag, 8. November 2019, 20.15 Uhr
Von Holger Buchwald
Heidelberg. Begeistert und dankbar reagierte Oberbürgermeister Eckart Würzner vor der Sitzung des Haupt- und Finanzausschusses auf eine Meldung in der RNZ vom Dienstag. Mäzen Wolfgang Marguerre hatte in einer Stellungnahme zum Streit um die Sanierung der Stadthalle angekündigt, dass er seine bisher zugesagte Spende für den Umbau der "guten Stube" auf bis zu 33 Millionen Euro aufstocken will.
"Ich bedanke mich herzlich bei Wolfgang Marguerre", sagte Würzner: "Das ist eine großartige Nachricht. Mit dieser enormen Summe können wir die gesamte Sanierung inklusive der Kostensteigerungen aufgrund der maroden Bausubstanz und erhöhten Baupreise abdecken." Es sei zudem ein "großartiger Vertrauensbeweis" für alle, die die Pläne zur Sanierung erarbeiten und beschließen. Die "gewaltige Mammutaufgabe" sei nur dank der Großspender zu bewältigen.
Denkmalschutz ist involviert
Deutliche Worte fand der OB für den Zusammenschluss von Bürgern, der Unterschriften für einen offenen Brief sammelt und das Konzept von Architekt Felix Waechter ablehnt. Wenn im Boden des Großen Saals Hubpodien eingebaut würden, um die Zuschauerränge und die Bühne absenken zu können, sei dies ein zu großer Eingriff und mit dem Denkmalschutz nicht vereinbar, so die "Konzertfreunde der Stadthalle", die Verfasser des Briefes sind.
"Es ist toll, dass sich so viele Menschen in Heidelberg engagieren", so Würzner. Einige "Falschaussagen" in dem Brief könne er aber nicht akzeptieren: "Die sind schwer zu ertragen." So habe der Akustik-Gutachter, anders als von den "Konzertfreunden" behauptet, ausdrücklich bestätigt, dass die Akustik mit dem Waechter-Konzept im Vergleich zum optimierten Ist-Zustand deutlich verbessert würde. Und wenn die Autoren behaupteten, die Sanierung sei ein denkmalpflegerisches Debakel, sei das nicht wahr. Unterdessen bestätigte auch die Denkmalschutzbehörde auf Anfrage der RNZ, dass die Planungsschritte bei der Stadthallensanierung mit ihr abgesprochen werden.
Update: Donnerstag, 7. November 2019, 19.30 Uhr
Von Holger Buchwald, 6. November 2019
Heidelberg. Ein emotionaler Streit ist um die Zukunft der Heidelberger Stadthalle entbrannt. In einem noch nicht verschickten offenen Brief an Oberbürgermeister Eckart Würzner und den Gemeinderat fordert ein Zusammenschluss engagierter Bürgerinnen und Bürger, die sich "Konzertfreunde der Stadthalle" nennen, dass das Thema noch einmal auf die Tagesordnung des Haupt- und Finanzausschusses gesetzt wird. Wenn das beschlossene Konzept von Architekt Felix Waechter umgesetzt und absenkbare Hubböden für Zuschauerränge und Bühne eingebaut werden, befürchten sie "eklatante Eingriffe in die Bausubstanz" des denkmalgeschützten Gebäudes und eine Zerstörung des "historischen Erbes". Dabei geht es den "Konzertfreunden" vor allem um den Erhalt des Großen Saals in seinem derzeitigen und akustisch optimierten Zustand.
Für Projektleiter Sebastian Streckel von der Gesellschaft für Grund- und Hausbesitz (GGH), der sich seit Monaten sehr intensiv mit dem Umbau der Stadthalle befasst, sind die Behauptungen in dem offenen Brief "wie ein Schlag ins Gesicht". Heidelberg-Marketing-Chef Mathias Schiemer spricht in seiner Antwort an die Autoren von "falschen Aussagen" und bittet sie, zur konstruktiven und faktenorientierten Diskussion zurückzukehren. Vor allem ärgert er sich über Behauptungen, dass die Planer zum Beispiel die sensible Statik des Gebäudes nicht berücksichtigt hätten: "Ohne Statik-Nachweis gibt es keine Baugenehmigung." Dass die Technik und der Brandschutz instand gesetzt werden müssen, ist unstrittig. Worum geht es aber nun genau in dem Streit? Und wie ist der Stand der Planungen? Die RNZ hat die wichtigsten Fragen und Antworten zusammengestellt.
Warum sind die Autoren des offenen Briefes gegen das Waechter-Konzept? "Wir wehren uns gegen die brutale Art und Weise, wie der Große Saal zerstört wird", sagt Günter Braus, der den Brief mit verfasst hat und derzeit mit den anderen Erstunterzeichnern noch bis zum 9. November nach weiteren Mitstreitern suchen will. Hauptkritikpunkt sind die Hubböden, deretwegen der komplette Boden des Innenraums aufgerissen und ersetzt werden müsste. "Das Ambiente des historischen Saals wird zerstört", fürchtet Mit-Autor Albertus Bujard, der sich auch im Auftrag des Gemeinderates im Experten- und Nutzerkreis für die Stadthallensanierung einsetzte. Er befürwortet ebenso wie die anderen "Konzertfreunde" einen optimierten Ist-Zustand, also eine reine Ertüchtigung der Stadthalle mit allenfalls moderaten Umbauten. Martin Kölle, Sprecher der Bürgerinitiative "Leben in der Altstadt"(Linda) geht es sowohl um die Akustik als auch um die Ästhetik: "Das subjektive Hörempfinden geht auch mit dem Raumeindruck einher." Ihm missfällt im Waechter-Entwurf, dass die Bühne nach vorne, in Richtung Zuschauerränge, vergrößert werden soll. Kölle hat aber auch etwas gegen die neuen Seitenwände im aufsteigenden Gestühl, die aus Sicherheitsgründen und als Schallreflektoren vorgesehen sind.
Wird das Ambiente des Großen Saals zerstört? Was sagen die Projektleiter dazu? "Mit den Hubböden wollen wir doch gerade allen Nutzern gerecht werden", sagt Mathias Schiemer. Per Knopfdruck könne der Saal dank dieser Technik innerhalb von wenigen Minuten zum Konzertsaal mit aufsteigendem Gestühl und vergrößerter Bühne umfunktioniert werden, die selbst einem großen Philharmonischen Orchester Platz biete. Genauso schnell könne der Boden aber auch wieder auf sein derzeitiges, ebenes Niveau gebracht und für Veranstaltungen wie den "Ball der Vampire" oder die Fastnachtssitzungen der Perkeo-Gesellschaft genutzt werden. Selbst die von den "Konzertfreunden" kritisierten Seitenwände würden dann wieder im Boden verschwinden. Stadthallen-Leiter Oliver Wolf versteht auch nicht, warum sich die Kritiker an der Möglichkeit stören, die Bühne zu vergrößern: "Wenn ich heute die Vorbühne anbaue, ragt sie 40 bis 50 Meter weiter in den Saal hinein, als dies mit den Hubböden der Fall wäre." Und all diese Veränderungen am Großen Saal seien variabel einstellbar, jeder Veranstalter könne selbst entscheiden, ob er sie nutze.
Wieso glauben die "Konzertfreunde", dass sie den gültigen Beschluss des Hauptausschusses noch kippen können? Sie setzen zum einen auf eine juristische Überprüfung der Entscheidung, glauben aber auch, dass die Umbaupläne nicht mit dem Denkmalschutz vereinbar sind, und wollen drittens mit dem offenen Brief Öffentlichkeit herstellen und Unterstützer gewinnen. "Das Projekt hätte europaweit ausgeschrieben werden müssen", ist Braus überzeugt. Stattdessen einfach nur Felix Waechter mit der Entwurfsplanung zu beauftragen, sei rechtswidrig. Zudem glaubt er, dass die obere Denkmalschutzbehörde, also das Regierungspräsidium, die Pläne noch nicht abgesegnet hat.
Hätte das Projekt europaweit ausgeschrieben werden müssen? Nein, meint Projektleiter Streckel. Die Stadthalle wurde der Theater- und Orchesterstiftung überschrieben. Mit dem Grundsatzbeschluss für die Ertüchtigung der Stadthalle und der Annahme der Großspende von Wolfgang Marguerre habe der Haupt- und Finanzausschuss gleichzeitig dem Waechter-Konzept zugestimmt und lediglich gefordert, dass auch der optimierte Ist-Zustand noch einmal überprüft werden solle. Dies sei geschehen und der Akustikgutachter Michael Prüfer vom renommierten Münchner Büro Müller-BBM sei zu dem Schluss gekommen, dass nur mit den Hubböden eine optimale Akustik erreicht werden könne. Durch das aufsteigende Gestühl würden die Sichtbeziehungen und die direkte Beschallung verbessert. Zwar könne auch mit dem optimierten Ist-Zustand die Nachhallzeit verbessert und weitere akustische Verbesserungen erreicht werden. Aber die geräuscharme Lüftung, die in die Stufen der Hubböden eingebaut werden könne, sei ein weiterer großer Vorteil des Waechter-Konzepts, so Prüfer. Streckel fügt hinzu: "Die baulichen Leistungen sind noch nicht vergeben. die werden wir natürlich ausschreiben."
Fallen durch das Waechter-Konzept Plätze weg? Und stimmt es, dass im Gegenzug selbst hinter dem Orchester und unter der Orgel Plätze entstehen? Bei maximaler Bestuhlung fasst der Große Saal derzeit 1276 Personen. Stadthallenleiter Oliver Wolf merkt aber an, dass die hinteren Plätze im Parkett derzeit praktisch nicht verkauft werden können, dort müsse man seitlich über die Schulter schauen, um die Bühne zu sehen, auch sei die Akustik schlecht. Beim Waechter-Konzept seien die Stuhlreihen hingegen schräg angeordnet, durch die aufsteigenden Ränge habe man eine bessere Sicht. In der Tat könne der Veranstalter unter der Orgel Zuschauerplätze freigeben, diese seien besonders bei Besuchern beliebt, die vor allem den einzelnen Musikern oder dem Dirigenten zuschauen wollten und denen es weniger um das Hörerlebnis gehe. Ohne diese Plätze und maximal ausgefahrener Bühne komme man immer noch auf 943 Plätze nach dem derzeit geplanten Umbau.
Ist der Denkmalschutz involviert? "Wir hatten schon fünf oder sechs Treffen mit der Leiterin der Oberen Denkmalschutzbehörde", betont Streckel. Jeder einzelne Schritt, auch, ob marode Fenster ausgetauscht oder nochmals mit Glas eingehaust werden dürfen, wird demnach detailliert besprochen. Dass noch kein abschließender Denkmalschutz-Bericht vorliege, hänge mit dem derzeitigen Stand der Planungen zusammen. "Wir sind jetzt gerade mit der Vorentwurfsplanung fertig." Erst im Januar oder Februar könne der Bauantrag gestellt werden. Aktuell läuft immer noch die Bauwerksuntersuchung.
Warum dauert das alles so lange und wurde die Bürgerschaft nicht früher informiert? Erst als die Stadthalle am 4. August geschlossen wurde, habe man mit den baulichen Voruntersuchungen beginnen können, betont Streckel. Trotzdem bleiben er und Schiemer zuversichtlich, dass der geplante Wiedereröffnungstermin zum "Heidelberger Frühling" im Jahr 2022 gehalten werden kann. Schiemer: "Alles andere wäre eine Katastrophe. Wir haben schon jetzt Anfragen für 2022."
Die Kritiker ärgern sich auch, dass das Rondell am Merianbau abgerissen werden soll, um darunter einen Technikraum zu bauen. Ist das wirklich nötig? Der Technikraum sei notwendig, unter anderem, damit die neue Lüftungsanlage funktioniere, betonen Schiemer und Streckel. Die Befürchtungen, dass der unterirdische Bau und die dafür notwendige Baugrube so groß werden, dass Bäume gefällt werden müssten, seien unbegründet. Und wenn die Mehrheit der Bürgerschaft das Rondell, das erst 1979 erbaut wurde, unbedingt wieder aufbauen wolle, könne man dies problemlos tun. Auch wenn man nach Absprache mit dem Denkmalschutz lieber wieder den Originalzustand der Stadthalle hergestellt hätte.